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Trotz Verlusten: Das Wiener Kaffeehaus lebt

Das Wiener Kaffeehaus lebt - und stirbt inzwischen eher selten. Das zeigt ein Blick in das ultimative Kompendium, das soeben in neuer Auflage erschienen ist: "Kaffeehäuser in Wien" nennt sich der vom Falter-Verlag herausgegebene Stadtführer, er versammelt rund 100 Lokale, die, manchmal auch nur im weiteren Sinn, in die Kategorie Kaffeehäuser fallen.

Die Erstauflage des Buches ist vor 20 Jahren erschienen. Nicht alle der damals vorgestellten Betriebe haben überlebt, aber eigentlich doch ziemlich viele.

Als “die Bestandsaufnahme” in Sachen Kaffeehäuser preist der Verlag das Buch an. Und das darf er wohl tatsächlich. Denn die Klassiker des Genres sind dort genauso vertreten wie Coffeeshops und Konditoreien. Beschrieben werden die Einrichtung der diversen Lokalitäten, das Speise- bzw. Getränkeangebot oder auch die Klientel. Bei älteren Häusern gibt es auch kurze historische Exkurse.

Autor Christopher Wurmdobler beruhigt seine Leserschaft: Das Kaffeehaussterben sei abgesagt, versichert er. Das liegt auch daran, dass schon ganz viel gestorben wurde, nämlich in den Sechziger- und Siebziger-Jahren des kürzlich zu Ende gegangenen 20. Jahrhunderts. Seither ist die Lage relativ stabil. Diverse Coffeeshop-Ketten werden inzwischen durchaus eher als Bereicherung denn als Bedrohung gesehen.

So ganz ohne Verluste ging es aber auch in den vergangenen Jahren nicht. Wobei ausdrücklich betont werden muss: Manchmal handelte es sich dabei um Metamorphosen, und das Neue ist oft auch das Bessere. So ist etwa der Abgang des “Cafe Kammerspiele” in der Rotenturmstraße zu verschmerzen. Ihm ist das “e tricaffe” gefolgt, ein, wie 2010 betont wird, “New Kaffeehaus, wie man es sich wünscht”.

Kein Wünschen half dem “Cafe Salzgries”, dem “Cafe Sirk” oder dem “Cafe Theater an der Wien”, in dem einst das Wienerlied- und Operettenensemble Donauwellen gegründet wurde. Signifikant der Kaffeehaus-Schwund im 9. Bezirk: Das “Cafe Bauernfeld”, imposant zwischen Liechtensteinstraße und Porzellangasse gelegen, musste einem Bierbeisl weichen, das “Cafe Brioni” beim Franz-Josefs-Bahnhof einem Spiellokal. Und eines der schönsten unter den kleinen Kaffeehäusern, das “Cafe Stadlmann” in der Währinger Straße, gibt es auch nicht mehr.

Das wunderbare “Cafe Grillparzer” ist ebenfalls längst Geschichte. Selten passte eine oft bemühte Floskel besser: In dem Kaffeehaus am Döblinger Gürtel schien tatsächlich die Zeit stehen geblieben zu sein, für ewiges Leben reichte es dann aber doch nicht. Jedoch gilt hier: Der Nachfolger, das “Blaustern”, ist ein würdiger – noch dazu mit eigener Rösterei. Im benachbarten 18. Bezirk ist das “Cafe Schopehauer” zwar in der Neuauflage zu finden, aber derzeit geschlossen. Gehofft wird auf eine Neuübernahme. Das nicht weit davon entfernte “Cafe Wilder Mann” hat es nicht mehr ins Buch geschafft.

Dass das “Cafe Haag” in der Schottengasse verschwunden ist, ist – inzwischen – nicht mehr bedauerlich. Die dort unternommenen Fastfood- und Restaurantversuche sind gescheitert. Unter neuem Namen (“Cafe im Schottenstift”) erlebte das Kaffeehaus, quasi rekonstruiert, eine Wiederauferstehung. Komplizierter verlief und verläuft diese beim “Cafe Museum”, das derzeit wieder einmal umgebaut wird.

Insgesamt herrscht jedoch Kontinuität. Es finden sich die meisten der schon 1990 enthaltenen Kaffeehäuser in der Neuauflage wieder, manche in neuem Erscheinungsbild, wie das berühmte “Cafe Drechsler” am Naschmarkt. Und nicht zu vergessen: Es gibt auch auch die Einsteiger. Genannt seien hier das “Cafe Leopold” im Museumsquartier, die Cafe-Buchhandlung “Phil” in der Gumpendorfer Straße und der noch ziemlich neue “Prince Coffee Club” am Hohen Markt.

Was die nächsten Jahre bringen, ist naturgemäß schwer zu sagen, was die vergangenen Monate gebracht haben, ist aber jedenfalls eine mittelgroße Revolution: Aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen sind die meisten Cafes nun zum Teil Nichtraucherlokale – oder sogar völlig rauchfrei.

Der ansonsten höchst informative Falter-Kaffeehausführer bietet keine genaueren Auskünfte zur Qualmsituation in den einzelnen Betrieben. Vielleicht war dafür aber auch die Zeit schlicht zu knapp: Denn nicht wenige Kaffeehäuser haben sich erst vor kurzem für eine Variante entschieden.

(“Kaffeehäuser in Wien. Ein Führer durch eine Wiener Institution” von Christopher Wurmdobler, mit Farbfotos von Gerhard Wasserbauer. Falter-Verlag, aktualisierte Neuauflage 2010. 240 Seiten, ISBN 978-3-85439-439-6. Preis: 25,50 Euro)

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