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Wasserbau-Versuche am künstlichen Fluss zwischen Donaukanal und Donau

Künstlicher Fluss ermöglicht Wasserbau-Versuche mitten in Wien
Künstlicher Fluss ermöglicht Wasserbau-Versuche mitten in Wien ©APA
Kurz nach der Abzweigung des Donaukanals von der Donau in Wien-Brigittenau graben derzeit Bagger eine Verbindung zwischen den Gewässern, ein künstlicher Fluss soll entstehen.
Künstlicher Fluss an der Donau

Hier entstehen ein künstlicher Fluss und ein Wasserbaulabor für die Wissenschaft, erklärte Helmut Habersack von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien im Gespräch mit der APA.

Künstlicher Fluss an der Donau

In dem seit März in Bau befindlichen “Forschungsgerinne” am Brigittenauer Sporn soll etwa untersucht werden, warum sich die Donau schneller in den Untergrund frisst als berechnet, ob Strombojen als “moderne Wasserräder” in manchen Flussabschnitten eine umweltfreundliche Alternative zu Staukraftwerken sind und wie man verhindern kann, dass sich Stauräume mit Sand und anderen Ablagerungen füllen, sagte Habersack. Er forscht am Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktivem Wasserbau der Boku und hat seit Jänner einen UNESCO Lehrstuhl für “Integrated River Research and Management” inne.

Der Wasserbauer will wissenschaftlich untersuchen, wie man den Fluss etwa zur Energieversorgung und als Transportweg möglichst umweltfreundlich nutzen kann. Derzeit sei es etwa ein großes Problem, dass sich das Flussbett an manchen Stellen rasch eintieft und anderswo stark verlandet. Dadurch werde die Schifffahrt eingeschränkt und Kraftwerke verlieren Stauraum.

Kies vor 10.000 Jahren angelagert

“Die Sohleeintiefung kommt daher, dass die Steine im Flussbett, die wir als ‘Geschiebe’ bezeichnen, durch die Staukraftwerke zurückgehalten werden”, sagte er. Normalerweise würde die Donau im Profil ungefähr 350.000 Kubikmeter Geschiebe, das aus den Alpen stammt, transportieren. Weil aber von oben nichts nachkommen kann, gräbt der Fluss das Material aus der Gewässersohle heraus.

“Der Kies wurde schon während der Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren abgelagert und seine Schicht ist einen bis mehrere Meter dick”, so Habersack. Darunter liegt feines Material aus der Zeit, als die Dinosaurier lebten und hier ein Meer war, erklärte er. Ohne den schützenden Schotter würde es rasch abgetragen und die Donau in einem Canyon versinken. Weil das sowohl für die Umwelt wie für die Schifffahrt katastrophal wäre, müsse man “dringend Maßnahmen setzen”.

Derzeit würde sich die Donau stromabwärts vom Kraftwerk Freudenau etwa zwei Zentimeter pro Jahr in die Flusssohle graben. Von den Kraftwerksbetreibern werden zwar flussabwärts pro Jahr 200.000 Kubikmeter Schotter in die Donau gekippt, doch dies sei zu wenig, um die Eintiefung zu verhindern. Auch wäre es schwer, überhaupt so viel Schotter zu bekommen und dorthin zu transportieren. Außerdem seien ständige Baggerarbeiten notwendig, weil sich die Steine in Flachstellen zwischen Flussbiegungen und in der Fahrrinne für Schiffe ansammeln und schließlich im Stauraum des nächsten Kraftwerks landen, erklärte Habersack.

Forschungsrinne im Bau

Nach den derzeit gebräuchlichen Formeln sollten sich die verwendeten Steine mit vier bis sieben Zentimetern Durchmesser erst ab einem Durchfluss von 3.500 Kubikmetern pro Sekunde bewegen, also jedes Jahr nur zu bestimmten Zeiten, erklärte er. “Wir haben aber mit Kameramessungen festgestellt, dass sie schon bei einem Durchfluss von 950 Kubikmetern pro Sekunde wie die Ameisen stromabwärts krabbeln, also das ganze Jahr über”, sagte Habersack. Deshalb würde man nun überlegen, größere Steine von bis zu zwölf Zentimetern Durchmesser zu verwenden.

Im derzeit in Bau befindlichen Forschungsgerinne könnte man das Phänomen untersuchen, indem man eine Schotterschicht aufbringt, den Durchfluss variiert und unter genau definierten Bedingungen beobachtet, wann sich die Steine flussabwärts bewegen. Dies sei in den aktuell in Europa verfügbaren, viel kleiner dimensionierten Wasserbaulabors nicht möglich.

Künstlicher Fluss – Rechen verhindert Eindringen von Fischen

Der künstliche Fluss wird von einem etwa elf Meter breiten Einlass aus der Donau gespeist werden, wo ein Rechen verhindert, dass Fische oder Treibgut hineingelangen. Der Bereich, in dem die Forscher ihre Versuche aufbauen und durchführen können, wird etwa 30 Meter lang und fünf Meter breit sein. Maximal können zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde durchgeleitet werden, so Helmut Habersack.

Weil an dieser Stelle zwischen Donau und Donaukanal drei Meter Gefälle sind, kommt man komplett ohne Pumpen aus. Das Bauwerk soll zwar schon dieses Jahr fertiggestellt werden, später würden aber noch eine Fischaufstiegshilfe und ein überdachtes Wasserbaulabor dazukommen, erklärte Habersack.

Fischtreppen werden untersucht

Bei Fischtreppen will er gemeinsam mit Biologen untersuchen, wie viel Wasser sie führen müssen, damit sich die Fische an der Strömung orientieren und sie als möglichen Weg erkennen können. Bis jetzt gäbe es zu der sogenannten Lockströmung kaum wissenschaftliche Daten. “Wir wollen dies objektivieren, denn für die Energiewirtschaft geht es hier um viel Geld”, sagte er. Die Kraftwerksbetreiber wollen möglichst viel Wasser über die Turbinen leiten, um Energie zu gewinnen, und es wäre gut zu wissen, wie viel davon sinnvollerweise über die Fischtreppe fließen sollte, meint er.

Auch die Ablagerungen von Sand und anderen Sedimenten sei für die Kraftwerke weltweit ein Problem. Man rechnet damit, dass im Zeitraum von 2030 bis 2080 vier Fünftel der Stauräume damit angefüllt sind, sagte Habersack. Die Donau würde etwa im Jahr zusätzlich zu den 350.000 Kubikmetern Geschiebe ungefähr drei Millionen Tonnen Schwebstoffe transportieren. “Wir werden im Forschungsgerinne auch Sedimentationsversuche machen, das heißt, wir lassen natürliches Donauwasser mit seinem Feinmaterial herein und sperren ab, sodass dieses absinkt”, erklärte er. Dann würde man versuchen, wie man das Sediment “remobilisieren” kann, damit es wieder ins Unterwasser kommt.

Ende der Bauarbeiten noch in diesem Jahr

Habersack will auch “Strombojen” als Alternative zu Staukraftwerken testen, denn das Aufstauen sei aus Umweltschutzgründen nicht überall möglich und sinnvoll. Ein österreichischer Erfinder habe Schwimmkörper mit Rotor als modernes “Wasserrad” entwickelt, die man als “ökologisch orientierte Nischenlösung” einsetzen könnte, meint er. Im Forschungsgerinne würde man etwa ausprobieren, bei welchen Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten sie gut funktionieren und mögliche Auswirkungen auf die Gewässersohle oder die Fische erkennen, erklärte der Wasserbauer.

Abgeschlossen müssen die Bauarbeiten noch in diesem Jahr sein. Dann geht auch das EU-Projekt zu Ende, mit dem der 2,6 Millionen Euro teure Bau großteils finanziert wird, so Habersack. Es handelt sich dabei um ein grenzüberschreitendes Vorhaben, an dem auch die Technische Universität Budapest beteiligt ist. Außer den unmittelbaren Projektpartnern würde das Forschungsgerinne und das Wasserbaulabor, das in den nächsten Jahren errichtet werden soll, auch dem Bundesamt für Wasserwirtschaft zur Verfügung stehen, erklärte er. Aber auch anderen Forschern aus dem In- und Ausland wolle man die Nutzung ermöglichen.

“Es ist auch ein Schaulabor geplant, wo zum Beispiel Oberstufen-Klassen aus dem Gymnasium mit Modellen Versuche zum Hochwasserschutz und anderen Themen machen können”, sagte er. Damit wolle er einerseits das Interesse des Nachwuchses an naturwissenschaftlichen Fächern wecken und andererseits sichtbar machen, dass von dem von Österreich an die EU gezahlten Geld durchaus etwas zurückkommt, um große und wichtige Projekte zu ermöglichen.

(APA)

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