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Viennale 10 - Musik-Dokus: Wilde 70er und intime Einblicke

©Alexander Tuma
The White Stripes werden sentimental, die Stones wieder jung, Leonard Cohen bringt den Frieden im Pyjama und John Turturro macht Neapel eine Liebeserklärung.
Französischer Eröffnungsfilm
Tributes und Specials
Viele Dokus, wenig Österreicher
Kartenverkauf ist gestartet
Sie sorgen bei der Viennale stets für gefüllte Kinosäle, dokumentieren aktuelle Strömungen oder sind eine Reise in die Vergangenheit: Musik-Dokus. Heuer zwar in geringerer Anzahl als noch im Vorjahr, dafür bunt gemischt ist die Auswahl bei der 48. Viennale. Mit einem noch jungen Leonard Cohen und wilden Rolling Stones werden wir in die frühen 70er zurückversetzt, Schauspieler John Turturro gibt den Fremdenführer durch das musikalische Neapel und Filmemacher Emmett Malloy kommt überraschend nah an die Garage-Rockband The White Stripes heran.

Über kaum eine Band ist so wenig bekannt wie über The White Stripes, bis heute verheimlichen Sänger und Gitarrist Jack White und Schlagzeugerin Meg White, ob sie Geschwister oder Ex-Eheleute sind. Als Musikvideoregisseur Emmett Malloy sie bei ihrer 10-Jahres-Jubiläumstour durch Kanada begleitet, kommt er ungewöhnlich nahe heran. Das Ergebnis: die dynamische und zugleich berührende Doku “The White Stripes: Under Great White Northern Lights”. Die durchinszenierte Band wird zu einem sensiblen Duo, das eine innige Beziehung verbindet; die introvertierte Meg taut langsam auf, offenbart sich als selbstkritisch und unsicher. Während Konzertausschnitte das band-übliche Rot/Schwarz/Weiß-Konzept farblich verstärken, sind private Momente, Unplugged-Auftritte und Interviewszenen in schwarz-weiß gehalten und geben dem Film eine intime Stimmung. (22.10., 23.00, Gartenbaukino / 2.11., 11.00, Künstlerhaus Kino).

Leonard Cohen und die Stones

Ein Konzertfilm durch und durch ist hingegen “Leonard Cohen: Live at the Isle of Wight 1970”. Der prämierte Musikdokumentarfilmer Murray Lerner hielt schon vor 40 Jahren ebendieses Festival in “Message of Love” fest, nun konzentriert er sich auf den unvergesslichsten Auftritt von einst: Ein 35-jähriger Leonard Cohen wurde um vier Uhr morgens geweckt, schlurfte verkatert und nur mit einer Jacke über dem Pyjama auf die Bühne, und besänftigte allein mit seiner Stimme die 600.000 Festivalbesucher, die fünf Tage Chaos und Krawall hinter sich hatten. Die Doku zeigt neben dem Konzertmitschnitt in knapp einer Stunde einzelne Impressionen vom Festival, Cohen und seine “Army”-Band backstage, und lässt damals anwesende Musiker zu Wort kommen. (22.10., 13.00, Stadtkino / 2.11., 23.00, Gartenbaukino)

Ähnlich von Exzessen wie das “Isle of Wight”-Festival war jene Zeit geprägt, in der die Rolling Stones 1972 ihr Album “Exile on Main Street” aufnahmen. Aus Steuergründen war die Band samt Familie nach Südfrankreich geflüchtet und hatte sich ein Aufnahmestudio im Keller einer Villa eingerichtet, wo Alkohol und Drogen die Arbeit überschatteten. Stephen Kijaks Doku “Stones in Exile” ist eine beeindruckende Mischung aus alten Ton- und Filmaufnahmen, Konzertmitschnitten, intimen Fotos (die er wie Bewegtbilder inszeniert), Stones-Musik und Interviews mit Bewunderern, Wegbegleitern und Bandmitgliedern. “Der Schlüssel zum Album war, dass wir keinen Masterplan hatten”, erzählt ein jung gebliebener Mick Jagger. Der Masterplan des Films hingegen geht auf: Er entführt in musikalisch aufregende Zeiten, auch wenn die großen Enthüllungen und Drogengeschichten ausbleiben. (23.10., 13.30, Künstlerhaus Kino / 1.11., 23.00, Gartenbaukino)

Auf eine musikalische Reise lädt auch der gebürtige Italiener und ewig zu Nebenrollen verdammte Schauspieler John Turturro ein. In “Passione” huldigt er der süditalienischen Hafenstadt Neapel. Auf verschmutzten Plätzen und vor Graffiti-beschmierten Mauern geben lokale Musiker die vielseitige Bandbreite neapolitanischer Musik vom besten, während alte Hasen aus der Branche von arabischen, spanischen und französischen Einflüssen erzählen, die die Musikkultur Napolis so unverwechselbar machen. Doch Turturros Liebeserklärung an die Stadt kommt nicht beim Zuseher an: Ein ständiger Bruch von Musikszenen zu stillen Kurzinterviews, von simplen Performances zu pseudo-inszenierten Musikvideos oder alten Filmaufnahmen irritiert, lässt den Zuschauer hilflos zurück. “Passione” fehlt es an Struktur, an einem Konzept der Vermittlung – und vor allem an einem: Leidenschaft. (28.10., 21.00, Gartenbaukino / 29.10., 23.30, Urania)

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