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Wiener Kindergärtnerinnen sperrten Kinder in Waschraum ein

Die betroffenen Kinder seien noch zu klein, um von den Vorfällen erzählen zu können.
Die betroffenen Kinder seien noch zu klein, um von den Vorfällen erzählen zu können. ©pixabay.com
In einem Kindergarten in Wien-Meidling sollen schwierige Kinder teilweise in den Waschraum gesperrt worden sein. Die Tageszeitung "Presse" berichtet von laufenden Ermittlungen in der Causa. Die Pädagoginnen wurden entlassen.

Gegen einen Kindergarten in Wien-Meidling sind schwere Vorwürfe erhoben worden: Laut der Tageszeitung “Presse” sollen Kleinkinder in einen Waschraum geschickt – oder sogar gesperrt – worden sein. Die verantwortlichen Pädagoginnen seien mittlerweile entlassen worden. Die zuständige MA 11 (Kinder-und Jugendhilfe) bestätigte der APA den Fall. Sie leitete ein Ermittlungsverfahren ein.

Mutter erzählt von Angstzuständen bei Kind

Die sechs bis acht Kinder, die in den Waschraum geschickt worden sein sollen, seien so klein, dass sie noch nicht reden können, hieß es im “Presse”-Artikel. “Wir haben das nur erfahren, weil ein älterer Vorschulbub das beobachtet und zu Hause erzählt hat. Mein Kind spricht noch nicht, aber ich habe schon im Jänner gemerkt, dass es sich verändert hat. Es schläft nur noch bei Licht, schreit, wenn man die Klotür schließt, und hat seine Fröhlichkeit verloren”, wurde eine betroffene Mutter zitiert.

In dem Artikel bestätigte der Geschäftsführer des Kindergartenbetreibers “Kinder in Wien” (Kiwi), Thomas-Peter Siegl, die Vorwürfe. “Ich bedaure diesen Vorfall sehr. Es ist korrekt, dass zwei Pädagoginnen in einer emotionalen Ausnahmesituation im Einzelfall Kinder in den Waschraum geschickt haben. Laut Pädagoginnen soll die Tür dabei offen gewesen sein, aber auch das geht nicht. Das ist ein pädagogisches Fehlverhalten, weshalb wir arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen haben”, wurde er in der “Presse” zitiert. Die beiden verantwortlichen Pädagoginnen seien mittlerweile entlassen worden.

Acht Familien betroffen

Überdies sei eine Kinderpsychologin mit dem Fall betraut worden. Siegl habe von acht Familien gehört, die betroffen sein sollen. Sechs davon hätten sich bei Kiwi gemeldet, fünf die angebotene psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Siegl geht laut “Presse” davon aus, dass es sich um zwei Einzelfälle handelt. Personalmangel gebe es am Standort keinen.

Laut einer Sprecherin der MA 11 wurde das pädagogische Fehlverhalten der beiden Pädagoginnen vom Kindergartenbetreiber “Kinder in Wien” (Kiwi) selbst der Behörde gemeldet. Als Konsequenz leitete die MA 11 ein Ermittlungsverfahren ein. Im Zuge dessen wird u.a. mit Eltern, der Leitung und den Mitarbeitern im Kindergarten gesprochen.

Ermittlungen laufen

“Man macht sich ein umfassendes Bild”, erklärte die Sprecherin der APA. Dabei gehe man der Frage nach, ob es sich um ein persönliches Fehlverhalten oder um ein strukturelles Problem handle. Anfang Mai sollen die Ermittlungen abgeschlossen sein und die Erkenntnisse in einen Maßnahmenkatalog für den Kindergartenbetreiber einfließen. “Kiwi wird alles tun, um dabei transparent zu sein”, versprach Siegl in der “Presse”.

Bei “Kinder in Wien” handelt es sich um einen großen Kindergarten-Betreiber in Wien. Bisher hat man laut MA 11 mit diesem gute Erfahrungen gemacht.

 Gefühl der Eltern und Verhalten entscheidend

Doch wie erkennen Eltern, dass im Kindergarten etwas nicht passt? Wenn Kinder sich verbal noch nicht ausdrücken können, dann ist die Beobachtung ihres Verhaltens wichtig, riet die Psychologin Helene Haidl.

Konkret geht es darum, ob sich das Kind anders verhält als sonst – also so, wie man es eigentlich kennt: “Es könnte sein, dass das Kind ruhiger wird, weniger fröhlich, weniger aktiv, vielleicht nicht so gerne die Nähe von wichtigen Bezugspersonen sucht. Das kann aber auch das Gegenteil sein. Das Kind wird deutlich unruhiger, aufgedrehter, sucht häufiger die Nähe der Bezugspersonen, wie Mutter oder Vater”, erklärte Haidl, die leitende Psychologin bei der MA 11 (Kinder-und Jugendhilfe) ist, im Gespräch mit der APA.

Viele Faktoren beeinflussen Verhalten

Aber, so ihr Hinweis, die Verhaltensänderung bei einem Kind kann viele Gründe haben – es muss nicht zwingend der Kindergarten sein. “Man muss sich zunächst wirklich überlegen, ob es Veränderungen zum Beispiel in der Familie gab”, unterstrich sie. Dies könnte ein Umzug sein, die Trennung der Eltern, der Tod eines Familienmitgliedes oder der Kindergarteneintritt: “Da ist es normal, dass es zu Ängsten kommt oder zur emotionalen Irritation des Kindes.”

Wenn man sich die Verhaltensänderung nicht erklären kann, dann rät die Psychologin, im Kindergarten oder der Kinderkrippe nachzuforschen. Ihr Tipp dazu: “Ich würde ganz allgemein beginnen und fragen, wie der Pädagoge oder die Pädagogin das Kind sieht und ob es den Eindruck gibt, dass es sich in letzter Zeit verändert hat. Und wenn ja, in welcher Weise das erlebt wird und ob es eine Idee gibt, warum es die Verhaltensänderungen gibt.”

Eltern müssten dann abschätzen, wie plausibel die Antwort des pädagogischen Personals ist, das sie ja in der Regel kennen. Ein weiterer Rat Haidls: “Ich würde auch versuchen, eine zweite Meinung einzuholen.” Damit meinte sie einen weiteren Mitarbeiter in der Krippe oder im Kindergarten, der ebenfalls mit dem Kind zu tun hat. Wobei die Psychologin auch zugab: “Eine Traumatisierung zu erkennen, ist ziemlich schwierig.”

Diplomatisch ansprechen

Auf die Frage, wie lange denn Eltern nach einer aufgefallenen Verhaltensänderung des Kindes zuwarten sollen, bis sie reagieren, antwortete Haidl: “Es ist weniger eine Frage von Wochen und Monaten, sondern wie das Kind beeinträchtigt wird. Wird es stark beeinträchtigt? Ist es ein erheblicher Leidensdruck? Entwicklungstypische Ängste sind eine Zeit lang da und verschwinden wieder.” Eltern müssten sich dabei auf ihr Gefühl verlassen.

Gibt es tatsächlich Probleme im Kindergarten, so rät die Psychologin abhängig von den Gründen zu zwei Schritten. Sollten Eltern das Gefühl haben, dass zu wenig auf das Kind eingegangen wird, dann “wäre es natürlich gut, das möglichst diplomatisch anzusprechen, so dass sich die Kindergartenpädagogin in ihrer Kompetenz nicht infrage gestellt fühlt, aber so dass sich die Eltern mit ihren Sorgen und Beobachtungen ernst genommen fühlen”.

Sollte es gravierende Vorkommnisse in der Betreuungseinrichtung geben – wie eben, dass Kinder in den Waschraum geschickt werden -, so empfahl Haidl psychologische Betreuung. “Hier ist die Unterstützung für das Kind und die Eltern wichtig”, betonte sie.

(APA/red)

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