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Justizdaten-Affäre: Hauptangeklagter nach Suizid-Versuch abwesend

Justizdaten-Affäre: Prozess in Wien am Dienstag.
Justizdaten-Affäre: Prozess in Wien am Dienstag. ©APA
Ohne den Hauptangeklagten ist am Dienstag im Wiener Straflandesgericht der Prozess um eine groß angelegte Daten-Affäre bei der Justiz eröffnet worden. Der 68-jährige Chef einer Wiener Kreditauskunftei befindet sich nach einem Selbstmord-Versuch in einem Spital. "Ein Unterbringungsverfahren läuft", so Richterin Stephanie Öner, Vorsitzende des Schöffensenats.
Justizbedienstete vor Gericht

“Wann mit seinem Wiedererscheinen zu rechnen ist, ist nicht abzusehen”, sagte Öner. Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen wurde daher das Verfahren gegen den 68-Jährigen ausgeschieden. Er soll laut Anklage ab 2002 13 korrupten Gerichtsbediensteten aus ganz Österreich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Daten aus dem elektronischen Register der Justiz (VJ-Register) abgekauft haben.

Diesen Datenschatz gab der Unternehmer weiter, wobei seine Firma zuletzt de facto eine Monopol-Stellung innehatte, was Auskünfte über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Privatpersonen betrifft.

Daten illegal weiterverkauft

Wie Staatsanwalt Wolfgang Handler zu Beginn der Verhandlung ausführte, soll der 68-Jährige mit den illegal beschafften und weitergegebenen Vermögensverzeichnissen und Listenabfragen aus laufenden Exekutionsverfahren monatlich 32.000 Euro verdient haben.

Das Verfahren ist vorerst auf neun Verhandlungstage anberaumt, Urteile wird es frühestens am 25. Oktober gehen. Den zwölf erschienenen Angeklagten – neben dem Unternehmer fehlte krankheitsbedingt auch ein 72-jähriger, mittlerweile pensionierter Justiz-Mitarbeiter – drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Mehr Hintergründe zum Prozess hier.

Daten von über 92.000 Personen weitergegeben

Die angeklagten sieben männlichen und sechs weiblichen Justiz-Mitarbeiter – Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger und für Schreibarbeiten eingesetzte Kanzleikräfte an Vorarlberger, Tiroler, steirischen, oberösterreichischen und niederösterreichischen Bezirksgerichten – sollen zwischen 2002 und 2010 regelmäßig Namenslisten aus dem Exekutions-Register abgefragt haben. Die Screenshots druckten sie aus und leiteten sie der Wiener Kreditauskunftei weiter, wobei sie dafür laut Anklage mit 1 bis 1,5 Euro pro gelieferter Seite bezahlt wurden.

Knapp 170.000 Seiten sollen in gesetzwidrigerweise ausgedruckt worden sein. Geheime Daten von knapp 40.000 juristischen und nicht weniger als 92.713 Privatpersonen wurden angeblich weitergegeben. Diese sollen gemäß der Anklage in weiterer Folge für Bonitätskarteien verwendet worden sein. Abgefragt wurden Daten von zumindest 56 Bezirksgerichten zwischen Bezau und Zwettl, wo die entsprechenden Exekutionsverfahren anhängig waren.”Das Vertrauen in die Justiz ist eines der Fundamente unserer Gesellschaft. Missbrauch führt zu Vertrauensverlust und zum Zweifel am Rechtsstaat”, gab Staatsanwalt Wolfgang Handler in seinem Eröffnungsvortrag zu bedenken. Die Angeklagten hätten “das in sie gesetzte Vertrauen mit Füßen getreten”, indem sie gegen entsprechende Bezahlung exklusiv ihnen zur Verfügung stehende Informationen weitergaben.

Schwerer Vorwurf des Amtsmissbrauchs

Den Chef der Wiener Kreditauskunftei bezeichnete Handler als “großen Initiator des Amtsmissbrauchs”. Dieser habe seit 1986 sogenannte “Melder” an verschiedenen Bezirksgerichten beschäftigt, die damals die Amtstafeln studierten und ihn mit Informationen über anhängige Exekutionsverfahren “gefüttert” hätten. Als ab 2001 die Exekutionsdateien elektronisch geführt wurden, begann der heute 68-Jährige Justiz-Beamte zu überreden, ihm Namen, Geburtsdaten und Anschriften von Exekutionen Betroffener bekannt zu geben. Dabei übernahm der Mann einige seiner ursprünglichen “Melder”, wobei er diese teilweise unter eigenen Decknamen führte.

Der Chef der Kreditauskunftei erwirtschaftete mit seinem Betrieb zwischen 2002 und 2010 ein Nettoeinkommen von knapp vier Millionen Euro. Seine Zulieferer hätten gewusst, dass Abfragen ohne dienstlichen Anlass nicht erlaubt und ihre Weitergabe verboten war und damit den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt erfüllt, so Staatsanwalt Handler.

(APA)

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