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Wiener Krankenkassen: Längere Wartezeiten für Patienten

Die Obfrau der Wiener Gesundheitskrankenkasse Ingrid Reischl befürchtet längere Wartezeiten für Patienten durch die geplanten Neuerungen bei den Krankenkassen.
Die Obfrau der Wiener Gesundheitskrankenkasse Ingrid Reischl befürchtet längere Wartezeiten für Patienten durch die geplanten Neuerungen bei den Krankenkassen. ©APA/Herbert Pfarrhofer
Am Montag warnte Ingrid Reischl, die Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), vor den geplanten Neuerungen. Vor allem die Patienten werden darunter leiden.
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Die Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Ingrid Reischl, hat am Montag vor deutlichen Auswirkungen für Patienten gewarnt, wenn die geplante Neustruktur wie vorgesehen kommt. Sie bezweifelte im Ö1-Morgenjournal, dass es die versprochene “Milliarde” für die Versicherten geben wird. “Das kann sich nicht ausgehen”, zeigte sie sich überzeugt. Reischl sprach von einer “absurden” Summe.

Versprochene Milliarde nicht einhaltbar

Sie könne dies auch leicht vorrechnen, versicherte sie: “Wir geben im Jahr 90 Mio. Euro für die Verwaltung aus. Wenn ich jetzt alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kündigen würde, dann würde ich 90 Millionen sparen, aber es wird ja weiterhin Mitarbeiter brauchen, vor allem, wenn es um so eine riesige Fusion geht.”

Es werde den Patienten eine Milliarde versprochen, gleichzeitig seien im Gesetzesentwurf mehr Belastungen für die neue Krankenversicherung enthalten. Theoretisch müsse man somit fast zwei Milliarden Euro einsparen.

Weniger Mittel für die Krankenkassen, mehr für die Privatspitäler

Sie nannte dazu ein Beispiel: “Die Privatspitäler bekommen von der Krankenversicherung eine Pauschalzahlung. Diese Pauschalzahlung wird exorbitant erhöht. Die Privatspitäler sollen noch einmal 14,7 Mio. Euro jährlich bekommen zu den normalen Erhöhungen.”

Somit stünden der neuen Österreichischen Krankenversicherung weniger Mittel zur Verfügung. Gleichzeitig müsse diese die Unfallbehandlung übernehmen und damit die Beitragssenkung, die den Arbeitgebern versprochen worden sei.

Längere Wartezeiten für Patienten

Das Geld, das dem System entzogen wird, werde fehlen: “Das werden die Versicherten spüren.” Wenn man Posten nicht nachbesetzt, werde man das merken, warnte Reischl. Wenn man etwa in den Außenstellen weniger Menschen hat, dann werde es dort zu längeren Wartezeiten kommen.

Zuletzt habe man auch in den Wahlarzt-Bereich investiert, damit die Menschen nicht so lange auf ihre Wahlarzt-Rechnungen warten müssten: “Wenn ich hier nicht mehr nachbesetzen kann, werden die Menschen länger auf ihr Geld warten.”

Wartezeit auch bei Kinderbetreuungsgeld und Krankengeld länger

Auch in anderen Abteilungen drohen laut Reischl Auswirkungen: Es werde etwa länger dauern, bis das Kinderbetreuungsgeld kommt. Auch auf das Krankengeld würden die Menschen länger warten müssen, prophezeite sie.

Einsparung ist “langsamer Prozess”

Die WGKK-Obfrau gab zu bedenken, dass man schon vor über einem Jahr angeboten habe, die Aufgaben über die gesamte Sozialversicherung zu bündeln. Man sei davon ausgegangen, dass man 100 Mio. Euro sparen könne: “Das wäre möglich. Das ist ein langsamer Prozess.”

Reischl wies zudem darauf hin, dass die Leistungen zuletzt harmonisiert worden seien. Wenn nun aber die Beiträge in den jeweiligen Landesorganisationen blieben, sei dies nicht mehr möglich.

Gudenus: WGKK Obfrau betreibe “unwahre Panikmache”

Der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann im Parlament, Johann Gudenus, konstatierte anlässlich der Kritik “unwahre Panikmache”: “Mit der WGKK-Obfrau spricht eine abgehobene Funktionärselite, die das Sozial- und Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren in die falsche Richtung geführt hat. Die Folge waren Verschlechterungen für die Patientinnen und Patienten sowie immens lange Wartezeiten.”

Die Regierung beende nun die Herrschaft einer “abgehobenen Funktionärskaste”, kündigte Gudenus in einer Aussendung an – wobei er mehr Mittel für den medizinischen Bereich versprach.

SPÖ über Neuerungen ebenfalls besorgt

Die unterschiedlichen Angaben zu erwarteten Einsparungen durch die Krankenkassen-Zusammenlegung hat am Montag die SPÖ auf den Plan gerufen. Entweder es werde gelogen oder gegen das Bundeshaushaltsrecht verstoßen, erklärte Budgetsprecher Jan Krainer in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.

Sparpotenzial nur bei 33 Millionen Euro

Konkret geht es um das Versprechen der Bundesregierung, mit der Kassenfusion bis 2023 eine Milliarde Euro einsparen zu können. Im Begutachtungsentwurf sieht man dagegen bis zu diesem Jahr bloß ein Potenzial von rund 33 Millionen. Bis 2026 sollen dann durch Synergien im Back-Office-Bereich und Personalreduktion in Summe 350 Millionen eingespart werden.

Auswirkungen der Sozialversicherungen nicht beachtet

Im Sozialministerium erklärte man die Differenz am Wochenende damit, dass man im Begutachtungsverfahren nur Zahlen des Bundes angeben könne. Für die Selbstverwaltung könne man keine Angaben machen. Auch die Klubchefs der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ argumentierten auf diese Weise.

Krainer ließ das nicht gelten. Er verwies auf die entsprechenden Bestimmungen im Bundeshaushaltsrecht. Für Entwürfe von Rechtsvorschriften seien demnach auch die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte der Sozialversicherungsträger darzustellen, wenn diese davon betroffen sind, heiß es dort.

Krainer: Regierung lügt oder verletzt Haushaltsrecht

“Es gibt nur zwei Möglichkeiten”, meinte er: “Der Gesetzesentwurf mit seiner Darstellung der finanziellen Auswirkungen ist falsch und verstößt gegen das Bundeshaushaltsrecht. Oder: Die Behauptung der Regierung, dass eine Milliarde bis 2023 gespart werde, ist eine dreiste Lüge.”

Weitere Ministerialentwürfe in Begutachtung

Im Zuge der geplanten Sozialversicherungsreform sind zwei weitere Ministerialentwürfe in Begutachtung gegangen. Es geht dabei um die Zusammenführung der Prüfungsorganisationen von Finanzverwaltung und Sozialversicherung sowie um die Überführung der Versicherung der Notare in eine eigenständige berufsständische Versorgungseinrichtung. Für beide Gesetze läuft die Begutachtung bis 19. Oktober.

(APA/Red)

 

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