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"Wir sind ja alle da, um es zu schaffen"

Martina Petzner und Sandra Soknic in ihrer Klasse in der Marokkanerkaserne
Martina Petzner und Sandra Soknic in ihrer Klasse in der Marokkanerkaserne ©vienna.at
Die Polizei nimmt jedes Jahr 450 Polizeischüler auf. Vienna Online traf im zweiten Teil der großen Polizei-Serie zwei junge Frauen, die seit 1. November die Ausbildung an der Polizeischule in der Wiener Marokkanergasse absolvieren. Sandra Soknic (19), Miss Vienna 2009, und Martina Petzner (25), mehrfache Tischtennis-Staatsmeisterin, haben sich entschieden, Polizistinnen zu werden. Wie läuft die Ausbildung ab, wie geht es den beiden nach den ersten Monaten?
Polizeischule in der Marokkanerkaserne
Bewerbungs-Infos
Hard Facts: Die Anforderungen

Martina, warum kommt man als Tischtennissportlerin zur Polizei?

Martina Petzner: Ich wollte zur Polizei, weil ich einen abwechslungsreichen Job wollte, in dem man im Team arbeitet und der mich körperlich und geistig fordert. Und es ist ein sicherer Job. Ich bin nicht mehr die Jüngste im Sport, ich wollte Tischtennis nicht mehr als Profi ausüben, deshalb ist mir die Entscheidung leicht gefallen. Nach meiner Ausbildung werden mir die sechs Dienstjahre beim Bundesheer angerechnet (Petzner war als Sportlerin beim Bundesheer).

Sandra, warum kommt man als Miss Vienna zur Polizei?

Sandra Soknic: Ich wollte schon zur Polizei, bevor ich Miss Vienna wurde. Es gibt viele Weiterbildungsmöglichkeiten und es ist ein krisensicherer und vielseitiger Job. Man kann nach der Ausbildung in zahlreiche Sparten wechseln. Ich spreche als zweite Muttersprache Serbokroatisch, deshalb glaube ich, dass ich der Polizei sehr hilfreich sein kann. Ich finde es wichtig, dass sich auch Menschen mit Migrationshintergrund bei der Polizei bewerben.

Wie seid Ihr zur Polizei gekommen – ihr habt Euch beworben, wie ging es dann weiter?

Martina Petzner: Es ist ja nicht sicher, ob man aufgenommen wird. Man muss beim Aufnahmetest einen gewissen Level erreichen.

Wie habt Ihr Euch auf den Aufnahmetest vorbereitet?

Sandra Soknic: Ich habe mich nicht groß vorbereitet, ich war damals gerade im Matura-Stress. Für die sportlichen Tests habe ich ein bisschen trainiert. Ich war dann überall unter den Besten. Es kann jeder schaffen, auch jemand, der nicht unbedingt so sportlich ist. Man muss sich nur durchbeißen. Ich wurde dann am nächsten Tag angerufen, dass ich es geschafft habe. Dann hätte ich im Oktober einrücken sollen, da hatte ich aber noch keinen Führerschein. Es gibt keine fixen Einrück-Termine. Je nach Bedarf werden neue Kurse eröffnet, dann wird man einberufen. Es kann sofort sein oder mit Wartezeit.

Iris Seper (Polizeisprecherin): Jedem, der in die Schule aufgenommen wird, wird nach bestandener Ausbildung auch ein fixer Arbeitsplatz garantiert. Wir rechnen dabei auch mit einer gewissen Drop-Out-Quote. Manche stellen während der Ausbildung fest, dass es nichts für sie ist.

Tagesablauf

Wie läuft ein typischer Tag bei Euch ab?

Martina Petzner: Der Unterricht beginnt um 7.30 Uhr und dauert bis 15.30 Uhr, am Freitag bis 13.30 Uhr. Neben den Rechtsfächern und psychologischer Ausbildung haben wir viel Sport und Einsatztraining. Wir haben einen Stundenplan, zum Beispiel zwei Stunden Strafrecht oder in der Früh schon Basissport, da gehen wir laufen.

Sandra Soknic: Jedes Monat gibt es einen neuen Stundenplan. Man muss flexibel sein. Basissport (Laufen) ist immer dabei – wir sollen ja fit bleiben.

Martina Petzner: Laufen gehen wir im Stadtpark, Belvedere oder Prater, weitere Sporteinheiten finden in Kaisermühlen statt.

Sandra Soknic: Ich finde es super, dass man in der Dienstzeit Sport machen kann, denn das kann ja fast keiner. Oft ist es ja so, dass man sich selber fit halten muss, nach der Schule oder nach der Arbeit.

Was stand heute auf dem Stundenplan?

Martina Petzner: Verkehr und Sicherheitspolizeigesetz. Von 11 bis 12 Uhr haben wir Mittagspause, anschließend fahren wir zum Dienstsport nach Kaisermühlen. Dann fahren wir zurück in die Kaserne und werden entlassen.

Schule und Klassengemeinschaft

Was unterscheidet die Polizeischule von einer „normalen“ Schule?

Martina Petzner: Ich habe mir gedacht, Du sitzt da und wirst unterrichtet, aber es war dann ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Der Unterricht ist nicht trocken. Es gibt immer wieder Beispiele aus der Praxis draußen. Zum Beispiel Sicherheitspolizeigesetz: Da geht es auch um Gefahrenerforschung. Nach der Theorie hat man uns das Beispiel geliefert, dass die Personenkontrolle schon zur Gefahrenerforschung dazugehört. Wenn einer um ein Auto herum schleicht und man kontrolliert ihn, dann kann man vielleicht schon mehrere Dinge abwenden. Etwa, dass er vielleicht einbrechen will. Damit das nicht passiert, geht man halt hin und kontrolliert.

Sandra Soknic: Der Unterricht ist fächerübergreifend. Das eine muss man wissen, sonst fehlt in einem anderen Fach die Basis. Wir müssen wissen, was wir machen dürfen und wie wir das anzuwenden haben. Unsere Bevölkerung muss sich auf uns verlassen können, dass wir professionell und rechtlich fundiert arbeiten.

Ist es möglich, dass man durchfällt?

Sandra Soknic: Es ist nicht wie in der Schule, dass man die Klasse wiederholen kann, denn es wird ja auch bezahlt. Wir bekommen ja Lohn, es handelt sich um ein Dienstverhältnis. Es gibt auch keine Glocke. Das war für mich anfangs ziemlich komisch, weil ich die Pausenklingel aus der Schule gewöhnt war. Es wird sehr selbstständig gearbeitet.

Wie versteht Ihr Euch in der Klasse untereinander?

Martina Petzner: Davor hatte ich die meisten Bedenken. Ich komme hierher und muss mit 24 oder 25 Menschen meinen Tag hier verbringen. Von früher kennt man das ja, dass man sich mit manchen nicht so versteht oder dass sich Gruppen bilden. Wir haben hier eine Super-Gemeinschaft, auch die Mädels. Die sind ja meistens gefährdet für Zickereien und so (lacht). Aber das ist bei uns nicht so, es ist wirklich eine Klassengemeinschaft.

Ihr seid in der selben Klasse, aber doch sechs Jahre auseinander – ist der Altersunterschied ein Thema?

Martina Petzner: Die Schüler in unserer Klasse sind zwischen 18 und 29 Jahre alt. Da macht man keinen Unterschied.

Sandra Soknic: Wir sind ja alle da, um es zu schaffen. Bei der Polizei ist die Teamarbeit sehr gefragt, denn man geht ja nicht allein auf Streife – meistens zu zweit, da sollte man sich mit anderen auch verstehen können. Deswegen ist es auch so, dass man in der Klasse zusammenhält.

Uniform

Ihr sitzt jetzt mit der Uniform da – ist das normal?

Martina Petzner: Wir haben immer die Uniform an, außer im Fach Kommunikation.

Sandra Soknic: Das ist einfach dazu da, dass man sich daran gewöhnt.

Wann habt Ihr die Uniformen bekommen?

Martina Petzner: Nach etwa einem Monat, vorher waren wir noch in Zivilkleidung. In der Meidlinger Kaserne gibt es einen großen Raum – für Frauen eh ganz gut (lacht) – wo Du die Sachen anprobieren kannst.

Was bekommt Ihr da genau?

Martina Petzner: Drei Hosen, drei Hemden, einen Einsatzoverall, Stiefel…

Sandra Soknic: …das Barett, Jacke, Schuhe. T-Shirts und Socken für den Sport.

Nehmt Ihr die Dienstkleidung mit und wascht sie selber?

Martina Petzner: Die Mama (lacht).

Sandra Soknic: Ich wasche selber.

Wohnen in der Polizeikaserne

Wie entscheidet sich, wohin man zur Ausbildung kommt?

Iris Seper: Es gibt auch in den Bundesländern Kurse für Wien. Es kommt auf die Auslastung der Ausbildungszentren an. Wenn beispielsweise die Marokkanergasse voll ist, dann finden die Kurse an anderen Örtlichkeiten statt, die Praxis ist aber in Wien.

Gibt es dort Quartiere?

Iris Seper: In jedem Ausbildungszentrum gibt es auch Quartiere.

Martina Petzner: Ich wohne direkt in der Marokkanerkaserne. Es gibt Vierer- und Zweierzimmer. Ich bin in einem Zweierzimmer.

Wie fühlt man sich, wenn man in der Polizeikaserne übernachtet?

Martina Petzner: Ich fühle mich wohl, ob das jetzt in einem Hotel ist oder in einer Polizeikaserne. Die Zimmer sind super. Es ist angenehm, weil Du Dich schon auf den nächsten Tag in der Klasse freust, weil die Kollegen angenehm sind – das erleichtert die Sache natürlich.

Habt Ihr einen Einfluss darauf, wo Ihr nach Absolvierung Eurer Ausbildung Dienst macht?

Iris Seper: Es wird nach Möglichkeit den Wünschen entsprochen, aber man muss auch schauen, in welchen Bezirken ist welcher Bedarf da.

Erste Eindrücke

Was reizt Euch an der Arbeit bei der Polizei? Habt Ihr schon erste Eindrücke?

Sandra Soknic: Wir sind in der Ausbildungsphase. Nach einem Jahr hat man eine Praxisphase, in der man merkt, ob der Beruf der richtige ist. Viele stellen sich vor, dass man den ganzen Tag draußen auf Streife ist, und dann am Abend Karten spielt – so ist es nicht. Es ist sehr viel Computerarbeit dabei, denn jede Amtshandlung, die man führt, muss man dann auch wiedergeben können. Es ist diese Abwechslung, die mich reizt.  Man kann sich außerdem immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Es gibt viele Kurse. Man ist nie zu alt, um sich weiterbilden zu können.

Mit 19 kannst Du ja nicht zu alt sein, oder?

Sandra Soknic: (lacht) Ja, aber auch mit Vierzig kann man sich immer noch weiterbilden. Es gibt bei der Polizei keine Altersbeschränkung. Wenn man studiert, muss man sich auch erst nach dem Studium einen Job suchen. Bei der Polizei ist es anders. Da ist alles offen. Man kann auch Lehrer in der Polizeischule werden zum Beispiel – es gibt wirklich viele Möglichkeiten.

Martina Petzner: In einem Bürojob weißt Du, Du musst heute acht Stunden vor dem Computer sitzen und tippen. Bei der Polizei kommst Du immer in neue Situationen, lernst immer verschiedene Leute kennen.

Sandra Soknic: Natürlich kann es gefährlich sein, weil man ja nicht weiß, was auf einen zukommt. Aber hier werden wir sehr gut vorbereitet, wir üben auch jede Situation. Dadurch fühlt man sich sicherer, wenn man dann rausgeht.

Was glaubst Du erwartet Dich in Deinem Dienst?

Martina Petzner: Ich bin schon sehr gespannt. Man kriegt zwar vom Lehrer die Beispiele aus der Praxis mit, aber die richtige Praxis lernt man erst kennen, wenn man sie macht.

Sandra Soknic: Das wird auf jeden Fall spannend. Man kann es sich ja noch nicht so wirklich vorstellen.

Wie kann man sich „das erste Mal“ vorstellen?

Martina Petzner: Man fährt zu dritt im Streifenwagen, mit zwei erfahrenen Kollegen.

Sandra Soknic: Man schaut sich halt dann die Amtshandlungen an und kann vielleicht mitdenken, welcher Paragraph dazugehören könnte. Vielleicht kann man dann die eine oder andere Amtshandlung selber machen, um zu sehen wie das ist, wenn man in der Rolle eines Polizeibeamten einer fremden Person Fragen stellt. Hier geht es natürlich um Verantwortung, daher ist eine gute Ausbildung so wichtig.

Ziele

Hast Du ein bestimmtes Ziel bei der Polizei?

Martina Petzner: Es gibt so viele Weiterbildungsmöglichkeiten, ich möchte das einfach auf mich zukommen lassen. Wir haben noch gar nicht alles kennengelernt, wir haben ja auch noch zwei Jahre Schulzeit vor uns.

Sandra Soknic: Ich habe mir überlegt, bei der Kriminalpolizei tätig zu werden. Aber es gibt so viele Möglichkeiten, dass ich mir das noch offen lassen will. Mir gefällt, dass man später auch weiter studieren kann – an der FH.

Ihr stellt Euch mit Eurem Job in den Dienst der Allgemeinheit. Ist das eine besondere Motivation?

Martina Petzner: Ich will Sicherheit bieten, Fälle aufklären oder schneller aufklären vielleicht. Den Menschen helfen.

Die Bezahlung ist für Euch also nicht der ausschlaggebende Punkt?

Martina Petzner: Vergleichsweise verdient man bei der Polizei ganz gut.

Sandra Soknic: Es ist schon gut bezahlt, es gehört aber auch viel Idealismus dazu, da man in unserem Beruf auch in lebensgefährliche Situationen kann.

Martina Petzner: Aber das Gehalt stand ja nicht im Vordergrund, sondern dass der Job Spaß macht. Ich will nicht vierzig Jahre irgendwas arbeiten, das mich nicht interessiert.

Sandra Soknic: Ich kenne viele Leute, die sind unzufrieden mit ihrem Job, obwohl sie gut verdienen. Das Geld sollte nicht die größte Rolle spielen. Wenn man etwas macht, das man nicht gerne macht, dann ist man unglücklich.

Habt Ihr jetzt eine andere Sicht auf Dinge, die Euch bisher egal waren?

Sandra Soknic: Man sieht die Dinge jetzt eher aus der Polizeiperspektive.

Martina Petzner: Wenn ich früher bei Rot über die Ampel gegangen bin, habe ich mir nichts dabei gedacht. Jetzt schaut man in der U-Bahn die Leute schon ganz anders an, man analysiert schon. Das, was man im Unterricht hört, versucht man natürlich gedanklich nachzuspielen oder nachzuvollziehen. Es ist sowohl ein stolzes aber auch ein verantwortungsvolles Gefühl, Uniform zu tragen und bei der Polizei zu sein.

Das heißt, Du gehst jetzt nicht mehr bei Rot über die Straße?

Martina Petzner: Nein (lacht). Ich bin selbstverständlich auch noch nie bei Rot über die Straße gegangen.

 

 

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