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Arbeiter in Lainzer Tunnel überrollt: Prozess-Start nach fast neun Jahren

Nach fast neun Jahren startet der Prozess um einen Arbeitsunfall im Lainzer Tunnel.
Nach fast neun Jahren startet der Prozess um einen Arbeitsunfall im Lainzer Tunnel. ©APA (Sujet)
Am Dienstag ist am Wiener Landesgericht für Strafsachen der Strafprozess um einen fast neun Jahre zurückliegenden schweren Arbeitsunfall im Lainzer Tunnel eröffnet worden. Ein Bauarbeiter wurde auf der Großbaustelle von einem 17 Tonnen schweren Muldenkipper erfasst und überrollt. Der damals 28-Jährige überlebte, allerdings musste sein rechter Unterschenkel amputiert werden.

Nun müssen sich in diesem Zusammenhang der Gesamtbauleiter, zwei nachgeordnete Bauleiter, der Baustellenkoordinator und ein externer Sicherheitsfachmann wegen fahrlässiger Körperverletzung vor einem Schöffensenat verantworten. Die Anklage wirft ihnen zahlreiche angeblich unfallkausale Versäumnisse vor. Sie sollen die sicherheitstechnischen und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften außer Acht gelassen, den Muldenkipper aus Kostengründen nicht mit einem Kamera-System versehen und keine Sicherheitsevaluierung vorgenommen haben, obwohl es zwischen Oktober 2007 und März 2008 zu vier schweren Arbeitsunfällen gekommen war. Ein Arbeiter starb, als er zwischen einem Beton-Mischwagen und einem Spritzmobil eingeklemmt wurde. Den vorsitzenden Richter Stefan Erdei veranlasste das zur Feststellung, die “Ausfallsquote” entspräche “jener der amerikanischen Truppen im Irak”.

Arbeiter überrollt: Prozess nach Unfall in Lainzer Tunnel eröffnet

Die Angeklagten und ihre Verteidiger wiesen diesen Vergleich und jede Schuld für das inkriminierte Geschehen zurück. Es habe sich vielmehr um eine “Vorzeigebaustelle” gehandelt. Dem verunglückten Arbeiter sprachen die Anwälte ihr Mitgefühl aus, machten zugleich aber deutlich, dass dieser in einem Bereich angefahren wurde, in dem er sich nicht aufhalten hätte dürfen. “Sämtliche Vorschriften wurden eingehalten. Einer hat sich nicht daran gehalten”, hieß es.

Bei der Baustelle hätte es sich um “ein Prestigeobjekt der ÖBB” gehandelt. Über tausend Personen hätten dort über Jahre hinweg gearbeitet. Der Gesamtbauleiter nahm für sich in Anspruch, alles getan zu haben, um dem Gesetz genüge zu tun und Unfälle zu vermeiden. “Die Unfallquote war eigentlich erstaunlich gering”, so sein Rechtsvertreter Christoph Neuhuber. In Bezug auf den konkreten Unfall verwies Neuhuber darauf, dass sich der Muldenfahrer im toten Winkel befunden und den Arbeiter nicht wahrgenommen hätte, der sich im Rangierbereich befand, als er angefahren wurde. Eine derartige Konstellation sei für seinen Mandanten nicht absehbar gewesen.

Dort hätte der Arbeiter “nichts zu suchen gehabt”, bekräftigte der Verteidiger des Baustellenkoordinators. Sämtliche Mitarbeiter wären geschult worden, vor dem Betreten des Rangierbereichs stets Blick- oder mündlichen Kontakt mit den Fahrern von Baumaschinen aufzunehmen, die den Schotter aus dem Tunnel transportierten. Der betroffene Arbeiter habe das unterlassen.

Mehrtägiger Prozess

Der beigezogene Sicherheitsberater erklärte, er hätte die Arbeitsbereiche und Verkehrswege genau festgelegt und sich um Warnhinweise, Beleuchtung, Gehwege und das Verhalten der Arbeiter gekümmert. Er habe auf die Gefahren hingewiesen und die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen laufend evaluiert.

Die beiden dem Gesamtbauleiter nachgeordneten Bauleiter versicherten, sie hätten die sicherheitstechnischen Anweisungen beachtet. Der Muldenkipper – laut Strafantrag musste der Fahrer im Retourgang “weitestgehend ohne Sichtfeld” auskommen – sei nicht in ihre Zuständigkeit gefallen.

Das Verfahren ist auf mehrere Tage anberaumt. Der Fahrer des Muldenkippers ist schon vor geraumer Zeit in einem separaten Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden. Ihm wurde zugebilligt, keine strafrechtlich relevante Schuld auf sich geladen zu haben, da er aufgrund der Bauart des Fahrzeugs den Arbeiter nicht sehen konnte.

(APA/Red)

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