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Die Augen des Engels - Trailer und Kritik zum Film

Der brutale Mord an einer britischen Austauschstudentin im italienischen Perugia 2007 und der spektakuläre Prozess gegen die Amerikanerin Amanda Knox und deren Freund Raffaele Sollecito bieten an sich reichlich Filmstoff.

In Michael Winterbottoms Annäherung “Die Augen des Engels” gerät der Fall aber zunehmend in den Hintergrund und wird zur selbstreflexiven Meditationsübung. Ab Freitag im Kino.

Die Augen des Engels – Die Geschichte

Die Ausgangslage ist nicht zuletzt aufgrund des jahrelangen, von Ermittlungsfehlern und einer medialen Hexenjagd begleiteten Gerichtsprozesses bekannt: Als die 21-jährige Meredith Kercher im Spätherbst 2007 tot aufgefunden wird, werden ihre Mitbewohnerin Amanda Knox und deren Freund verhaftet. Medien berichten von wilden Sexspielen und geben Knox aufgrund ihres Aussehens den Beinamen “Engel mit den Eisaugen”. Beide beteuern ihre Unschuld, werden 2009 jedoch in einem Indizienprozess zu über 25 Jahren Haft verurteilt. Erst vergangenen März, nach insgesamt sechs Jahren, drei Prozessen und fünf Urteilen, folgen die Freisprüche in letzter Instanz.

Der britische Filmemacher Michael Winterbottom (“The Killer Inside Me”) sieht davon ab, den Justizkrimi als klassische “true crime”-Geschichte zu erzählen. Er setzt sein augenscheinliches Alter Ego, den Regisseur Thomas Lang (Daniel Brühl), auf ein Filmprojekt über den Fall an, verlegt die Handlung in die Toskana und ändert sämtliche Namen (die Knox nachempfundene Figur heißt Jessica Fuller, das Opfer Elizabeth Pryce). Thomas jedoch steckt viel zu früh in der Midlife Crisis, grämt sich ob der Trennung von seiner viel berühmteren Ex-Partnerin, vermisst seine kleine Tochter Bea und liest wie besessen den italienischen Dichter Dante.

Die Augen des Engels  – Die Kritik

In Siena trifft er Jahre nach dem Mord auf die US-Journalistin Simone Ford (Kate Beckinsale), die den Prozess vom ersten Tag an beobachtet und ein Buch über den Fall geschrieben hat. Sie führt ihn in den Kreis sensationshungriger Journalisten ein, stellt ihm den unheimlichen Insider Edoardo (Valerio Mastrandrea) vor, nimmt ihn in den Gerichtssaal mit. Doch je mehr sich Thomas mit dem Mordfall beschäftigt, desto mehr zweifelt er daran, einen Krimi mit klarem Ausgang erzählen zu können bzw. zu wollen. Erst die Begegnung mit der kellnernden, Party-affinen Studentin Melanie (Cara Delevingne) weckt in ihm das Verlangen, anhand Dantes “Göttlicher Komödie” einen Film über Reinheit, Schönheit, Verlust und Liebe zu drehen.

So irritiert Thomas’ Geldgeber ob seines Vorhabens wirken, so dürfte es auch dem Publikum gehen, das vom Knox-Justizkrimi ins Kino gelockt wird. Die teils per Hand geführte Kamera vermittelt mitunter den Anschein einer Doku, während sich rekonstruierte, teils plastische Tatort- und Gerichtsszenen an konfuse Traum- und Albtraumsequenzen in dunklen Wäldern und engen Gassen reihen. Völlig fehl am Platz wirken da eine überhöhte Sex-Messerstecherei-Szene und der stetige Bedrohung suggerierende Klangteppich. Gruseliger als erwachte Geister ist aber eher die sexuell aufgeladene Beziehung zwischen Melanie und Thomas, der schließlich väterliche Gefühle zu entwickeln scheint.

Neben dem kühlen deutschen Brühl, zuletzt als Niki Lauda in “Rush” für einen Golden Globe nominiert, als prätentiöser Egozentriker wird Supermodel und Neo-Schauspielerin Delevingne zum strahlenden, charmant kindlichen Dreh- und Angelpunkt eines an sich ambitionierten Versuches, den kreativen Prozess eines Filmemachers und dessen innere Konflikte mit reißerischen Vorgaben zu zeigen. Spätestens, wenn Winterbottom seinen Film dem “vergessenen Opfer” widmet und die im Mondschein schlafende Melanie ebenso wie die am sonnigen Strand inszenierte Elizabeth zum Sinnbild absoluter Reinheit macht, beschleicht einen jedoch das Gefühl, dass auch hier ein Mordopfer für die eigenen Zwecke missbraucht wird.

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(APA)

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