Zweifache Mutter mit 106 km/h am Wiener Ring totgefahren: Ein Jahr teilbedingt für Raser

Die zweifache Mutter hatte keine Überlebenschance. Der Mercedes krachte direkt in ihre Fahrertür, die Frau erlitt einen Aorta-Riss und starb in einem Spital. Sie hinterließ eine minderjährige Tochter und einen volljährigen Sohn. Wie ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten ergab, hatte sie von der Wipplingerstraße kommend vorschriftsmäßig die Ringstraße übersetzen wollen.
Tödliche Raserei nach Sightseeing in Wien
"Sie musste sterben aufgrund Ihrer rücksichtlosen Vorgangsweise", meinte Einzelrichterin Corinna Huber in ihrer Urteilsbegründung zum 27-Jährigen. Die Richterin verwies darauf, dass zum Unfallzeitpunkt - 19.37 Uhr - schlechte Sichtverhältnisse gegeben waren. Die Dämmerung war eingebrochen, es regnete, die Fahrbahn war nass. Darüber hinaus war der Mercedes-Lenker ortsunkundig und übermüdet. Der 27-Jährige lebt in Belgien und war übers Wochenende zum Sightseeing nach Wien gereist. In der Nacht vor dem Unfall war er bis 4.00 Uhr unterwegs gewesen.
Nach dem tödlichen Crash hatte man den Mann einer Amtsärztin vorgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass er weder durch Alkohol noch Suchtmittel beeinträchtigt war. Die Amtsärztin hielt allerdings fest, dass ihm während der Untersuchung die Augen zufielen. Darauf angesprochen, meinte der Angeklagte in der Verhandlung: "Totale Übermüdung habe ich nicht verspürt. Es war die Müdigkeit einer Person, die die ganze Zeit in der Stadt herumgelaufen ist und sich Sehenswürdigkeiten angeschaut hat."
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 27-Jährige, der sich reumütig geständig verantwortet und den im Verhandlungssaal anwesenden Angehörigen der Getöteten, darunter die minderjährige Tochter kondoliert hatte, erbat Bedenkzeit. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.
Tochter und Sohn der getöteten erhielten Trauerschmerzengeld
Die Tochter und der Sohn der Getöteten hatten sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren angeschlossen. Die Minderjährige bekam ein Trauerschmerzengeld von 20.000 Euro sowie die Kosten für die psychologische und psychotherapeutische Nachbetreuung zugesprochen. Dem volljährigen Sohn billigte das Gericht einen Gesamtbetrag von 25.900 Euro zu. Der 27-Jährige erkannte die Forderungen der Halbwaisen in diesem Umfang auch an.
Der Mann wirkte vor Gericht schuldeinsichtig. Er konnte allerdings nicht erklären, weshalb er mit durchgetretenem Gaspedal auf 106 km/h beschleunigt hatte: "Ich weiß nicht genau, wie hoch die Geschwindigkeit war." Angefühlt habe es sich "wie 80, 85 km/h". Erlaubt sind im Ortsgebiet 50. Er habe "schnell ins Hotel gewollt". "Warum geben Sie da Vollgas?", fragte die Richterin. - "Es war ein Fehler. Es tut mir leid. Es gab keinen Grund."
Laut verkehrstechnischem Gutachten zeigte die Ampel an der Kreuzung Ringstraße - Wipplingerstraße bereits acht Sekunden vor der Kollision der beiden Fahrzeuge rot. Diesbezüglich merkte der Angeklagte an, er habe die über dem Fahrbahnbereich angebrachte Ampel nicht gesehen: "In Belgien ist die Ampel immer neben der Fahrbahn. Man sieht die Ampel ganz klar."
Der Mann syrischer Abstammung ist in Belgien, wo er seit 2014 lebt und als Eventmanager und Lokalbetreiber über 3.000 Euro monatlich netto verdient, als Raser bekannt. Er weist vier Vormerkungen wegen Schnellfahrens auf, ihm wurde nach einer 160-Stundenkilometer-Fahrt auch schon ein Mal der Führerschein abgenommen. Dessen ungeachtet sei der 27-Jährige "kein routinierter Rechtsbrecher", bemerkte sein Verteidiger abschließend: "Der Unfall in Wien hat ihn tief geprägt. Sein Fahrverhalten ist heute ein anderes. Er wird für immer damit leben müssen, den Tod einer Person verursacht zu haben."
(APA/Red.)