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D: Neuer Prozess gegen "Kannibalen"

"Kannibale von Rotenburg" muss sich ein zweites Mal vor Gericht verantworten. Er hatte im Frühjahr 2001 einen Berliner Ingenieur mit dessen Zustimmung getötet und in Teilen gegessen. Chronologie der Tat | Stichwort Kannibalismus

Im Revisionsprozess gegen den so genannten Kannibalen von Rotenburg hat die Verteidigung zu Beginn des Verfahrens in Frankfurt am Main den Vorwurf des Mordes zurückgewiesen. Am Ende werde eine „Tötung auf Verlangen“ festgestellt werden, zeigte sich der Verteidiger von Armin Meiwes am Donnerstag überzeugt. Der 44-jährige Angeklagte hatte im ersten Verfahren gestanden, im März 2001 einen 43-jährigen Berliner mit dessen Einverständnis vor laufender Videokamera getötet, zerstückelt und später teilweise gegessen zu haben.

Der Prozess wurde bald nach Beginn bis zum frühen Nachmittag unterbrochen, weil die Verteidiger mit ihrem Mandanten einen Teil des Videos ansehen wollten. Ein Abschnitt von etwa 40 Minuten war offensichtlich nicht korrekt kopiert worden. Das Landgericht Kassel hatte Meiwes im Jänner 2004 wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das Urteil im April vergangenen Jahres aber auf und verwies das Verfahren an das Landgericht Frankfurt. Nach Ansicht des BGH verkannten die Kasseler Richter mehrere Mordmerkmale.

Von “sexuellen Motiven” geleitet

Die Staatsanwaltschaft warf Meiwes vor, den Diplomingenieur Bernd B. aus Berlin zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und Ermöglichung einer anderen Straftat getötet zu haben. Am Abend des 9. März schnitt Meiwes seinem Opfer zunächst den Penis ab. Nachdem B. in der Nacht das Bewusstsein verloren hatte, tötete Meiwes ihn und zerstückelte die Leiche. Er sei dabei von „sexuellen Motiven geleitet“ gewesen, sagte Staatsanwalt Marcus Köhler. Er habe die Tat mit Video aufgezeichnet, um sie sich jeder Zeit wieder vor Augen führen und seinen Geschlechtstrieb befriedigen zu können. Meiwes zerlegte die Leiche nach der Tat in einzelne Portionen und fror diese in seiner Gefriertruhe ein. Später aß er große Teile des Fleisches.

Meiwes hatte sein Opfer im Internet kennen gelernt. Bernd B. habe sich mit „der Tötung, Schlachtung und Verspeisung“ einverstanden erklärt, sagte Köhler. Beim ersten Treffen sei er dann aber von seiner Entscheidung abgerückt. Auf der Rückfahrt zum Bahnhof habe Meiwes dann versucht, ihn umzustimmen. Nicht zuletzt deshalb habe das Opfer seine Meinung erneut geändert und sei mit dem Täter wieder umgekehrt.

Die Verteidigung des Angeklagten hob besonders das Einverständnis des Opfers hervor. Das Handeln von Meiwes sei ausdrücklich von dessen Verlangen bestimmt gewesen, sagte Anwalt Joachim Bremer. Bernd B. habe selbst darauf gedrängt, entmannt und getötet zu werden. Meiwes habe dagegen gewollt, dass sie sich erst eine Woche kennen lernten.

Das Landgericht Kassel hatte Meiwes vor allem wegen des Einverständnisses des Opfers nur wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt. Der BGH beanstandete bei seiner Aufhebung des Urteils die Beweiswürdigung. So schlossen die Karlsruher Richter nicht aus, dass Meiwes die Videoaufzeichnungen machte, um sich damit sexuell zu befriedigen. Dies würde dann das Mordmerkmal „Befriedigung des Geschlechtstriebs“ erfüllen. Auch ein Mord zur „Ermöglichung einer anderen Straftat“ ist demnach denkbar, etwa der „Störung der Totenruhe“. Eine „Tötung auf Verlangen“ verwarf der BGH, weil dies nicht „handlungsleitend“ für Meiwes gewesen sei.

Die Verteidigung verwies darauf, dass der Fall in Frankfurt komplett neu verhandelt werde. Es gebe keine „bindenden Vorgaben in der rechtlichen Wertung“, sagte Bremer. Die Anwälte rügten zudem die Überweisung an das Landgericht Frankfurt als „willkürlich“. Nach ihrer Auffassung hätte der Prozess entweder an das Landgericht Kassel zurückverwiesen oder an das Gericht in Fulda überwiesen werden müssen, das mittlerweile für Rotenburg zuständig ist. Das Gericht stellte die Entscheidung über diesen Antrag zunächst zurück.

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