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Ganz neue Blicke auf unsere Kaiserin Sisi

Das ist die Kunstfigur "Sissi", dargestellt von Romy Schneider und mit recht wenig Realitätsbezug
Das ist die Kunstfigur "Sissi", dargestellt von Romy Schneider und mit recht wenig Realitätsbezug ©Erma-Film 1957
Als künstliche Kitschfigur "Sissi" eroberte Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, in den 1950er-Jahren die Herzen der Kinogeher. Zu ihren Lebzeiten hingegen hatten ihre Untertanen kaum eine Vorstellung von ihr.

Sisi, so die richtige Schreibweise, mied öffentliche Auftritte und ließ sich in ihren letzten dreißig Lebensjahren weder portraitieren noch fotografieren. Damit fand sie auch in den Medien so gut wie keine Beachtung. Das änderte sich jedoch schlagartig mit ihrer Ermordung im Spätsommer 1898.

Evelyn Knappitsch, Dissertantin am Institut für Geschichte der Universität Graz, ist der Konstruktion von “Sisi”-Bildern in der Wiener Presse um 1900 nachgegangen. In ihrer kürzlich im Grazer Universitätsverlag erschienenen Publikation “(Nach-)Blicke auf die Kaiserin” zeigt Knappitsch auf, wie sich aus anfangs ganz unterschiedlichen Darstellungen schließlich der Mythos um Elisabeth herauskristallisiert hat.

Medien interessierten sich für blutigen Mord

“Der gewaltsame Tod der Kaiserin durch die Feile des jungen Anarchisten Luigi Lucheni löste nicht nur in Wien, sondern kurzfristig in ganz Europa ein starkes Medieninteresse aus. Es entstand eine intensive Auseinandersetzung mit Elisabeth als Person, wobei die Bilder, die von ihr gezeichnet wurden, je nach politischer Orientierung des Mediums stark variierten”, berichtet Evelyn Knappitsch.

Die Historikerin interessierte sich vor allem für die Blicke auf den Körper, die Psyche sowie die gesellschaftlich-politische Funktion der Kaiserin.

Sisi als Bürgerliche mit Widersprüchen

“In den liberalen Zeitungen Neue Freie Presse und Neues Wiener Tagblatt entsprach Elisabeth ganz dem Ideal der bürgerlichen Frau”, so die Historikerin. Ihre Rolle als Kaiserin habe sie nicht erfüllt, weil sie eben nicht das repräsentative Glanzstück des Hofes sein wollte. “Auch die Arbeiter Zeitung hob ihre liberale Haltung hervor, während die Wiener Zeitung, das offizielle Amtsblatt des Kaiserhauses, Elisabeth als ideale Herrscherin stilisierte, die ihrem Mann eine Stütze war und sich sozial engagierte”, verweist Knappitsch auf die widersprüchliche Darstellung. Was ihre Erscheinung betraf, so sei das “Sisi”-Bild in den liberalen Medien von ihrer Jugend und Schönheit bestimmt gewesen. Das Vaterland, ein konservatives Blatt, habe sie hingegen als alt und gebrechlich beschrieben. Kurioses Detail am Rande: Da es keine aktuellen Fotos der Kaiserin gab, wurden frühere Bilder retuschiert, um sie ihrem Alter entsprechend “anzupassen”.

Sisi war ‘anders’

“Besonderes Interesse galt Elisabeths Abweichungen von der Norm – auch in psychischer Hinsicht”, weiß Knappitsch. So wurde unter anderem berichtet, sie habe am Geschmack der Milch, die sie täglich trank, erkannt, von welcher ihrer Kühe diese stammte. Außerdem soll sie sich mit dem toten Dichter Heinrich Heine unterhalten haben. “Woher diese und andere Informationen stammten, ist unklar”, so die Historikerin. Tatsächlich gab es nur eine Biographie der Kaiserin. Eine zweite offizielle Quelle war der Band zum 50-jährigen Thronjubiläum von Kaiser Franz Joseph I. “Vieles beruht auf Spekulationen und sagt mehr über die Verfasser der Artikel aus als über die Kaiserin selbst”, betont Knappitsch.

Aus all diesen Details und verschiedenen Blicken auf Elisabeth hat sich letztendlich ein Bild durchgesetzt und den Mythos begründet: “Sisi”, die – durch den Tod ihres Sohnes Kronprinz Rudolf hart getroffene, leidende und psychisch kranke Frau.

Buch: Evelyn Knappitsch, (Nach-)Blicke auf die Kaiserin. Zur Konstruktion von “Sisi”-Bildern in der Wiener Presse um 1900. Grazer Universitätsverlag 2012

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