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Zum Gedenken: Joe Koenig

Lustenau. Joe Koenig verließ 1960 Lustenau. Man könnte auch sagen, er wanderte nach Amerika aus.

Doch das Wort „auswandern“ ist nicht genau genug. Das Wort unterschlägt mit dem gemütlichen „wandern“ das eingegangene Risiko, und das Vorwörtchen „aus“ verkennt, dass beim Auswandern stets die Heimat mitgenommen wird. Mitgenommen wurden die zu Hause geborenen, aber nicht erfüllbaren Wünsche. Amerika sollte die Möglichkeitsform des Lustenauers sein. Koenig war damals 22 Jahre alt, der Nachzügler in der Familie der Straßenkönige, gerade einen Handelsschulabschluss in der Hand. Das undurchlässige Schulsystem entsprach ständischen Vorarlberger Vorstellungen und bot der verzögert erwachten Klugheit und Ambition Koenigs keinen Ausweg. Die Fahrt ging zunächst nach Vancouver und dann nach Kalifornien, das Leben verdiente er sich zunächst „buchstäblich“ als Tellerwäscher. Dachte man zu Hause, man würde ihn nie wieder sehen, machte sich Joe Koenig daran, eine Art Lustenauer Kolonie zu gründen. Mit seinem Freund Elmar Grabher, einem Elektriker den er nachzog, begann er, Condominiums, Häuser mit Eigentumswohnungen, alles aus Holz, zu bauen und zu verkaufen. 1966 wählte Koenig den Staat Idaho in den Rocky Mountains zur zweiten Heimat und schuf sich, unterstützt von den Freunden, in Ketchum bei Sun Valley, dem großen Skigebiet, das „Tyrolean Lodge“. Später verkaufte er das Hotel, um 1990 den „Knob Hill Inn“ (ein Mitglied der Relais & Chateau-Kette) zu eröffnen. Inzwischen war er amerikanischer Staatsbürger und engagierte sich politisch (1976 bis 1982) im Gemeinderat des Orts. Joe heiratete Sandy, eine Englischlehrerin, und hatte mit ihr zwei Söhne, Andrew und Gregory. Als Arnold Schwarzenegger, damals der Terminator, in Sun Valley bauen und seine Gewerksleute in Joe’s Hotel unterbringen wollte und ihm also vorschlug, die Saisongäste doch einfach wieder auszuladen, schlug Koenig das Ansinnen des dahergelaufenen Steirers barsch ab. Doch der neugierige, stets etwas spöttische Ton hatte ein großes Register. Der Spott war zärtlich und eher neugierig, wenn Joe für sein Gegenüber hoffen konnte – der zärtliche Spott wollte auch verdient sein. Als er die Frau seines Neffen kennenlernte, zollte er ihr, ohne weiteren small talk, die verdiente Anerkennung: „Da brauchst du, mit ihm, aber viel Geduld.“ Man hatte hierzulande immer mehr von dem scheuen Mann mit der durchdringenden Intelligenz. Die Netze wurden zusehends enger geknüpft. Letztlich waren seine zwei Brüder Gebhard und Hubert seine eigentliche Heimat: „Jetzt bin ich bald siebzig und immer noch der Jüngste.“ Das Zentrum seines großen Freundeskreises war der Kirchenchor von St. Peter und Paul in Lustenau. Joe hatte ihm in der Jugend angehört. Von 1982 bis 1985 zog die Familie sogar nach Vorarlberg. Joe ließ sich als Kaminofenbauer ausbilden und Sandy lernte im Café König das Konditorhandwerk. Joe Koenig starb vor einer Woche in Ketchum.

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