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Bibliothekarin mit 100 noch aktiv

Mit 100 Jahren ist Studienrat Elisabeth Bauer noch immer aktiv - als ehrenamtliche Bibliothekarin in der ksoe (Kath. Sozialakademie Österreichs). Am 25. Juli begeht sie ihr rundes Jubiläum.

Im Kreis der MitarbeiterInnen der ksoe wurde bereits heute bei einem Mittagessen im Wiener Innenstadtbeisl INIGO gefeiert. Vor 50 Jahren hat sie die Bibliothek der Sozialakademie aufgebaut; Vorbild war das System der Österreichischen Nationalbibliothek.

Seit vier Jahrzehnten ist sie in Pension; “fad” ist ihr dabei noch nie geworden. Seit 40 Jahren ist sie an vier Tagen der Woche in der Bibliothek tätig, nur “dienstags nie”, wie sie selbst sagt. Als sie schon fast 90 war, hat sie begonnen, alles auf Computer umzustellen. “Davor hatte ich einen PC noch nicht einmal angeschaut”. Wie wird frau so alt und bleibt dabei so rüstig, fragen sich viele: “Ich esse und trinke, was mir schmeckt – am liebsten Kaffee mit Schlagobers und ein paar Kekse”.

Elisabeth Bauer ist überzeugte Katholikin. Sie nimmt sich dabei kein Blatt vor den Mund und lebt ihre Überzeugungen – besonders durch ihr freiwilliges Engagement.

Geboren wurde Elisabeth Bauer am 25.7.1908 in Wien. Der Vater war Magistratsbeamter, die Mutter Kindergärtnerin und ab der Eheschließung Hausfrau. Frau Studienrat Bauer hatte einen Bruder, der schon verstorben ist. Noch heute lebt sie in der Wohnung, in die ihre Familie gezogen ist, als sie drei Jahre alt war.

Sie besucht die Volksschule. In der 5. Klasse darf sie bereits Erst-Klässler unterrichten. Aufgrund der großen Not nach dem 1. Weltkrieg kommt sie zwei Jahre lang nach Holland zur Erholung zu einer Familie, die einen En Gros- und Detailhandel mit Süßwaren betreibt. Holländisch spricht sie noch heute.

Nach ihrer Rückkehr nach Wien besucht sie ab 1921 die Bürgerschule, anschließend die zweijährige “Frauengewerbeschule für Weißnähen und Kleidermachen” in Wien-Döbling. “Schon immer wollte ich Lehrerin werden”, freut sich die 100-Jährige noch heute. Nach einem Jahr gewerblicher Praxis wird sie in die “Bildungsanstalt für Frauengewerbeschullehrerinnen” aufgenommen, die sie zwei Jahre lang besucht.

Der Einstieg ins Berufsleben ist in dieser Zeit mühsam. Zwei Jahre lang muss sie als unbezahlte Assistentin in der “Frauenberufsschule” im 19. Bezirk arbeiten, wo sie Materialienkunde unterrichtet. Danach bekommt sie ein Jahr lang keine Stelle. Erst dann gelingt es, eine bezahlte Stelle als Fachlehrerin in der Peter-Jordan-Straße zu bekommen; später wechselt sie an die “Frauenberufsschule” in die Mollardgasse.

Im Nationalsozialismus ist sie aufgrund ihrer unbeugsamen religiösen Haltung gezwungen, die Stelle aufzugeben: Sie hatte sich nicht bereit erklärt, anstelle des Kreuzes ein Hitler-Bild aufzuhängen. “Während des Unterrichts musste ich unverzüglich die Schule verlassen”. Die Folge sind 1¼ Jahre ohne Anstellung, die Frau Bauer zuhause verbringen muss. Ein Gesuch bewirkt schließlich, dass sie wieder eine Stelle bekommt, versetzt allerdings nach Vorarlberg. Dort unterrichtet sie bis 1945.

Nach der Nazi-Herrschaft kann sie nach Wien zurückkehren, wo sie verschiedene Schul-Posten bekommt. Die längste Zeit kann sie schließlich an der Modeschule “Michelbeuern” unterrichten, wo sie bis zur Pensionierung im Jahr 1968 bleibt.

Ihre Tätigkeit in der ksoe (Kath. Sozialakademie Österreichs) nimmt sie mit deren Gründung 1958 auf. Ohne vorher in einer Bibliothek gearbeitet zu haben, macht sie sich mit diesem Metier vertraut und studiert verschiedene Systeme. “Der Direktor der Nationalbibliothek war mir dabei sehr behilflich”. Noch heute ist die ksoe-Bibliothek nach dem Vorbild der größten österreichischen Bibliothek organisiert. Ohne je einen Cent oder Schilling bekommen zu haben, engagiert sie sich bis heute freiwillig für die Kath. Sozialakademie Österreichs, eine Einrichtung der Österr. Bischofskonferenz.

Die Freundlichkeit von Studienrat Bauer ist ebenso legendär wie ihre Strenge. Selbst Kardinal Franz König wurde gemahnt, als er einmal ein Buch nicht retourniert hatte. “Schlampereien” mag sie gar nicht. Für die fast 30 MitarbeiterInnen der ksoe, die in den Bereichen Gesellschaftspolitik, Politische Erwachsenenbildung und Organisationsentwicklung tätig sind, ist sie eine große Stütze.

In ihrer Pfarre in Wien-Weinhaus hat sie eine Kindergruppe aufgebaut. Viele der mittlerweile Erwachsenen erinnern sich immer noch gerne an “Tante Elli”, wie sie seither auch in der ksoe gerufen werden möchte.

Heuer ist es bereits das 41. Mal, dass Elisabeth Bauer im August mit ihrer Pfarre die Wallfahrt von Wien nach Mariazell antritt – selbstverständlich zu Fuß. “Wenngleich wir heute ein Begleitauto haben, das uns das Gepäck transportiert – und auf den langweiligen Asphaltstrecken auch mich”.

Die passionierte Wanderin führte es immer wieder nach Südtirol. Unterwegs dorthin war sie bis weit über 90 selbst mit dem eigenen Auto. Auch internationale Reisen (Spanien, Israel etc.) standen bis vor wenigen Jahren noch im Jahresplan. Die weitest entfernte Destination war Ecuuador. “Dorthin würde ich gerne noch einmal reisen”, sagt sie einen Tag vor dem “Hunderter”.

Unlängst hat Dr. Christine Haiden, Chefredakteurin von Welt der Frau, ein Interview mit Elisabeth Bauer geführt. Die Autorin eines Buches über 100-Jährige war erstaunt: Keine ihrer bisherigen Interview-PartnerInnen war psychisch und physisch dermaßen rüstig gewesen.

Gratulationen kommen dieser Tage von allen Seiten: von Menschen aus der Pfarre, ehemaligen Schülerinnen oder von bischöflicher Seite. Auch Radio Vatikan hat sich schon für die aktive Katholikin interessiert.

Eine österreichische Versicherung wirbt gerade mit dem Slogan “Lasst uns alle 100 werden!”. Anlass genug für “Tante Elli” – die immer zu einem Spaß aufgelegt ist – sich vor einem Rollup mit diesem Spruch zu posieren und ablichten zu lassen.

Die Gratulationen lässt sie souverän über sich ergehen, genauso übrigens wie Interviews. Bisher hat sie noch nicht durchblicken lassen, ob sie plant, ihre Bibliotheksarbeit in absehbarer Zeit zu beenden. Vorläufig bleibt Studienrat Bauer also im “Un-Ruhestand”.

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