AA

Wien Museum zeigt eindrucksvoll den "Kampf um die Stadt" um 1930

Mit der Ausstellung "Kampf um die Stadt - Politik, Kunst und Alltag um 1930", die heute, Mittwoch, Abend eröffnet wird, bespielt das Wien Museum erstmals seit langem wieder beide Geschoße des vis-a-vis befindlichen Künstlerhauses.
Es sei “eine ans Gigantische grenzende Ausstellung”, mit der wir “sicher an unsere Grenzen gegangen sind”, sagte Museums-Direktor und Ausstellungs-Kurator Wolfgang Kos bei der Pressekonferenz am Vormittag.

Abwechslungsreiche Schau

Tatsächlich erinnert die von “BWM Architekten & Partner” und Grafiker Erwin Bauer vorbildlich und abwechslungsreich gestaltete Schau in ihrer Materialfülle an frühere Künstlerhaus-Großausstellungen wie “Traum und Wirklichkeit” und “Die Türken vor Wien”: Anhand von rund 1.800 Objekten versucht Kos mit einem Budget von rund einer Mio. Euro auf 2.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche die Zeit um 1930 – als ungefährer Rahmen dienen 1927 (Justizpalastbrand) und 1934 (Bürgerkrieg) – aus verschiedensten kultur-, alltags-, sozial- und zeitgeschichtlichen Perspektiven zu beleuchten. “Der Besucher soll sich ein assoziatives Ganzes erarbeiten”, wünscht sich Kos. Weil dies angesichts der Vielzahl an Fotos, Filmen, Plakaten, Alltagsobjekten, Kunstwerken, Dokumenten und Modellen seine Zeit braucht, bietet das Wien Museum erstmals einen “Zweitbesuch” der Schau zum halben Preis an.
Verlauf

Empfangen wird der Besucher im ersten Stock von einer projizierten Foto-Folge von Lothar Rübelt. In diesem orange gehaltenen Ouvertüre-Raum wird u.a. die wachsende Motorisierung und Elektrifizierung der Stadt thematisiert. Kos: “Die Stadt wurde heller und schneller – zugleich sind aber die Schattenseiten deutlicher geworden.” Von hier startet der Rundgang durch insgesamt 17 auch farblich sehr unterschiedlich gestaltete Themenräume, die im ersten Stock Kapitel wie das “Rote Wien”, Freizeitkultur vom Gänsehäufel bis zu Wandervögeln und Skifahrern, sowie Heimatideologie behandeln. Alpenländische Trachtenmode galt in den 30er Jahren sogar in Übersee als chic. Auf einem kurzen Filmausschnitt ist Marlene Dietrich am Ufer des Wolfgangsees in Lederhose (das gute Stück ist auch ausgestellt) zu sehen, ein Schwarz-Weiß-Foto gegenüber zeigt eine Volkstanzaufführung im Gemeindebau.

Die tiefen Gräben, die Kos in der Zeit ortet, werden in vielen Aspekten behandelt, doch wo die Fronten im Kampf “Asphalt gegen Scholle, Wurzeln gegen Beweglichkeit, urban gegen anti-urban, Emanzipatives, Freies, Selbstbestimmtes gegen die Abwehrhaltung der konservativen, katholischen Seite” (Kos) genau verliefen, ist nicht immer eindeutig festzumachen. Auch in der Verwendung der modernen Technik, die nicht nur in den Haushalten und in der Werbebranche, sondern auch bei den Parteien Einzug gehalten hatte, “waren die Mittel des Kampfes politisch nicht zuordenbar”.

Im Erdgeschoß, wo auch eine relativ herkömmliche Kunstausstellung und ein entzückender Streifzug durch den Alltag anhand von Hüten, Handtaschen und Haushaltsgegenständen, modischen Kleidern und modernen Möbeln unternommen wird, manifestiert sich die “Zeit latenter Gewalt und aggressiver Propaganda” (Kos) schließlich auch in der Dokumentation der politischen Tragödien: Hier sind die Ausstellungsobjekte Gummiknüppel und Maschinengewehr; hier werden über einem angesengten Aktenstück aus dem Justizpalast anhand von Fotos minuziös die Ereignisse des 15. Juli 1927 rekonstruiert; hier wird bedrückend klar, dass der “Kampf um die Stadt” ein erbitterter Kampf war, in dem es tatsächlich ums Ganze ging.

Infos:

Ausstellung: “Kampf um die Stadt – Politik, Kunst und Alltag um 1930”, 
Wien Museum im Künstlerhaus, Eröffnung am 17. November um 18 Uhr,
19. November 2009 bis 28. März 2010,
Öffnungszeiten: Di bis So und Feiertag, 10-18 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr;
  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Wien Museum zeigt eindrucksvoll den "Kampf um die Stadt" um 1930
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen