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Vom Stachel zur braven Regierungstruppe: Der Wandel der Wiener Grünen

Bei den Wiener Grünen hat sich unter Maria Vassilakou einiges geändert.
Bei den Wiener Grünen hat sich unter Maria Vassilakou einiges geändert. ©APA/Herbert Neubauer
Seitdem die Grünen in Wien in Regierungsverantwortung stehen hat sich bei der Truppe von Spitzenkandidatin Maria Vassilakou einiges verändert.
Vassilakou: Rücktritt bei Verlusten

Lange galten die Wiener Grünen als zerstritten und chaotisch: Unter Spitzenkandidatin Maria Vassilakou haben sich jedoch nicht nur “Fundis” und “Realos” – zumindest nach außen hin – versöhnt, sondern man übernahm 2010 auch erstmals Regierungsverantwortung in der Bundeshauptstadt. Die rot-grüne Koalition wird nicht nur von Bundessprecherin Eva Glawischnig immer wieder als Vorbild bezeichnet.

“Man bringe den Spitzwein!”, waren die erlösenden Worte 2010, mit denen Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) die rot-grüne Zusammenarbeit besiegelte. Er streite lieber mit den Grünen über die eine oder andere Straße als mit der ÖVP jeden Tag über Bildungspolitik, meinte das Stadtoberhaupt damals und legte damit den Grundstein für die allererste rot-grüne Koalition sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Vorangegangen war dieser der Verlust der roten Absoluten sowie ein Stimmenanteil von 12,64 Prozent und damit ein Verlust von fast zwei Prozentpunkten für die Grünen – ein Ergebnis, das Vassilakou später selbst als bescheiden bezeichnete.

Einig, aber ruhiger

Grundsätzlich bleiben die Grünen, denen in der Bundeshauptstadt gerne großes Potential beschieden wird, häufig unter den Erwartungen. Im Jahr 2010 sorgten etwa interne Querelen, die fleißig an die Öffentlichkeit getragen wurden, in der Josefstadt sowie in Mariahilf für Unruhen und schließlich sogar Abspaltungen. Unter anderem deshalb könnte es nach dem besten Wien-Ergebnis im Jahr 2005 (14,63 Prozent) wieder abwärtsgegangen sein. Generell ist es der Defacto-Parteichefin allerdings gelungen, die nicht immer vor Harmonie strotzende Landesgruppe zu einen. Von “Fundis” und “Realos” ist auf Wiener Landesebene kaum mehr die Rede.

Kurze aufbrodelnde Streitgerüchte – etwa nach der Debatte um das Wiener Wahlrecht – wurden sofort im Keim erstickt. Vassilakou und Klubchef David Ellensohn zeigten demonstrative Einigkeit. Der fliegende Wechsel des grünen Abgeordneten Şenol Akkılıç zur SPÖ, um ein neues Wahlrecht zu verhindern, war sicherlich auch einer jener Momente, die die Koalition am stärksten strapaziert haben. Ansonsten ist man jedoch von der durchaus sehr aktiven Opposition zum fast braven Regierungsjuniorpartner geworden. Kritische Worte in Richtung SPÖ gab es bis zur Wahlrechtsdebatte nur selten. Je näher der Wahltermin rückt, desto lauter werden sie allerdings: So protestierte man etwa gegen die Vorreihung von Wienern im Gemeindebau oder – kürzlich – die Übernahme des Compress Verlags durch die Wien Holding.

Neuer Fokus bei den Themen

Aus den fünf gemeinsamen Jahren hat man aber auch viel Positives – und Öffentlichkeitswirksames – vorzuweisen: Neben dem Symbolprojekt Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße etwa auch die 365-Euro-Jahreskarte, das Parkpickerl oder die Wiener Ampelpärchen, die rund um den Song Contest für Schlagzeilen sorgten. Die klassisch grünen Kernthemen wie Umwelt kommen inzwischen kaum mehr vor, auch im heurigen Wahlkampf setzt man derzeit lieber auf die Themen Bildung und leistbares Wohnen.

Kinder sind Kinder, egal woher. Ich schlage daher vor, dass die in Wien aufgenommenen Flüchtlingskinder wie alle anderen in Not geratenen Wiener Kinder vom Jugendamt betreut werden.

Posted by Maria Vassilakou on Donnerstag, 27. August 2015

Galten die Wiener Grünen früher als wahrscheinlich wichtigste Landesgruppe, haben die anderen Bundesländer inzwischen aufgeholt. Inzwischen gibt es in Vorarlberg, Tirol und Salzburg Koalitionen mit der ÖVP, in Salzburg mithilfe des Team Stronach. In Salzburg verzeichnete man bei den Landtagswahlen 2013 den Rekordwert von 20,18 Prozent der Stimmen, in Vorarlberg waren es 2014 immerhin 17,14 Prozent. In Oberösterreich und Kärnten ist man Teil eines Arbeitsübereinkommens mit der ÖVP bzw. den Großparteien.

Aufwärtstrend prognostiziert

Immer noch wird Basisdemokratie bei den Grünen groß geschrieben: Einfache Landesversammlungen können bis weit in den Abend dauern, wenn Diskussionen zu Themen wie Wahlwerbung per Heliumluftballon losbrechen. Auch die Liste der Grünen wird von der Parteibasis bestimmt – was heuer unter anderem Gemeinderäte Klaus Werner-Lobo und Şenol Akkılıç ihre fixen Listenplätze kostete. So ausgeprägt wie in den frühen Jahren ist die Streitkultur jedoch nicht mehr – begann die Wiener Grüne Geschichte Ende der 1970er- beziehungsweise Anfrage der 1980er-Jahre doch praktisch gespalten: Die Alternative Liste Österreichs (ALÖ) konkurrierte mit den eher bürgerlichen Vereinten Grünen Österreichs, im Laufe der Jahre spalteten sich beide Fraktionen noch weiter. Noch vor der Wahl 2005 machten die Grünen gerne mit “Flügelkämpfen” und überraschenden Listenwahlen Schlagzeilen, Vassilakou sitzt seit 2004 jedoch recht fest und unwidersprochen im Sattel.

1987 scheiterten die Grünen noch knapp, erst die Landtagswahl 1991 brachte den Einzug in den Gemeinderat und den Landtag mit 9,08 Prozent der Stimmen und sieben Mandaten. Nach einem kurzen Einbruch 1996 ging es dann bis 2005 bergauf, 2001 hatte man die Zehn-Prozent-Marke bereits deutlich übersprungen. Glaubt man den Meinungsforschern, hat die Regierungsverantwortung der vergangenen fünf Jahre den Grünen genutzt: Für die Wien-Wahl am 11. Oktober wird der Truppe unter Vassilakou momentan wieder ein leichter Aufwärtstrend prognostiziert.

>> Alle Informationen zur Wien-Wahl 2015 finden Sie in unserem Themen-Special

(APA, Red.)

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