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Kinderarzt aus Wien wegen schlampiger Behandlungen vor Gericht

Weil er die Vernachlässigung nicht bemerkte, muss sich ein kinderarzt vor Gericht verantworten.
Weil er die Vernachlässigung nicht bemerkte, muss sich ein kinderarzt vor Gericht verantworten. ©APA (Symbolbild)
Weil er bei einer "Problemfamilie" die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen entweder gar nicht oder unzureichend durchgeführt haben soll, soll ein Kinderarzt aus Wien mitverantwortlich sein, dass die grobe Vernachlässigung mehrerer Kinder über längere Zeit unentdeckt blieb. Nun muss er sich vor Gericht verantworten.

Ausgangspunkt des Ganzen war ein Strafverfahren, das im Jahr 2011 im Grauen Haus gegen eine damals 24 Jahre alte Mutter von insgesamt vier Kindern, ihren Ehemann und ihre Großmutter geführt wurde. Dem Paar waren auf Veranlassung des Jugendamtes die Kinder abgenommen worden. Der Älteste – ein damals vier Jahre alter Bub – konnte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ohne fremde Hilfe stehen. Mit den jüngeren Geschwistern kommunizierte der Kleine über Kratzen, da er sich sprachlich nicht verständlich machen konnte.

Vernachlässigung der Kinder spät bemerkt

Wie sich im Zuge der weiteren Erhebungen herausstellte, sollen die zwei Buben und zwei Mädchen oft stundenlang vor dem Fernseher ruhig gestellt und dabei sogar im Kinderwagen fixiert worden sein, was die Angeklagten jedoch in Abrede stellten. Als eine Kinder- und Jugendpsychiaterin im Auftrag des Gerichts den ältesten Buben untersuchte, stellte sie in ihrem Gutachten eine “globale Entwicklungsverzögerung auf allen Ebenen” fest: Seine grobmotorischen Fähigkeiten entsprachen denen eines Dreijährigen, seine sprachlichen Fähigkeiten einem Zweijährigen. Wenig, aber nicht wesentlich besser sah es bei den jüngeren Schwestern des Buben aus. Lediglich der Jüngste – zum Untersuchungszeitpunkt eineinhalb Jahre alt – war laut Gutachterin altersadäquat entwickelt.

Mutter gilt als “absolut erziehungsunfähig”

Der Kindesmutter bescheinigte die Sachverständige – wörtlich – “absolute Erziehungsunfähigkeit”. Die 24-Jährige leide an einer “primären Mangelbegabung” und habe “einen infantilen Eindruck hinterlassen”, hieß es. Sie sei “nicht in der Lage, kindliche Bedürfnisse zu erkennen”, sagte die Sachverständige. Dem Vater attestierte sie, “keine Erziehungsfunktion in der Familie übernommen” und “nicht regulierend eingegriffen” zu haben, “obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre”. Die dominante Person, die vorrangig die Kinder unter sich hatte, war laut Psychiaterin die im selben Haushalt wohnhafte Großmutter, wobei ihre Erziehungsmaßnahmen dem Gutachten zufolge “zweifelsfrei nicht am Kindeswohl orientiert waren”.

Dennoch wurden alle drei Angeklagten freigesprochen, weil für den Richter nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte, dass ihnen die für eine Verurteilung erforderliche gröbliche Vernachlässigung bewusst war. Maßgeblich dafür war nicht zuletzt der Umstand, dass die Familie nachweisen konnte, bei einem Kinderarzt wegen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen vorstellig geworden zu sein.

Kinderarzt werden schlampige Behandlungen vorgeworfen

Diesen holte nun in Form eines Strafantrags der Staatsanwaltschaft Wien die Vergangenheit ein. Für die Anklagebehörde ist es erwiesen, dass der Mediziner die Kinder wenn überhaupt, dann äußerst schlampig und oberflächlich behandelt haben dürfte, da die erwiesenen Mangelerscheinungen ansonsten nicht erst bei der Abnahme der Kinder zutage getreten wären, zumal die Entwicklungsrückstände laut einem Gutachten selbst für einen medizinischen Laien erkennbar waren. Der Arzt soll damit seine Befugnis, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte – nämlich Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen – vorzunehmen, wissentlich missbraucht haben. (APA)

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