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Mord in Paraguay: Tag zwei beim Prozess in Wiener Neustadt

In Wiener Neustadt findet ein Mordprozess um einen mysteriösen Todesfall in Paraguay statt
In Wiener Neustadt findet ein Mordprozess um einen mysteriösen Todesfall in Paraguay statt ©APA (Sujet)
Der zweite Tag im Wiener Neustädter Mordprozess um den mysteriösen Tod einer Niederösterreicherin im Herbst 2011 in Paraguay ist vorbei. Am Mittwoch wurden Zeugen aus dem südamerikanischen Land gehört, in dem der Ehemann (55) und seine Partnerin (47) die an Down-Syndrom leidende Frau (46) laut Anklage vergiftet haben sollen.
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Mysteriöser Tod in Paraguay

Beide Angeklagten hatten sich am Dienstag nicht schuldig bekannt. Die Vermieterin des Hauses in der deutschen Kolonie Independencia ging nach ihren Worten davon aus, dass die Angeklagten Eheleute waren, die 46-Jährige wurde ihr mit Vornamen als entfernte Verwandte oder Bekannte vorgestellt.

Paar belog Vermieterin in Paraguay

In den Pässen gab es keine Namensgleichheit, dass es sich um die Ehefrau handelte, erfuhr sie erst viel später aus Zeitungen: “Die beiden haben mich angelogen.” Ihr sei damals “auf den ersten Blick” aufgefallen, dass die Frau geistig nicht ganz gesund gewesen sei. Das nun beschuldigte Paar habe offensichtlich ein Schlafzimmer benutzt.

Die 46-Jährige bewohnte ein anderes Zimmer mit Extra-Eingang von der Terrasse und war zweimal in Begleitung im Supermarkt der Vermieterin einkaufen – Schmerzmittel hatte während des Aufenthaltes niemand erworben, betonte die Zeugin. Ausflüge habe nur das Paar gemacht, nach ihrer Einschätzung habe die Frau die Beziehung dominiert, meinte die Zeugin.

Tod der Niederösterreicherin

Dann wurde die Vermieterin telefonisch darüber verständigt, dass die 46-Jährige verstorben war, und begab sich in ihr Haus, wo auch die Polizei und ein Gerichtsmediziner eintrafen. Auf Behördenfragen hätte – vorwiegend – die Angeklagte angegeben, ihre Bekannte hätte tags zuvor Zahnschmerzen gehabt und starke Schmerzmittel genommen, aber am Abend viel Alkohol getrunken.

Die Leiche wurde zur Beerdigung freigegeben und das Begräbnis auf dem paraguayischen Friedhof arrangiert, weil es dort im Gegensatz zum deutschen nichts kostete.

Down-Syndrom blieb unerkannt

Die Angeklagte bestritt, die 46-Jährige als entfernte Verwandte bezeichnet zu haben. “Sie hat immer ganz normal mit mir gesprochen, und auch optisch ist mir nichts aufgefallen”, sagte sie auf Richter-Vorhalt, dass sie das Handicap erst viel später bemerkt haben wollte, während es der Vermieterin sofort klar war.

Angeklagte für Ehepaar gehalten

Neben der Vermieterin des Hauses in Independencia hat ein weiterer Zeuge die Angeklagten für ein Ehepaar gehalten. Der Mann habe von seiner Partnerin als “mei Frau” gesprochen, erklärte der 54-Jährige, der seit 26 Jahren in Paraguay lebt und Neuankömmlingen bei Behördenwegen hilft. Er lernte das Paar bei dessen ersten Aufenthalt 2009 kennen.

Beim zweiten Besuch habe man Kontaktdaten ausgetauscht und er reservierte dann auch das Haus für die Reise zu dritt im Herbst 2011, erzählte der Zeuge. Nach der Ankunft im Hotel der Hauptstadt wurde ihm das spätere Opfer als Bekannte vorgestellt. Dass die 46-Jährige eigentlich zum Angeklagten gehörte, “war überhaupt nicht zu erkennen”.

Zeuge beschreibt Situation in Paraguay

Der Mann war auch zwei, drei Mal zu Besuch im Haus, wobei er ebenfalls überzeugt war, dass sich die Angeklagten ein Zimmer teilten. Welche Geschäfte sie dort vorhatten, wusste er nicht. “Bist deppert oder was?” – So habe er reagiert, als der 55-Jährige ihn anrief und ihm den plötzlichen Tod der 46-Jährigen mitteilte.

Er habe dann das Konsulat kontaktiert und den Totenschein abgeholt, auch am Begräbnis nahm er teil – neben dem Totengräber war man zu dritt. Als dann die Exhumierung angeordnet wurde, musste er das Grab erst suchen, bis er es wiederfand.

Keine Trauer nach Begräbnis

Dass der Niederösterreicher mit der Verstorbenen verheiratet gewesen war, erfuhr der Zeuge erst später vom Konsul. Ursprünglich hätte das Paar bis Jänner bleiben wollen, sagte dann aber, es müsse früher zurück. Über die Tote sei da gar nicht mehr gesprochen worden. “Die haben genauso getrauert wie ich – überhaupt nicht”, meinte der Zeuge. Sein Eindruck von der 46-Jährigen? “Sie war net richtig im Kopf”, ruhig, bescheiden, unauffällig.

Verstorbene als Bekannte bezeichnet

Der Mitarbeiter des Außenministeriums in Paraguay erklärte, dass der Angeklagte zwei Mal, persönlich und am Telefon, auf konkrete Frage nach dem Namen seiner Gattin den Vornamen der Mitbeschuldigten genannt und die Verstorbene als Bekannte bezeichnet habe. Etwa eine Woche nach deren Tod sei der Mann dann telefonisch nicht mehr erreichbar gewesen.

So stimme das nicht, hielt der Angeklagte dazu fest – und weiter: Er habe sich erst sammeln müssen nach dem Tod seiner Frau.

Opfer als kindliches Gemüt beschrieben

Arbeitskollegen aus dem großen Handelsunternehmen, wo das Opfer 20 Jahre als Reinigungskraft angestellt war, schilderten die 46-Jährige als kindliches Gemüt, lebensfroh und lustig, eine Tiernärrin – so kam auch ihre Namensänderung zustande, für die sie sich an einer Pferde-Zeitschrift orientierte. Dem Geschäftsführer zufolge merkte man ihre geistige Behinderung beim Sprechen, weniger vom Aussehen her.

Ehemann schickte Arbeitgeber Kündigung

Über ihre private Wohnsituation – allein mit Katzen und Hunden in der Wohnung ihrer verstorbenen Mutter – wusste er vom Hörensagen. Die von ihrem Mann per Einschreiben vor dem Urlaub geschickte Kündigung habe er als nicht rechtskräftig angesehen. Als die Frau dann aber nicht wiederkehrte, was in der Firma für einen ziemlichen Aufruhr sorgte, weil man sie vor der Reise zu dritt gewarnt hatte, recherchierte eine Kollegin im Internet und stieß auf die Todesanzeige in Paraguay.

Hochzeit verlief unspektakulär

Laut einer Kollegin war die Hochzeit der Reinigungskraft ohne Ring, Feier, Geschenk und Fotos über die Bühne gegangen. Die 46-Jährige habe nur gesagt, dass sie weiter allein wohne und ihr Mann bei der Freundin. Dass sie den Mann im Zuge einer Sachwalterschaftsfrage kennenlernte, erfuhr die Zeugin erst später.

Auf den Urlaub habe sich die 46-Jährige gefreut. Sie werde im Pferdestall schlafen und das Paar im Haus, habe sie erzählt. Einem weiteren Kollegen gegenüber gab sie an, ihre Schwägerin habe ihr zur Heirat geraten. Sie sei eine liebenswerte Person gewesen, aber eben geistig behindert, bezeichnete der Zeuge die Hochzeit als aus seiner Sicht pervers. Die Kündigung sei für ihn völlig unerwartet gekommen. Von einem Mobbing, wie darin als Grund zu lesen war, wusste niemand etwas.

Urteil am 15. Juli geplant

Der Prozess war ursprünglich nur in dieser Woche für drei Tage angesetzt. Zu einem Urteil dürfte es allerdings erst am 15. Juli kommen – der Gerichtsmediziner muss nun, wie am Dienstag erklärt wurde, die Krankengeschichte der an Down-Syndrom leidenden 46-Jährigen in seine Expertise einarbeiten.

(apa/red)

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