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Arbeiter trennte sich Arm ab: Unglaubliche Odyssee in Eisenstadt

Tibor A. (r.), dem der Arm abgetrennt wurde, und der Plastische Chirurg Oskar Aßmann (m.) im Wiener AKH
Tibor A. (r.), dem der Arm abgetrennt wurde, und der Plastische Chirurg Oskar Aßmann (m.) im Wiener AKH ©APA
Ein schwerer Arbeitsunfall geschah am Samstag in einer Bauschuttdeponie im Burgenland: Einem 37-jährigen Ungarn wurde der rechte Unterarm abgetrennt, woraufhin er noch selbstständig ins Krankenhaus fuhr - die abgetrennte Gliedmaße im Kofferraum. Nach einer wahren Odyssee befindet er sich jetzt im Wiener AKH und erzählte seine unglaubliche Geschichte.
Tibor A. im Wiener AKH

Der Schockzustand ließ den ungarischen Arbeiter Tibor A. nach dem schrecklichen Unfall in Purbach (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) offenbar die Strecke mit dem Auto bis zum Krankenhaus in Eisenstadt zurücklegen – fast 20 Kilometer fuhr er mit der abgetrennten Hand. 

“Ich bin mit dem linken Arm ins Spital gefahren. Ich habe damit geschaltet. Schmerzen habe ich nicht gespürt”, erzählte der Ungar am Montag im Wiener AKH auf der Intensivstation.

Schwerverletzter kaufte mit linker Hand Parkschein

Doch in ärztliche Versorgung zu kommen, das erwies sich für den Mann Samstagnachmittag nicht so einfach. Oskar Aßmann, von der Abteilung für Plastische Chirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik der MedUni Wien am AKH: “Er hat beim Krankenhaus geparkt. Da hat man ihm gesagt ‚Da bei der Notfalleinfahrt können’s nicht parken‘. Also ist er wieder eingestiegen und in die Parkgarage gefahren.” Tibor A.: “Ich habe einen Parkschein mit der linken Hand gezogen.”

Tibor A.: “Bitte den Arm wieder annähen”

Erst dann lief der Schwerstverletzte bis zur Unfallambulanz, legte dort den abgetrennten Unterarm auf den Tisch und sagte, so Aßmann: “Den Arm bitte wieder annähen.”

Die Unfallchirurgen in Eisenstadt handelten schnell. Sie stoppten die lebensgefährliche Blutung, sicherten das abgetrennte Körperteil und alarmierten das Wiener AKH, wo es seit 1973 einen rund um die Uhr erreichbaren Transplantationsdienst von Plastischen Chirurgen und Unfallchirurgen gibt. Der Ungar: “Ich weiß noch, wie ich in das Spital gekommen bin. Dann weiß ich noch, wie jemand gesagt hat, dass man das AKH in Wien anrufen muss.”

Ins Wiener AKH gebracht

Mit dem Notarzthubschrauber kam Tibor A. dann Samstag gegen 17.30 Uhr ins Wiener AKH. Aßmann: “Die Operation ist ideal verlaufen. Die Unfallchirurgen haben sich um die ‚Knochenarbeit‘ gekümmert. Da geht es um die Sicherstellung, dass das Ellbogengelenk wieder funktioniert. Wir (Plastische Chirurgen, Anm.) kümmern uns bei solchen Operationen um die Weichteilrekonstruktion. Es besteht auch ein Risiko wegen der Giftstoffe, die sich in den Stunden der Nichtversorgung des abgetrennten Arms mit Blut bilden können. Aber dem Patienten geht es hervorragend. Die Nieren funktionieren.” Es gäbe keine Hinweise auf irgendwelche Komplikationen. Die Durchblutung des abgetrennten Unterarms sei offenbar wieder gut.

Wird Unterarm des Ungarn gerettet?

Für die Zukunft hängt alles davon ab, wie gut die Nervenversorgung des replantierten Armteiles des Ungarn wieder funktionieren wird. Aßmann: “In ungefähr sechs Wochen werden wir eine Nervenrekonstruktionsoperation durchführen.”

Erst danach werde sich im Laufe von etwa eineinhalb Jahren herausstellen, ob der Arm wieder funktionieren könne. Einerseits war dem Mann der Unterarm exakt im Ellbogen scharf abgetrennt worden, andererseits hat ihm die Bewegung des Förderbandes die versorgenden Nerven bis in die Schulterhöhe ausgerissen. Das stelle ein sehr komplexes Verletzungsbild dar.

Tibor A. erklärte zwar, Schmerzen zu haben, doch sonst schien er am Montag ausgesprochen wohlauf zu sein: “Das soll schnell vorbei sein, ich will nach Hause.”

Hergang des Unfalls: Arm fiel in Sandgrube

“Der Patient aus Ungarn hat in einer Sandgrube gearbeitet. Ein großer Stein hat die Anlage blockiert. Er hat ihn auch mit einer Eisenstange entfernten können. Da ist er mit dem rechten Arm in dieses (Förder-)Band hineingeraten. Der Arm wurde ihm im Ellbogen von Metalllamellen abgetrennt, die Nerven aus dem Plexus (Nervengeflecht in Schulterhöhe, welche den Arm versorgt, Anm.) ausgerissen”, schilderte der Plastische Chirurg, der sich seit Jahren – weltweit wissenschaftlich an vorderster Front – mit der Entwicklung von bionischen “denkenden” Armprothesen beschäftigt.”Schmerzen habe ich keine gehabt”, schilderte wiederum Tibor A., Arbeiter aus einem ungarischen Dorf etwa 15 Kilometer von Nickelsdorf im Burgenland in seinem Krankenbett auf der Intensivstation im Wiener AKH, die erste Zeit nach dem Unfall.

Unterarm in Kofferraum, weil kühler

Fast unglaublich, wie Aßmann schilderte: “Der abgetrennte Unterarm ist in die Sandgrube gefallen. Der Patient ist zum Auto gelaufen und wollte wegfahren. Da ist ihm eingefallen dass er den Arm noch holen sollte. Das hat er getan, hat sich gedacht, dass dieser im Kofferraum kühler aufbewahrt wäre, hat ihn hineingelegt, und sich ans Steuer gesetzt. Er hat auch noch zwei Liter Wasser getrunken. (…) Ich glaube, er war in so einem Schockzustand, dass er einfach richtig reagierte.” Das hätte dem Mann wahrscheinlich das Leben gerettet.

Sicherheitsmängel festgestellt

Das Arbeitsinspektorat Eisenstadt hat am Montagvormittag Erhebungen am Gelände der betroffenen Firma durchgeführt. “Es sind Sicherheitsmängel bei der Anlage festgestellt worden”, so der stellvertretende Leiter des Arbeitsamtes, Andreas Drivodelits.

Details wurden noch keine genannt. “Den genauen Unfallhergang kann man noch nicht definitiv festlegen, weil der Arbeitnehmer alleine auf der Anlage gearbeitet hat”, so Drivodelits. Man müsse noch die Zeugenaussage des Mannes abwarten.

(apa/red)

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