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Vormarsch ukrainischer Truppen in der Ostukraine

Kreml: Ukraine zerstört letzte Hoffnung auf friedliche Regelung.
Kreml: Ukraine zerstört letzte Hoffnung auf friedliche Regelung. ©EPA
Nach dem Sturz der moskautreuen Führung in Kiew und dem Anschluss der Krim an Russland droht nun der Konflikt um die Ostukraine zu eskalieren.
Separatisten auf dem Vormarsch
Ostukraine: Kiew verliert Kontrolle

Ukrainische Regierungstruppen haben einen Angriff auf die prorussischen Milizen bei den Städten Slawjansk und Kramatorsk im Osten des Landes begonnen. Das bestätigte Innenminister Arsen Awakow am Freitag über das soziale Netzwerk Facebook.
 

Hubschrauber-Piloten kamen ums Leben

Das ukrainische Verteidigungsministerium bestätigte den Tod von zwei Hubschrauber-Piloten nahe der Stadt Slawjansk. Im Osten des Landes wurden mehrere Separatisten getötet worden. Es gebe “mehrere Tote” auf ihrer Seite, sagte ein Sprecher der moskautreuen Kräfte am Freitag einem Reporter bei der Stadt Slawjansk. Genaue Zahlen nannte er nicht. Bisher hatte die “Volksmiliz” von einem Toten berichtet.

Der Aktivistensprecher bestätigte, dass Regierungstruppen den Bahnhof der Großstadt eingenommen hätten. Die Kämpfer hielten aber weiter mehrere Straßensperren bei Slawjansk besetzt. Die prorussischen Separatisten brachten laut einem Sprecher der Eisenbahn in Donezk das Zentrum der Bahn unter ihre Kontrolle. Der Zugverkehr sei faktisch zum Erliegen gekommen.

Moskau: Kiew schaltet auf “Kampfmodus”

Der russische Präsident Wladimir Putin warf der ukrainischen Regierung vor, mit dem Einsatz gegen moskautreue Aktivisten die “letzte Hoffnung” auf die Umsetzung des Genfer Abkommens, das Mitte April zwischen Russland, der Ukraine, der EU und den USA geschlossen worden war, zu zerstören. Die Führung in Kiew habe in den Kampfmodus geschaltet und greife friedliche Siedlungen an, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Freitag nach Angaben russischer Agenturen. Er sprach von einer “Strafaktion” der Regierungstruppen.

Putin habe gewarnt, bei einer solchen Operation würde es sich um ein Verbrechen handeln. “Leider bestärkt die Entwicklung seine Einschätzung völlig”, sagte Peskow. Putin habe am Vorabend den früheren Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin als Sonderbeauftragten in die Region geschickt. Seit Beginn der ukrainischen Offensive sei der Kontakt zu Lukin aber abgebrochen.

Während sich Russland um eine Deeskalation und eine Entschärfung des Konflikts bemühe, setze die Übergangsregierung in Kiew Luftstreitkräfte gegen “friedliche Siedlungen” ein, sagte Peskow laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen. Mit dem “Vergeltungsangriff” sei die “letzte Hoffnung” auf eine Umsetzung der Genfer Vereinbarungen zunichtegemacht worden.

Angst vor russischem Einmarsch

Die ukrainische Armee ging nach Regierungsangaben in der Ostukraine seit Freitagmorgen gegen Separatisten in Slawjansk und Kramatorsk vor. Nach offiziellen Angaben wurden dabei zwei Kampfhubschrauber der Streitkräfte abgeschossen und mindestens zwei Soldaten getötet. Die Regierung in Kiew spricht von einem “Anti-Terror-Einsatz” gegen prorussische Aktivisten.

Die Führung in Kiew befürchtet, dass Putin seine Truppen in die Ost-und Südukraine einmarschieren lassen könnte – unter dem Vorwand, russische Bürger oder Interessen dort zu schützen. Ein Mandat für diesen Fall hatte sich der Präsident bereits vom Parlament geben lassen. Allerdings hatte er betont, er hoffe, von dieser Vollmacht nicht Gebrauch machen zu müssen.

Russland wendet sich an OSZE

Die russische Regierung wandte sich wegen der Gefechte auch an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die OSZE solle Maßnahmen ergreifen, “um diesen Vergeltungsangriff zu beenden”, sagte der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin der Nachrichtenagentur ITAR-TASS. Russland wandte sich seinen Angaben zufolge an OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier und den Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter, der derzeit Vorsitzender der OSZE ist.

Freilassung der Beobachter gefordert

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Burkhalter forderten die bedingungslose Freilassung des OSZE-Teams, das seit einer Woche im Osten der Ukraine festgehalten wird. Dies verlautete nach einem Treffen der beiden am Freitag in Bern. In dem Gespräch ging es nach Teilnehmerangaben auch um Möglichkeiten, die Arbeit der OSZE-Mission in der Ukraine zu stärken. Details wurden zunächst keine bekannt.

Die OSZE-Militärbeobachter werden seit Freitag vergangener Woche von prorussischen Milizen in der Stadt Slawjansk festgehalten. Nach Darstellung der Milizen wurden die Beobachter mit dem Beginn der neuesten Offensive ukrainischer Truppen an einen unbekannten Ort gebracht.

Mit den gefangen genommenen OSZE-Militärbeobachtern in der Ostukraine gab es am Freitag einen Kontakt. Weitere Einzelheiten gab ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin nicht bekannt. Unter den sieben Mitgledern des OSZE-Einsatzes sind vier Deutsche. Sie wurden von prorussischen Separatisten als Geiseln genommen.

NATO schickt Kriegsschiffe ins Baltikum

Angesichts der Spannungen mit Russland wegen der Krise in der Ukraine hat die NATO fünf Kriegsschiffe nach Litauen verlegt. Der litauische Verteidigungsminister Juozas Olekas begrüßte am Freitag die vier Minenräumboote und ein Versorgungsschiff bei ihrer Ankunft im Hafen von Klaipeda.

Die Schiffe stammen aus Belgien, Estland, den Niederlanden und Norwegen und sollen später in Lettland an einer Minenräumübung teilnehmen. Olekas sagte einer Nachrichtenagentur, die Schiffe seien “ein weiteres Zeichen der Einheit und Solidarität der NATO”.

Olekas nannte die verstärkte Präsenz des transatlantischen Verteidigungsbündnisses eine “Abschreckungsmaßnahme” gegenüber Russland, das seit Wochen rund 40.000 Soldaten an der Ostgrenze der Ukraine stationiert hat. Die NATO erklärte vergangene Woche, die Entsendung der Flotteneinheit zeige die Unterstützung der Allianz für die “Sicherheit der baltischen Mitgliedsstaaten”. Wegen ihrer historischen Erfahrungen mit ihrem großen Nachbarn im Osten sind die Balten besonders beunruhigt über die jüngsten Entwicklungen.

Die Sowjetunion hatte die drei baltischen Staaten im Zweiten Weltkrieg besetzt und annektiert. Erst 1991 wurden Lettland, Litauen und Estland wieder unabhängig. 2004 traten sie der Europäischen Union und der NATO bei. Insbesondere in Lettland und Litauen gibt es eine bedeutende russische Minderheit. Die US-Armee verlegte jüngst 600 Soldaten in die baltischen Staaten und nach Polen, zudem entsandten Großbritannien, Frankreich und Dänemark Kampfflugzeuge zur Luftraumüberwachung im Auftrag der NATO.

(APA)

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