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Future Baby - Trailer und Kritik zum Film

Herkömmlicher Sex hat ausgedient: Kinderzeugen wird in unserer Gesellschaft immer mehr zur medizinisch-technisierten Angelegenheit.

Dass die Reproduktionsmedizin längst lukratives Geschäft ist, zeigt die österreichische Doku “Future Baby”. Regisseurin Maria Arlamovsky reiste dafür um die Welt und konfrontiert ihr Publikum unweigerlich mit der Frage: “Wie weit wollen wir gehen?” Ab Freitag im Kino.

Future Baby – Die Geschichte

Es ist ein ungemein komplexes, heiß diskutiertes Themenfeld, das Arlamovsky in ihrer 90-minütigen Doku mit zahlreichen angeschnittenen Bereichen umreißt: Um künstliche Befruchtung (IVF), Eizellen- und Samenspende, Leihmutterschaft, Genetik und das “vorsorgliche” Einfrieren eigener, junger Eizellen geht es da. Vieles davon ist in Österreich, wo die Eizellenspende erst seit 2015 mit Einschränkungen möglich ist, gar nicht erlaubt, anderswo aber schon gang und gäbe. Die Folge: Ein regelrechter “Infertilitätstourismus”, der Paare oder auch Singles mit dringendem Kinderwunsch um die Welt jetten und sehr viel Geld und Zeit investieren lässt.

Also führt “Future Baby” zu Kinderwunschklinken in Israel, Spanien und den USA, zu Cryobanken, in denen tiefgekühlte Embryonen, Samen und Eizellen lagern und nach Mexiko, wo Leihmütter für andere Menschen Kinder austragen, um ihren eigenen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Arlamovsky spricht mit Ärzten, Wissenschaftern, Bioethikerinnen und hoffnungsvollen Paaren, schaut Labormitarbeiterinnen über die Schulter, begleitet Eizellenspenderinnen zu ihrer riskanten Prozedur in den OP-Saal und interviewt eine junge Israelin, die Mithilfe einer Samenspende gezeugt wurde und Auskunft ob ihrer Herkunft einfordert.

Die Regisseurin wertet dabei nicht, stellt schlicht Befürworter, Skeptiker und Neutrale gegenüber und lässt teils überraschende Argumente ineinandergreifen um aufzuzeigen, wie schnell das eine zum nächsten führt – bis hin zur kontroversen genetischen Selektion. So werden in den in US-amerikanischen Fertility Institutes bereits Embryonen je nach Wahrscheinlichkeit für bestimmte Augenfarben oder Geschlecht ausgewählt.

Future Baby – Die Kritik

Zwischen sterilen Szenerien und Talking Heads kommen zahlreiche Kuriositäten zutage – etwa die Onlineplattform mit gelisteten Eizellenspenderinnen, die samt hübschen Fotos an Datingportale erinnert; oder das Paar, das sich nach der abbezahlten Küche nun den Kredit für die nächste Anschaffung, ein Baby, leisten kann. Immer wieder jagt es einem den kalten Schauer über den Rücken, wenn vom Baby mit Warencharakter oder der gruseligen Aussicht auf künstliche Gebärmütter die Rede ist. “Wir haben in der Evolution eingegriffen, seit wir Technologie entwickeln”, bringt es der US-amerikanische Biotechnologe Andrew Hessel an einer Stelle des Films auf den Punkt. “Aber das ist etwas, das wirklich den Kern der Schöpfung berührt.”

Umso bewegender sind die zutiefst wahrhaftigen Momente in “Future Baby”. Etwa wenn eine sichtlich überforderte Endvierzigerin nach Jahren der erfolglosen Kinderplanung vor einem Arzt in Alicante sitzt und zu weinen beginnt, als dieser ihr beschreibt, wie aufwendig die Keimzellenentnahme für die junge Spenderin unter Vollnarkose werden wird. Oder als in einem anderen Fall die Kamera im Operationssaal von den fotowütigen US-amerikanischen Wunscheltern und ihrem soeben per Kaiserschnitt geborenen Baby auf Leihmutter Esmeralda schwenkt, die mit glasigen Augen auf dem OP-Tisch liegt, ihre Hand in Richtung des Neugeborenen ausstreckt und die Neo-Mutter bittet, es mit einer Decke zu wärmen.

Gerade weil jene Frauen und Männer, dank derer man Kinder hat, in der Reproduktionsmedizin gerne ausgeblendet werden, wollte Arlamovsky “Future Baby” drehen – um “all diese Bilder, die so gerne voneinander getrennt werden, wieder zusammenzufügen”, so die Regisseurin im APA-Interview. Ihr Film ist nun eine aufschlussreiche, stellenweise besorgniserregende Bestandsaufnahme, die es dem Zuseher überlässt, seine eigenen Grenzen abzustecken, und die gesamte Gesellschaft ermahnt, juristische und ethische Fragen abzuklären, bevor sie von den Entwicklungen überrascht wird.

Dennoch bleibt am Ende unweigerlich das Gefühl, dass hier einiges fehlt: Zu Samenspendern etwa hatte Arlamovsky keinen Zugang, und auch homosexuelle Paare kommen nicht zu Wort. In welchen Kostenrahmen sich die thematisierten Prozeduren bewegen, erfahren wir nicht. Und die Frage, wo Leben anfängt, spart Arlamovsky ganz aus. All das hätte womöglich ohnehin den Rahmen gesprengt. Zur Weiterrecherche ist jeder selbst aufgefordert.

(APA)

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