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Wenn Hass ein Baby trifft

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Gastkommentar von Johannes Huber. ... dann muss endlich auch von Politikern und jedem Einzelnen von uns ein größeres Verantwortungsbewusstsein eingefordert werden.

Die Eltern des Wiener Neujahrsbabys sind nicht blond und auch nicht blauäugig. Zumindest die Haarfarbe ist dunkel. Die Mutter trägt im Übrigen ein Kopftuch. Was reicht: Meldungen mit der frohen Kunde wurden im Netz mit Hasspostings versehen, dass einem übel werden muss. Doch davon allein hat niemand etwas. Viel wichtiger ist es, dass man Konsequenzen daraus zieht: Wenn ein neuer Bewohner der Stadt begrüßt wird mit Worten, wie „Nächster Terrorist ist geboren“, dann kann man das nicht mehr nur zur Kenntnis nehmen. Von der Gewalt in der Sprache ist es nicht weit zur physischen Tat; zu sehr sind die Hemmungen dann ganz offensichtlich schon gefallen.

Doch gehen wir zunächst zu den Wurzeln: Woher kommt die Gefahr? Wie konnte sie sich so sehr auswachsen? Erklärung 1: Internet sei Dank sind wir alle (potenziell) unglaublich einflussreich geworden. So richtig bewusst ist das und was damit zusammenhängt jedoch nur wenigen. Kein Wunder: Früher hat man eher nur ein überschaubares Publikum erreicht: Gleichgesinnte am Stammtisch oder an der Bar, in der Familie oder am Arbeitsplatz. Viel mehr war kaum möglich. Und daher hatte das, was man so von sich gab, in der Regel auch nur eine begrenzte Wirkung.

Doch das hat sich geändert: Jeder Kommentar auf Twitter oder Facebook kann schier unendlich viele Menschen erreichen. Womit ein ungleich größeres Verantwortungsbewusstsein erforderlich wird: Jedes Wort kann viel eher wirklich relevant werden. Auch die kleinste Bemerkung kann mit einer entsprechend großen Öffentlichkeit zu einer schwerwiegenden Kreditschädigung, üblen Nachrede, Verhetzung oder was auch immer werden. Doch Hand aufs Herz: Wer geht schon davon aus, dass er für das, was er zwischendurch vielleicht einmal „privat“ postet, belangt werden könnte? Wer achtet daher ganz selbstverständlich darauf, dass er Grundprinzipien des Anstands und des Rechts immer berücksichtigt? Sagen wird so: Allgemeingut ist es noch nicht.

Umso verhängnisvoller ist es, wenn die Politik auch noch Öl ins Feuer gießt. Womit wir bei einer Erklärung dafür wären, warum das mit den Hasspostings zu einem solchen Problem werden konnte: Es ist nicht egal, wie sich Spitzenvertreter der Regierung, aber auch der Opposition und natürlich auch die Medien positionieren; was sie begrüßen oder ablehnen; wie sie Arme, Reiche oder wen auch immer darstellen. Sie setzen immer auch Maßstäbe, die allen signalisieren, wie weit man gehen darf. Werden zum Beispiel Fremde als Leute dargestellt, die „unser“ Sozialsystem ausschließlich ausnützen, darf man sich über massenhaft Postings mit einem verschärften Inhalt dazu nicht wundern. Im Gegenteil. Es handelt sich geradezu um eine Ermunterung.

All das wieder einzufangen ist schwer. Irgendwann aber muss man damit beginnen. Und zwar besser heute als morgen: Nötig ist Bewusstseinsbildung an den Schulen genauso wie ein knallharter Diskurs darüber, wer in Regierung und Parteien, sozialen und anderen Medien welche Verantwortung zu tragen hat – und letzten Endes auch dazu gezogen werden muss. Die Zeiten, in denen Politiker beispielsweise Stimmungen gegen andere Menschen missbrauchen und befeuern, haben in diesem Sinne der Vergangenheit anzugehören. Sonst wird’s brandgefährlich.

Und wenn jetzt jemand glaubt, dass damit nur Rechtspopulisten angesprochen wären, dann muss im Zusammenhang mit dem Wiener Neujahrsbaby schon auch eines erwähnt werden: Kein Bürgermeisterkandidat aus den Reihen der Sozialdemokratie hat sich in wahrnehmbarer Art und Weise umgehend zu den Vorfällen geäußert, weder Michael Ludwig noch Andreas Schieder. Was auch eine Botschaft ist, steht doch genau hier das Image der Stadt auf dem Spiel, weltoffen und tolerant zu sein.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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