AA

Wo bleibt die Impfkampagne?

©APA/BARBARA GINDL
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Regierung will nachholen, was sie bisher verbsäumt hat. Die Lotterie, die sie mit Unterstützung der Sozialdemokratie plant, wird das nicht wettmachen.

Das mit der Coronaimpfung ist in Österreich ganz schön vermurkst worden. Nachdem eine Aufklärungskampagne verabsäumt worden war und die Sebastian Kurz-ÖVP vollmundig erklärt hatte, dass die Pandemie „gemeistert“ sei, wunderte man sich, dass im Herbst noch immer keine 70 Prozent der Menschen geimpft waren. Damit hätte man jedoch rechnen können: Was hätte das gute Drittel, das – Kinder ausgenommen – gezögert oder sich geweigert hatte, mobilisieren sollen? Eine „gemeisterte“ Pandemie sicher nicht.

Wie auch immer: Aus Fehlern lernen, ist eine große Unbekannte in der Politik: Man gibt nicht einmal zu, welche begangen zu haben. Bis heute gibt es kein Bedauern der Volkspartei dafür, verhängnisvoll früh ausgerufen zu haben, dass alles vorbei sei. Schlimmer: Nach wie vor existiert keine Aufklärungskampagne.

Das läuft jetzt auf einen Super-GAU hinaus: Mit 1. Februar werden die Impfzertifikate von mehr als einer halben Million Menschen auslaufen, wenn sie sich bis dahin nicht boostern lassen. Zehntausende werden das übersehen. Ebenso viele werden hinterher ein böses Erwachen haben, wenn sie zum Beispiel nicht mehr in ein Gasthaus hineindürfen. Das Thema „Impfen“ wird dadurch noch negativer besetzt sein als es ohnehin schon ist. Die Regierung kann sich auf einen Sturm der Entrüstung gefasst machen.

Und auf noch viel mehr: Mit 1. Februar tritt die Impfpflicht in Kraft. Oder das, was davon übriggeblieben ist. Ernst genommen werden soll sie ja erst in ein paar Monaten. Zunächst gibt es Einführungsphasen mit allenfalls nur stichprobenartigen Kontrollen. Ein Blick auf die Datenseite des Gesundheitsministeriums zeigt folgendes: Entweder warten die meisten Ungeimpften auf das „große“ Glück, nämlich die Impflotterie, die von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Wener Kogler (Grüne) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner angekündigt worden ist; oder sie lassen es darauf ankommen bzw. schauen, ob man sich wirklich traut, sie zur Kasse zu bitten. Täglich erstimpfen lassen sich derzeit jedenfalls nur 0,04 Prozent der Bevölkerung. Das sind so wenige wie noch selten bisher.

Man sollte davon ausgehen, dass es sehr viele Ungeimpfte darauf ankommen lassen, ob mit der Impfpflicht wirklich ernstgemacht wird: Bisherige Erfahrungen mit Impflotterien sind durchwachsen. In Oberösterreich gab es keinen gigantischen, im Burgenland keinen messbaren Effekt: Dort war die Impfbereitschaft grundsätzlich enorm. Als die Lotterie durchgeführt wurde, kam es nicht zu mehr Erstimpfungen als zuvor.

Die Regierung muss also damit rechnen, dass in absehbarer Zeit nicht genug weitergeht. Zumal durch Omikron der Eindruck entstehen könnte, dass es ohnehin nicht mehr so sehr darauf ankommt, geimpft zu sein. Soll heißen: Mehr denn je wäre es notwendig, aufzuklären und zu informieren; zu begründen, warum eine Impfung im Hinblick auf mögliche, weitere Wellen notwendig erscheint und so weiter und so fort.

Sonst wird es für Nehammer und Co. kritisch: Sie könnten nach den Einführungsphasen in ein paar Monaten gezwungen werden, die Impfpflicht durchsetzen und Hunderttausende bestrafen zu lassen. Ob sie das politisch überstehen würden, ist fraglich.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

  • VIENNA.AT
  • Johannes Huber
  • Wo bleibt die Impfkampagne?
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen