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Wann Schwarz-Grün kommt

©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Der ÖVP-Chef orientiert sich an Stimmungslagen. Sprich: Anhänger wie Gegner sollten sich nicht wundern, was alles geht.

Der Mann hat eine fremdenfreundliche Kampagne unter dem Titel #stolzdrauf durchgeführt und betont, dass er näher beim Bundespräsidenten sei, als bei Andreas Gabalier, „der stolz auf die Lederhosen ist“. Und er hat im Übrigen auch darauf hingewiesen, dass es Zuwanderern in Österreich nicht immer einfach gemacht werde, sich heimisch zu fühlen, „weil wir zu wenig Willkommenskultur haben“. Fehlt nur noch die Antwort auf die Frage, von wem die Rede ist. Zugegeben, es könnte sich um einen Grünen handeln. Die Rede ist jedoch vom ehemaligen und wohl auch künftigen Bundeskanzler, ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Als Integrationsminister hat er im November 2014 genau so gesprochen und auch gehandelt. 

Womit wir beim Punkt angelangt wären, um den es hier geht: Besonders Gegner von Sebastian Kurz ignorieren seine Wandlungsfähigkeit. Grünen-Chef Werner Kogler kann sich zum Beispiel nicht vorstellen, dass es nach der Nationalratswahl im September zu einer schwarz-grünen Koalition kommt. Zu weit entfernt sei Kurz insbesondere in Fragen von Flucht und Migration von den eigenen Vorstellungen; oder beim Klimaschutz.

Wenn sich Kogler und all die anderen Kurz-Kritiker, aber wohl auch viele -Anhänger, nur nicht täuschen: Dass es beim 32-Jährigen kaum möglich ist, zu sagen, worauf er politisch letzten Endes hinausmöchte, hat vor allem einen Grund; geschickt wie kein anderer richtet er sich nach Stimmungslagen in der Bevölkerung aus und hat so die besten Erfolgsaussichten, wenn es zu einem Urnengang kommt.

Die eingangs erwähnten Botschaften von Sebastian Kurz stammen aus der Zeit vor der Flüchtlingskrise im Herbst 2015. Mit diesem Ereignis hat er einen großen Rollenwechsel vorgenommen und Fremde eher nur noch als Bedrohung dargestellt, die das Sozialsystem ausbeuten. Vom Islam gar nicht zu reden. Flüchtlingsrouten konnte er nicht oft und dicht genug schließen: Dazu konnte und kann man stehen, wie man will, Kurz hat damit jedoch vermittelt, was eine relative Mehrheit der Wähler hören möchte – und so hat er bei der Nationalratswahl im Oktober 2017 denn auch triumphiert.

Genau das müsste seinen Beobachtern eine Lehre sein. Ist es aber nicht. Weil sie übersehen, wie wandelbar Sebastian Kurz ist: Wenn er feststellt, dass es im Sinne der allgemeinen Stimmungslage ist, kann er auch ganz anders. Entscheidend ist nur, dass sich die Stimmungslage nachhaltig ändert. Dann geht er dazu über, nach der Fremdenpolitik, deretwegen er vor zwei Jahren gewählt worden ist, eine ganz andere Priorität zu setzen; je nachdem, was gefragt ist und somit eine Mehrheit bescheren dürfte.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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