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Josef Hader im Interview zu "Vor der Morgenröte"

Hauptdarsteller Josef Hader und Regisseurin Maria Schrader
Hauptdarsteller Josef Hader und Regisseurin Maria Schrader ©APA/HERBERT NEUBAUER
Am 3. Juni läuft Maria Schraders Episodenfilm "Vor der Morgenröte" zum österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig in den heimischen Kinos an. Hauptdarsteller Josef Hader erzählt von seinen Erlebnissen in der Rolle des berühmten Autors und seiner Haltung zu Europa.
Kritik und Trailer zum Film

Erinnern Sie sich daran, wann Sie das erste Mal mit Stefan Zweig in Berührung gekommen sind?

Josef Hader: Ja, ich war 14 und bei uns zuhause am Bauernhof ist ein antiquarisches Exemplar von “Marie Antoinette” herumgelegen, das offenbar ein Sommergast vergessen oder uns geschenkt hat. Das war das erste Buch von Stefan Zweig, das ich gelesen habe.

Hat es bleibenden Eindruck bei Ihnen hinterlassen?

Unbedingt, weil ich historisch sehr interessiert war. Immer, wenn die Schulbücher am Schulanfang gekommen sind, habe ich als erstes die Geschichtsbücher vom Anfang bis zum Ende durchgelesen. Wenn man geschichtsinteressiert ist, ist man bei Stefan Zweig natürlich sehr gut aufgehoben.

Haben Sie Ehrfurcht empfunden, als Sie die Rolle angenommen haben?

Ehrfurcht ist etwas hinderlich beim Schauspiel. Schauspiel funktioniert eher über das Gegenteil. Man bereitet sich halt vor so gut und so genau es geht, das muss man für andere Rollen weniger machen. Ich habe einige Biografien gelesen und geschaut, was es noch an Bild- und Tondokumenten gibt. Es gibt sehr wenig, aber ein kurzes Ton- und ein kurzes Filmdokument.

Ihre Regisseurin Maria Schrader meint, Sie und Zweig verbinde die Autorenschaft. Sie sind nicht nur Interpret, sondern schreiben Ihre eigenen Kabarettprogramme und arbeiten an Drehbüchern mit. Hat Ihnen das den Zugang zu Zweig erleichtert?

Hader: Mir hat es zunächst den Zugang etwas verbaut, weil jeder normale Schauspieler, der Theater spielt, schon mal Tschechow gespielt hat oder Schnitzler; irgendeine Rolle, die in früherer Zeit angesiedelt ist. Ich habe das noch nie gemacht. Zunächst war es ein großes Hindernis, dass ich kein richtiger Schauspieler bin. Es kann schon sein, dass man bei bestimmten Szenen, in denen es darum geht, dass man als Künstler Stellung nimmt vor Journalisten oder man überfordert ist von all dem, was auf einen einströmt, ein bisschen was von seiner Lebenserfahrung verwenden kann. Aber das könnte man mit anderen Berufen auch, die es mit sich bringen, dass man Interviews gibt oder mal zu viele Mails bekommt. Insofern glaube ich nicht, dass das entscheidend ist.

Stefan Zweig wird im Film dafür kritisiert, beim PEN-Kongress in Buenos Aires 1936 nicht Stellung gegen Hitler-Deutschland zu beziehen. Können Sie seine Haltung nachvollziehen?

Ja, ich respektiere das, weil es eine sehr wahre Haltung ist. Eine Stellungnahme mitten im Krieg für eine Partei, so sehr sie auch im Recht ist, hätte er nicht machen können, weil er gegen den Krieg an sich war. Das war auch Teil seiner Verzweiflung: Was macht man mitten im Zweiten Weltkrieg als Pazifist? Eigentlich nichts. Man kann die Haltung gar nicht wirklich vertreten, weil natürlich allen klar ist, dass dieser Krieg gegen Hitler-Deutschland notwendig ist. Und gleichzeitig haben alle diese Dinge unglaublich geschmerzt. Er hat sich ja nicht gefreut, wenn Berlin bombardiert wurde. Stefan Zweig hatte das Gefühl, dass die Welt, so wie er sie gekannt hat, danach nicht mehr existieren wird und das war einer der Gründe, warum er am Ende keinen Lebensmut mehr fassen konnte.

Was würde Stefan Zweig, der im Film von einem “freien Europa” ohne Grenzen und Pässe träumt, dazu sagen, dass die Grenzen heute wieder aufgezogen werden?

Das Europa, das Stefan Zweig vorgeschwebt ist, hatte schon vor fünf Jahren nichts mit dem zu tun, was wir in Europa haben. Was wir heute haben, ist eine wirtschaftliche Zweckgemeinschaft, die in Sonntagsreden über die europäischen Werte redet. Wir haben eine etwas verlogene Konstruktion in diesem vereinten Europa. Jetzt ist die Frage, in welche Richtung wir uns entwickeln. Momentan entwickeln wir uns in eine ganz falsche, aber die Konstruktion selbst ist von Anfang an sehr einseitig gewesen. Deswegen denke ich mir, dass Stefan Zweig schon von Anfang an nicht sehr zufrieden gewesen wäre mit dem vereinten Europa, das wir heute haben.

“Vor der Morgenröte” erinnert auch an eine Zeit, in der – so formuliert es Zweig – ein “halber Kontinent auf der Flucht” war. Ist der Film geeignet, Europäer angesichts der aktuellen Flüchtlingsdebatte an seine eigene Kriegs- und Fluchterfahrungen zu erinnern?

Einem einzelnen Film darf man so große Aufgaben nicht zumuten. Aber ich denke mir, dass die Beschäftigung mit dieser Zeit für uns alle sehr wertvoll ist und uns inspirieren kann für das, was heute passiert. Wenn man so schaut, wie Staaten mittlerweile miteinander umgehen, etwa die Türkei und Russland, dann denkt man an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Wenn man schaut, wie sich bei uns die politischen Lager immer mehr voneinander entfernen, wie sie in ihren Blocks sitzen und sich gegenseitig aufhussen, dann denken wir an die Zwischenkriegszeit. Und wenn man sieht, was an Europas Grenzen gerade passiert, dann könnte man zum Beispiel an die Zeit 450 n.Chr. denken, den Beginn der Völkerwanderung. Das heißt: Die Beschäftigung mit Geschichte kann uns viel Information geben, welche Fehler man nicht machen sollte.

Das sind düstere Bilder, die Sie zeichnen.

Es ist nicht düster, denn wir haben es noch in der Hand, die Dinge anders zu lösen. Die Beschäftigung mit Geschichte kann einen auch zum fundierteren Optimisten machen. Wir könnten zum Ergebnis kommen, dass unsere Demokratie um einiges stabiler ist als das Österreich der Ersten Republik. Und wir könnten uns auch sagen, dass wir in Zeiten leben, wo Krieg zum ersten Mal weltweit zwar passiert, aber geächtet ist und nicht mehr als politisches Mittel anerkannt wird. Wir könnten alle möglichen Dinge herausfinden, die besser geworden sind. Und deswegen ist Geschichte gar nichts Trauriges.

Sie verkörpern Stefan Zweig als sehr ambivalenten Menschen, der zwischen Traurigkeit und Glück schwankt. Meinen Sie, ihn plagten auch Schuldgefühle gegenüber der Heimat, weil er sich im sicheren Exil wusste?

Das war ganz sicher so! Wenn man mal das eigene Leben in Sicherheit gebracht hat und gleichzeitig zuschauen muss, wie die Welt, die man liebt, in Schutt und Asche fällt, ist das eine Belastung, die wir uns alle überhaupt nicht vorstellen können. Und Stefan Zweig, der ja nicht in einer bestimmten Stadt wie Wien oder Salzburg, sondern als überzeugter Europäer in Europa zuhause war, hat in diesen Jahren praktisch erlebt, wie der Kontinent, den er kulturell und von der ganzen Lebensart her schätzt, in ein paar Jahren demoliert wurde. Er wusste: Die Art von Europa, die er geliebt hat, ist vorbei.

Hat auch das viele Reisen, das Nie-wirklich-Ankommen etwas mit ihm gemacht?

Er ist immer gerne gereist in Europa, hat gern seine Freunde besucht, seine Dichterkollegen in Frankreich, ist gerne nach England oder Italien gefahren, aber auch immer gerne zurückgekehrt. Was sowohl im Film als auch in der Biografie herauskommt: In Amerika hat er sich nicht so wohlgefühlt, weder in New York noch in Los Angeles, wo er sowieso nicht sein wollte, da war der Thomas Mann. In Südamerika hat er eine große Begeisterung bekommen für Brasilien, weil er hier gesehen hat, wie Menschen verschiedener Rassen zusammenleben. Das war für ihn, der aus Europa kommt, eine große Idylle. Gleichzeitig wird man natürlich nie heimisch, weil das doch eine Spur weit zu fremd ist. Man kann das heute noch beobachten in viel lächerlicherer Art und Weise, wenn österreichische oder deutsche Aussteiger auf griechischen Inseln leben und glauben, sie gehören dazu, und dann nach 20 Jahren aufgrund einer kleinen Begebenheit feststellen müssen, dass sie immer noch Fremde sind. Und die wundert das dann.

(APA/Angelika Prawda)

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