Die Ballade von El Muerto bei den Wiener Festwochen

“Narcocorridos”, also “Drogenballaden” waren das musikalische Ausgangsmaterial für “Die Ballade von El Muerto”. Ein Stück der Wiener Festwochen, das angelehnt an die “gesungene Verherrlichung der Kartellbosse und der Narco-Kultur”, die Geschichte des Auftragskillers El Muerto erzählt, der in Gefangenschaft gerät und von einem Staatsanwalt im doppelten Wortsinn zum “Singen” gebracht werden soll. Wo das Bühnenbild, das aus hunderten bunten, in Plastik verpackten, gestapelten Drogenpäckchen besteht, noch eine schlüssige, aber plakative Kulisse bildet, irren die Darsteller in diesem blutleeren Kammerspiel lediglich als Karikaturen der Protagonisten des Drogenkriegs ziellos umher. Umrahmt und unterbrochen wird das Geschehen von einem Chor in Gestalt einer Band, die die “formenpluralistische” Musik des argentinischen Komponisten Diego Collatti zum Besten gibt. Diese reicht vom Rocksong über volkstümliche Balladen bis zur leidenschaftlich geschmetterten Arie.
Der mexikanische Drogenkrieg auf der Bühne
Helmut Berger gibt sein Bestes, um als hartgesottener mexikanischer Fiscal durchzugehen, der durch seine mal kumpelhaften, mal brutalen Verhörmethoden zum Ziel kommen will. Doch der israelische Regisseur Hannan Ishay lässt Berger bald mit seinem Strohhut und Sonnenbrille allein, sodass dieser in den letzten zwei Dritteln des eineinhalbstündigen Abends recht ziellos umherzappelt und kaum an Präsenz gewinnt. Nur wenig pointierter führt Ishay den Hauptdarsteller Emanuel Fellmer durch das Geschehen, der als El Muerto mehr an einen Meth-süchtigen Junkie aus der amerikanischen Unterschicht erinnert denn an einen mexikanischen Verlierer, der durch den Einstieg ins Drogengeschäft zu Geld, Frauen und Macht kommen will.
Frauen hatten nur Statistenrollen
Lediglich Statistenrollen übernehmen die Frauen in dieser Geschichte, die andeutungsweise als Mutter (der stimmliche Höhepunkt des Abends: Ingrid Habermann), Geliebte (Christina Scherrer) und blinde Zeugin (Elisabeth Nelhiebel) auftreten und mal auf Spanisch, mal auf Deutsch von ihrem Leid singen. El Muerto wird zusehends mit seinen eigenen Taten konfrontiert, die er jedoch nicht bereuen kann. Schließlich habe er stets im Auftrag gehandelt und keine eigenen Entscheidungen getroffen. Und überhaupt hat er all das nur getan, um seiner geliebten Mutter einmal ein kleines Haus im Grünen schenken zu können.
“Die Ballade von El Muerto” bei den Festwochen
Eingeflochten werden auch die dramatischen Zahlen, die seit Jahren die Welt erschüttern: 60.000 Tote forderte der Drogenkrieg seit dem Jahr 2006, hinzu kommen zahllose Entführungen, Vergewaltigungen, Verstümmelungen. Auch die Rolle der USA als Waffenlieferant wird gestreift, aber nicht vertieft. Der Drogenkrieg, so wird es in “Die Ballade von El Muerto” suggeriert, ist der Hoffnungslosigkeit der Unterschicht zu verdanken, die auf schnelle Autos und geile Frauen hofft. Dass El Fiscal ausnahmsweise nicht bestechlich ist, kann El Muerto genauso nicht verstehen wie das plötzliche Auftauchen einer Zeugin, die er ermordet zu haben glaubt. Ist also alles nur ein Traum? Ist er gar bereits in der Hölle? Keiner weiß es. Aber es macht auch keinen Unterschied.
Weitere Aufführungen finden am 8., 10., 11., 12., 14. und 15. Juni, jeweils um 20 Uhr im Hundsturm statt. (APA)