AA

Wowereit scheut Schwulenpolitik nicht mehr

Für Klaus Wowereit ist die Zeit der Zurückhaltung vorbei. Am Ende seines zweiten Amts-Jahres scheut der Bürgermeister vor der Schwulen-Politik nicht mehr zurück.

Wowereit hatte sich von Anfang an als Schwuler bekannt. Zu Beginn seiner Amtszeit im Juni 2001 hatte er sich allerdings nur selten öffentlich für Homosexuelle und deren Gleichberechtigung eingesetzt.

Doch jetzt folgen die Termine deutlich dichter aufeinander:
Homosexuellen-Kongress in den USA, schwul-lesbisches Straßenfest, Berlins Bewerbung für die Gay Games, Vorstellung einer Studie zur Diskriminierung – und der Christopher Street Day an diesem Samstag.

Für die deutsche Politik bedeutet das eine ganze Reihe ungewöhnlicher Premieren. Schon vor zwei Jahren war Wowereit das erste Berliner Stadtoberhaupt, das sich bei der jährlichen schrillen CSD-Parade der Schwulen und Lesben blicken ließ. Nun ist es auch das erste Mal, dass ein Regierungschef offiziell den Startschuss gibt. Ein Novum ist auch die jüngst bekannt gegebene Bewerbung der Stadt für die Gay Games, die Olympischen Spiele der Homosexuellen.

Kaum vorstellbar für einen seiner Amtsvorgänger wäre auch Wowereits Besuch beim Homosexuellen-Kongress „Equality Forum“ in Philadelphia gewesen. Zwar gab es vereinzelte Kritik, weil der während der üblichen 1. Mai-Krawalle nicht in der Stadt war. Doch Tourismusverbände und Hotellerie lobten seine Besucher-Werbung. Dahinter steckt ein handfestes wirtschaftliches Interesse: Schwule Männer gelten als kaufkräftig, Berlin ist für sie ein beliebtes Reiseziel. Da passt ein offen schwuler und weltgewandter Bürgermeister ins Bild.

„Ich bin schwul, und das ist auch gut so“: Wowereits Bekenntnis nach seiner Nominierung zum Berliner SPD-Spitzenkandidaten ist längst ein geflügeltes Wort geworden. Seine politische Linie formulierte er anfangs noch zurückhaltend: „Ich bin zwar ein schwuler Politiker, aber ich mache keine schwule Politik.“

Ein Jahr später zog er im Bundestags-Wahlkampf schon durch den Hamburger Schwulen-Kiez. „Viel offensiver“ gehe er inzwischen mit dem Thema Gleichberechtigung homosexueller Lebensgemeinschaften um, sagte er kurz darauf. Inzwischen ist sein Freund bei manchen Terminen dabei.

Bei Fotografen ist Wowereit zurückhaltender geworden. Nach schlechten Erfahrungen mit Partyfotos, die ihm anfangs in der Presse den Titel „Regierender Partymeister“ einbrachten, winkt er lieber ab. Als Wowereit bei der Berliner Tourismusmesse einen Reiseführer für Homosexuelle präsentierte, wollten Fotografen ihn zwischen zwei grell geschminkten Drag-Queens postieren, die ihn um einen Kopf überragen. Energisch lehnte er ab. Als Dekoration aufs Foto kamen stattdessen zwei Hostessen eines Autovermieters.

Das Berliner Szene-Magazin „Siegessäule“ hat bei Wowereit „große Sympathiewerte“ festgestellt. Er sei den Menschen näher, als es sein CDU-Vorgänger Eberhard Diepgen je war, sagt Chefredakteurin Manuela Kay. Wowereit sei bis zu den Gay Games für alles ansprechbar. „Das wird natürlich mit Begeisterung aufgenommen“, sagt Kay und fügt lachend hinzu: „Da sieht man schon mal über die Partei hinweg.“ Sein Engagement hat ihm aber auch ein bisschen Spott und einen neuen „Titel“ eingebracht: „König der schwulen Grußworte“.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Wowereit scheut Schwulenpolitik nicht mehr
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.