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"Zum Umdenken bewegen"

Chronische Schmerzen können verschiedenste Ursachen haben und brauchen daher auch sehr individuelle Therapie- und Behandlungsansätze.
Chronische Schmerzen können verschiedenste Ursachen haben und brauchen daher auch sehr individuelle Therapie- und Behandlungsansätze. ©AP
Schwarzach - Vanessa (44) hat eine Petition gestartet, in der eine Schmerzambulanz für Vorarlberg gefordert wird. Betroffenene und Ärzte unterstützen diese Forderung.

Von: Martin Begle (WANN & WO)

„Ich unterstütze diese Petition, weil ich viele Patienten aus Vorarl­berg behandle und die Patienten daher trotz starker Schmerzen weit fahren müssen“, kommentiert Dr. Andreas Wolf, Leiter der Schmerzambulanz in Zams, das Anliegen von Vanessa, die vor rund einem Jahr ihren Fall und ihre Forderung in einem W&W-Artikel öffentlich gemacht hat. Da es in Vorarl­berg nach wie vor keine Schmerzambulanz gibt, hat sie nun eine Petition auf den Weg gebracht. „Ich hoffe auf reges Interesse und Unterstützung, damit wir die Verantwortlichen zum Umdenken bewegen und hoffentlich einer schmerzärmeren Zukunft entgegen blicken können“, erklärt die Hohenemserin.

Überfordert

„Die Versorgung in unserem Land ist mangelhaft“, konstatiert Psychotherapeutin Margit Türtscher-Drexel aus Dornbirn ganz klar. „Oberste Priorität für eine erfolgreiche Behandlung ist für Schmerzpatienten, dass sie mit ihrem Schmerz ernst genommen werden. Sie stellen Behandler vor eine Aufgabe, bei der sich diese oft irgendwann überfordert fühlen, und dann vielleicht ,genervt‘ reagieren. Das geht Ärzten ähnlich wie uns Psychotherapeuten. Anders ist es, wenn man die Schmerzbehandlung in sogenannter ,multimodaler‘ Weise angehen kann. Das findet idealerweise in einem Team aus spezialisierten Ärzten, Psychologen/Psychotherapeuten, eventuell auch Sozialarbeitern, und – was ich ganz wichtig finde – speziell geschulten Physiotherapeuten statt. So sind, wenn auch keine Wunder, so doch Schritte der Schmerzreduktion möglich. Der Patient fühlt sich seinem Schmerz nicht mehr ausgeliefert, er erlebt Veränderung, und er lernt, wie er seinen Schmerz beeinflussen kann.“

Die Situation verbessern

Laut Landesrat Christian Bernhard gibt es große Bemühungen, die Situation zu verbessern: „Wertvollen Aufschluss dafür haben wir uns vom Schmerzboard, das 2017 eingerichtet wurde, erwartet. Dieses wurde von Patienten, Ärztekammer und niedergelassenen Ärzten mit Nachdruck gefordert, schlussendlich aber wenig bis kaum (3 Fälle im Jahr 2017 und 2 Fälle im Jahr 2018) in Anspruch genommen. Ziel ist, durch die Schaffung dieses Gremiums eine Optimierung bzw. Verbesserung der Behandlung von Schmerzpatienten, Wissenserweiterung und -transfer im Bereich ,Schmerz‘ und eine bessere Vernetzung/Verzahnung der Leistungserbringer zu schaffen. Im Schmerzboard werden komplexe Behandlungsfälle im Bereich ,chronische Schmerzpatienten‘ beurteilt und abschließend Therapieempfehlungen abgegeben. Dieses System möchten wir weiterentwickeln und nach Bedarf ausbauen“, führt der Landesrat aus. „Der Zugang zum Schmerzboard wird entsprechend der österreichweit akkordierten Versorgungspyramide gestaltet. Das heißt, zuerst zum niedergelassenen Allgemeinmediziner, dann zum niedergelassenen Facharzt und dann erst in die hochspezialisierte Ambulanz.“

„Haben Nachholbedarf“

Dass hier auch der niedergelassene Bereich in der Pflicht ist, bestätigen sowohl die Krankenhausbetriebsgesellschaft als auch Allgemeinmediziner Dr. Rudolf Brugger aus Bregenz, der sich intensiv mit der Thematik beschäftigt. „Wir brauchen dringend eine Schmerzambulanz! Für Schmerzpatienten ist aber auch die Betreuung durch einen Arzt, der sie kennt, wichtig. Es muss weiterführende Therapiemöglichkeiten in Vorarlberg geben. Hier haben wir großen Nachholbedarf. Wichtig wäre auch, das Schmerzboard in der Kommunikation nach innen und außen stärker zu forcieren, damit es auch angenommen wird. So kann möglichst rasch eine entsprechende Diagnose bei diesen oft sehr komplexen Krankheitsbildern gestellt werden. Denn nur so kann auch verhindert werden, dass ein Schmerzleiden chronisch wird. Die Angebote für psycho- und physiotherapeutische Therapien in Vorarlberg sind jedoch für Kassenpatienten wenn überhaupt nur sehr schwer oder durch großen finanziellen Aufwand zugänglich.“

„Es reicht – gemeinsam für eine Schmerzambulanz in Vorarlberg“

Vanessa (44) aus Hohenems: „Ohne (multimodale) Schmerztherapie, eine Schmerzambulanz, in der es Ärzte und Therapeuten gibt, die sich unserer Probleme, der Schmerzen annehmen und eine regelmäßige Betreuung/Behandlung garantieren, wird sich an der Situation der geschätzt 65.000 chronischen Schmerzpatienten in Vorarlberg nichts ändern.“ Darum hat Vanessa die Petition „Es reicht – gemeinsam für eine Schmerzambulanz in Vorarlberg“ auf den Weg gebracht.

3 Fragen an Psychotherapeutin Dr. Margit Türtscher-Drexel

Wie wirken sich chronische Schmerzen auf die Psyche aus? „Diese können zu Resignation und Verzweiflung, zu Depressionen und Verlust des Interesses am sozialen Leben und an Beziehungen führen. Manche Betroffene geraten auf der Suche nach Erleichterung auch in eine Abhängigkeit von Schmerz- und Beruhigungsmitteln.“

Haben die Schmerzen oft psychologische Ursachen? „Das ist in zahlreichen Fällen so. Frühere Erfahrungen von Gewalt oder sexuellem Missbrauch, von schweren Verlusten, Ausgrenzungserlebnisse und Einsamkeit, aber auch chronischer Stress und Burnout können zu Schmerz führen. Oft sind es auch körperliche Erkrankungen oder nicht ausreichend gute Schmerz-Nachbetreuung nach Verletzungen oder Operationen, die zu Chronifizierung von Schmerz führen. Organisch ist dann oft nichts mehr zu finden, aber der Schmerz ist geblieben.“

Was wäre in diesem Zusammenhang wichtig? „Schmerzpatienten brauchen eine Anlaufstelle, die sie wohnortnah aufsuchen können. Mitunter brauchen sie eine Zeitlang intensive Betreuung, um aus dem Schmerzteufelskreis heraus zu kommen.“

(WANN & WO)

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