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Wien: De-Facto-Fahrverbot für Lkw ohne Abbiegeassistent ab Frühjahr 2020

Ab dem Frühjahr 2020 soll das Fahrverbot in Wien gültig sein.
Ab dem Frühjahr 2020 soll das Fahrverbot in Wien gültig sein. ©APA/Georg Hochmuth
Im Frühjahr 2020 soll ein Rechtsabbiegeverbot für alle Fahrzeuge über 7,5 Tonnen in Wien in Kraft treten. Selbstständig handeln kann Wien dank einer Novelle der Straßenverkehrsordnung.

Wien setzt restriktive Maßnahmen gegen Lkw ohne Abbiegeassistenten: Im Frühjahr 2020 soll ein Rechtsabbiegeverbot für alle Fahrzeuge über 7,5 Tonnen, die über kein entsprechendes System verfügen, mit einer Übergangsfrist von einem Jahr in Kraft treten, kündigte Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) gegenüber der APA an. Das komme einem De-facto-Fahrverbot für betroffene Gefährte gleich.

EU schreibt verpflichtende Ausstattung für LKW mit Abbiegesystemen vor

Die EU schreibt eine verpflichtende Ausstattung für Lkw mit Abbiegesystemen für neue Fahrzeugtypen ab 2022 und für neu zugelassene Fahrzeuge ab 2024 vor. Hebein dauert das offenbar zu lange. "Die Sicherheit im Straßenverkehr, vor allem von Kindern, steht an erster Stelle und darf nicht hinausgezögert werden. Deshalb habe ich ein Ermittlungsverfahren zur Einführung des Rechtsabbiegeverbots für schwere Lkw beauftragt", sagte sie.

Die Ressortchefin will die Regelung, die formal eine Verordnung durch die MA 46 (Verkehrsorganisation) sein wird, im Frühjahr 2020 umsetzen. Es werde aber eine Übergangsfrist geben, hieß es auf Nachfrage im Hebein-Büro. Denkbar sei etwa ein Jahr. Spätestens ab Frühjahr 2021 müssten damit endgültig alle Lkw-Schwergewichte in Wien mit Abbiegesystemen ausgestattet sein - und zwar unabhängig davon, ob sie in der Stadt selbst oder woanders zugelassen sind.

Auch Stadt Wien muss nachrüsten

Das Interessante: Auch alle entsprechenden Fahrzeuge des stadteigenen Fuhrparks fallen unter die Vorgabe. "Auch die Stadt muss nachrüsten", sagte ein Hebein-Sprecher. Das gelte auch für die rund 300 Müllfahrzeuge der MA 48. Diese fallen in die Zuständigkeit von SPÖ-Stadträtin Ulli Sima. Dort hatte man in den vergangenen Monaten immer wieder Bemühen signalisiert, eine Umrüstung vornehmen zu wollen, allerdings wiederholt darauf verwiesen, dass die verfügbaren Systeme noch nicht optimal für den Echtbetrieb und folglich fehleranfällig seien.

Das von Hebein nun in Auftrag gegebene sogenannte Ermittlungsverfahren ist gewissermaßen die Vorarbeit für die eigentliche Verordnung. Relevante Stellen der Stadt sowie Arbeiter- und Wirtschaftskammer, Kuratorium für Verkehrssicherheit, Landespolizeidirektion, Autofahrerclubs und Interessensvertretungen von Radfahrern und Fußgängern werden miteinbezogen. Im Zuge dessen wird etwa genau festgelegt, welche Anforderungen die akzeptierten Assistenten haben müssen oder wie hoch das Strafmaß bei Verstößen sein wird. Dieser Prozess wird ungefähr ein halbes Jahr dauern, sodass bis etwa Frühjahr 2020 die Verordnung erfolgen kann. Das Verbot wird dann im Amtsblatt und via Zusatztafel an den Ortstafeln veröffentlicht. Kontrollieren wird jedenfalls die Polizei.

Wien kann dank einer Novelle selbstständig handeln

Selbstständig handeln kann Wien dank einer Novelle der Straßenverkehrsordnung. Denn die StVO gibt Gemeinden die Möglichkeit, Rechtsabbiegeverbote für Lkw über 7,5 Tonnen ohne Abbiegeassistenten im gesamten Ortsgebiet, in Teilen davon oder in näher bestimmten Gebieten zu erlassen. Für Hebein hat aber nur eine flächendeckende Umsetzung Sinn. Alles andere wäre zu unübersichtlich und habe außerdem nicht den gewünschten Effekt.

Abbiegeassistenten können Risiko beim Rechtseinbiegen verringern

Daten des Verkehrsressorts zufolge sterben pro Jahr rund 20 Personen im Wiener Straßenverkehr. Davon wiederum sind die Hälfte entweder Radfahrer oder Fußgänger. Von diesen wiederum kommt rund ein Fünftel infolge einer Kollision mit einem rechtseinbiegenden Lkw zu Tode. "Abbiegeassistenten ersetzen keine menschlichen Beifahrerinnen und Beifahrer, aber sie können das Risiko beim Rechtseinbiegen verringern", verwies Hebein auf die durch die Fahrzeugbeschaffenheit per se schlechte Sicht etwa auf Zebrastreifen auf der Beifahrerseite. Da der frühere Verkehrsminister und jetzige FPÖ-Chef Norbert Hofer keine verpflichtende Ausstattung für ganz Österreich zustande gebracht habe, nutze sie nun ihre Möglichkeiten in Wien, betonte die Stadträtin.

VCÖ nach Wiener Vorstoß für bundesweite Regelung

Der Vorstoß von Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) wurde vom Verkehrsclub Österreich begrüßt, wobei der VCÖ eine Ausweitung auf ganz Österreich forderte. Die Wirtschaftskammer wiederum sprach sich für eine Förderung des Einbaus entsprechender Geräte aus.

Der tote Winkel bei Lkw sei lebensgefährlich, versicherte der VCÖ in einer Aussendung am Donnerstag. Abbiegeassistenten würden die Verkehrssicherheit für alle, die zu Fuß, mit Fahrrad oder Moped und Motorrad unterwegs seien, erhöhen. Die Wiener Regelung solle auf ganz Österreich ausgeweitet werden, wurde urgiert.

Der Einbau der elektronischen Helfer ist nach Ansicht des Clubs relativ einfach möglich. Es gebe bereits gut funktionierende Nachrüstlösungen für Lkw-Abbiegeassistenten, wie Tests belegen würden.

Unternehmen soll finanziell unter die Arme gegriffen werden

"Es ist zu begrüßen, dass eine weitgehende Maßnahme wie ein Rechtsabbiegeverbot für schwere Lkw ohne Abbiegeassistent vorab eingehend geprüft wird", befand Walter Ruck, der Präsident der Wirtschaftskammer Wien. Aus dem Blickwinkel der Verkehrssicherheit sei eine solche Maßnahme verständlich.

Allerdings sprach sich der Kammerpräsident dafür aus, den Unternehmern finanziell unter die Arme zu greifen: "Sollte ein Rechtsabbiegeverbot beschlossen werden, ist aber auch klar, dass damit die Voraussetzungen für eine Förderung der Nachrüstung von Lkw mit dem Abbiegeassistenten durch die Stadt gegeben sind."

Bund zahlt maximal 900 Euro pro Lkw

Alexander Klacska, der Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), hielt fest, dass die bestehende Bundesförderung für die Nachrüstung durch die Landesförderung ergänzt werden solle. Dies sei schon aus Gründen des Wettbewerbs nötig. In Deutschland etwa, das die gleichen Assistenzsysteme wie Österreich anerkenne, werde die freiwillige Nachrüstung mit bis zu 1.500 Euro gefördert. In Österreich zahle der Bund maximal 900 Euro pro Lkw und auch nur bis fünf Fahrzeuge in der Flotte, erläuterte Klacska.

Bei städtischen Müllfahrzeugen werden die Geräte bereits getestet. Die Magistratsabteilung 48 arbeite seit Monaten an Lösungen, wie im Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) versichert wurde. Mittlerweile seien neun Produkte im Probeeinsatz. Die Auswertungen der bisherigen Ergebnisse haben laut MA 48 gezeigt, dass zwei Systeme am ehesten den Anforderungen entsprechen - eines mit Bilderkennungssoftware und eines mit Radar-Technologie.

Die MA 48 wartet laut Sima-Büro nun auf die Spezifikationen der zuständigen Magistratsabteilung 46 (Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten). Von der angekündigten Verordnung erwarte man sich auch eine Erhöhung des Angebots am Markt und eine Beschleunigung der Entwicklungen, wurde betont.

(APA/Red)

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