Warnung von UNHCR Österreich: Neue Mindestsicherung lässt Betroffene unter Armutsgrenze rutschen
Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR kritisiert die von der Regierung geplante Reform der Mindestsicherung. Einschnitte für Flüchtlinge und das komplette Streichen der Sozialhilfe für subsidiär Schutzberechtigte ließe die Betroffenen weit unter die Armutsgrenze rutschen, warnte Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich in einer Aussendung am Dienstag.Grundsätzlich teilt man das im Gesetzesentwurf verfolgte Ziel, dass Sozialhilfe für den kürzest möglichen Zeitraum bezogen werden soll und die Betroffenen so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen sollen. Die geplanten Maßnahmen sind laut UNHCR aber nicht zielführend.
Reform der Mindestsicherung: UNHCR befürchtet versteckte Wartefrist für Flüchtlinge
Besorgnis erregend sind etwa die vorgesehenen Einschnitte für anerkannte Flüchtlinge sowie der gänzliche Ausschluss von subsidiär Schutzberechtigten, die künftig gar keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe haben sollen. “Anstatt die Sozialhilfe als soziales Auffangnetz und als Integrationsmotor einzusetzen, scheint hier bewusst eine Marginalisierung der Betroffenen in Kauf genommen zu werden”, stellte Pinter fest.
Anerkannte Flüchtlinge sollen die komplette Sozialhilfe nur dann beziehen können, wenn sie bereits über Deutschkenntnisse auf B1-Niveau verfügen. Dies könne aber laut Sprachexperten mit intensiven Deutschkursen frühestens nach eineinhalb Jahren erreicht werden, gibt Pinter zu bedenken. UNHCR fürchtet daher, dass über den Umweg der geforderten Deutschkenntnisse eine versteckte Wartefrist für Flüchtlinge eingeführt wird.
UNHCR: Appell an die Bundesregierung
UNHCR appelliert an die Bundesregierung, den vorliegenden Entwurf noch einmal zu überdenken und die Neuregelung mit Blick auf die bestmögliche Integration der in Österreich schutzberechtigten Personen sowie im Einklang mit internationalem Recht umzusetzen. Es sollte versucht werden, das Potenzial, das Geflüchtete mitbringen, so gut und schnell wie möglich zu nutzen, hieß es weiters.
Mindestsicherung: Diakonie warnt vor massiven Verschlechterungen
Diakonie: Forderungen bei der Mindestsicherung
Die Diakonie forderte die Rücknahme der geplanten Staffelung der Kinderbeträge, wonach es für das erste Kind 216 Euro, für das zweite 130 und ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro monatlich gibt. Auch der Arbeitsqualifizierungsbonus solle zurückgenommen werden, forderte Moser. Kritisch sahen die Experten auch die vielen Kannbestimmungen.
Besonders hart treffen die geplanten Kürzungen Familien mit mehreren Kindern. So berichtete Andrea Boxhofer vom Diakoniezentrum Spattstraße von einer alleinerziehenden Mutter von vier kleinen Kindern, die jetzt schon auf 50 Quadratmetern am finanziellen Limit lebe und Angst vor dem drohenden Kürzungen habe. “Wer jetzt die Chancen von Kindern verbaut, übersieht die langfristige Wirkung. Das kommt teuer für alle”, warnte Boxhofer.
“Der vorliegende Entwurf zum Sozialhilfe-Grundgesetz trägt weniger zur Armutsbekämpfung und umso mehr zur Manifestierung von Armut bei. Besonders verletzliche Gruppen sind davon stark betroffen”, analysierte Ulrike Knecht von der Heilsarmee. Sie befürchtet, dass Obdachlose künftig nicht die volle Leistung bekommen und gleichzeitig viele Menschen in die Obdachlosigkeit gedrängt werden. Vor allem die Sanktionen für Personen ohne österreichischem Pflichtschulabschluss und ohne Deutschkenntnisse sowie der Ausschluss von Straftätern von der Sozialhilfe würden Menschen in die Perspektivlosigkeit und damit in die Kriminalität und Obdachlosigkeit drängen, warnte sie.
Kritik auch von Volkshilfe und AI
Sämtliche der im geplanten Gesetz vorgesehenen Höchstsätze an Leistungen liegen unter der von der Statistik Austria errechneten Armutsgefährdungsschwelle in Österreich. Vor allem Menschen, die sich in sozialen Notlagen befinden, erhalten dadurch künftig keine adäquate Unterstützung, kritisierte Amnesty.
Stemberger: “Fahrlässig und kurzsichtig”
Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger erinnerte daran, “dass die Sozialhilfe das unterste Netz im Sozialstaat ist, ein Ausweichen auf andere Leistungen ist nicht möglich”. Mehr als 35 Prozent der Bezieher der Mindestsicherung seien 2017 Kinder gewesen, in Zahlen über 80.000. Sie leiden schon jetzt unter schlechten Lebensbedingungen, dies werde mit der neuen Regelung massiv verstärkt.
“In meinen Augen ist es höchst fahrlässig und kurzsichtig, Menschen in unserem Land, die aus welchen Gründen auch immer auf die letzte existenzielle Absicherung angewiesen sind, diese stark zu reduzieren oder gar den Zugang zu verunmöglichen. Damit wird kein einziges Problem gelöst, sondern viele neue Probleme geschaffen. Leidtragend sind die Menschen und vor allem ihre Kinder, die sich nur schlecht wehren können, die keine schicke Lobby hinter sich wissen”, attestierte Katharina Stemberger, Vereinsvorsitzende des Integrationshauses.
Der vorliegende Entwurf stelle einen massiven Rückschritt in der Armutsbekämpfung dar und ziele darauf ab, Geflüchtete und Migranten im Bereich der Sozialhilfe gravierend schlechter zu stellen, so Stemberger.
(APA/Red)