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Vier Jahre Haft für Ernst Strasser

Strasser war nach dem Schuldspruch sichtlich erschüttert.
Strasser war nach dem Schuldspruch sichtlich erschüttert. ©APA
Der frühere Innenminister Ernst Strasser (V) ist am Montag wegen Bestechlichkeit (§304 StGB) zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt worden.
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Die Anwendung einer elektronischen Fußfessel ist damit angesichts des hohen Strafmaßes ebenso ausgeschlossen wie eine teilbedingte Haftstrafe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Tatbestand der Bestechlichkeit “eindeutig erfüllt”

Für den Schöffensenat war der Tatbestand der Bestechlichkeit “ganz eindeutig erfüllt”. Es stehe “ohne Zweifel fest”, dass Ernst Strasser bei den Gesprächen mit den als Lobbyisten getarnten Enthüllungsjournalisten Claire Newell und Jonathan Calvert vom 11. November und 3. Dezember 2010 “eine monetäre Leistung von 100.000 Euro Jahresgage für die Einflussnahme auf die Gesetzgebung im EU-Parlament” gefordert habe, stellte Richter Georg Olschak in der ausführlichen Urteilsbegründung fest, der Strasser mit versteinerter Miene folgte.

Richter: Strassers Ausrede “abenteuerlich”

Strassers Behauptung, er habe die Journalisten für Geheimdienst-Agenten gehalten und sie bzw. ihre Hintermänner aufdecken wollen, zählte Olschak “wohl zum Abenteuerlichsten, was mir in meiner 20-jährigen Erfahrung untergekommen ist”. Und weiter: “Sie werden in Österreich kein Gericht finden, das dieser Verantwortung glauben wird.”

Vielmehr habe Strasser die Journalisten “tatsächlich für Angestellte einer Lobbyingfirma gehalten” und in seiner Funktion als Abgeordneter des Europäischen Parlaments “cash for law” betrieben, führte Olschak aus.

Teilbedingte Strafe komme nicht in Frage

“Wenn die Korruption ganz oben beginnt, besteht für die Justiz Handlungsbedarf”, hob der Vorsitzende des Schöffensenats hervor. Insofern sei für Ernst Strasser eine Strafe, die eine teilbedingte Strafnachsicht oder eine Fußfessel möglich mache, “ausgeschlossen”.

Bei der Strafbemessung hatte der Senat aus formaljuristischen Gründen den englischen und nicht den heimischen Strafrahmen für Bestechlichkeit heranzuziehen, demzufolge eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren möglich gewesen wäre.

Direkt an Ernst Strasser gewandt, bemerkte Richter Georg Olschak: “Es hat in der Zweiten Republik in Österreich wenig Personen gegeben, die dem Ansehen der Republik so geschadet haben wie Sie in der gegenständlichen Causa”. Zur verhängten Strafe führte Richter Georg Olschak aus: “Es muss einen Unterschied machen, ob ein kleiner Gemeinderat eines Kuhdorfs sich für eine Baubewilligung, die vielleicht fünf Personen betrifft, bestechen lässt oder ein Mitglied des Europäischen Parlaments cash for law nimmt.”

“Neue, unverschämte Offenheit”

Korruption oder Freunderlwirtschaft seien keine Neuerscheinung, gab Richter Georg Olschak zu bedenken: “Was neu ist, ist diese Offenkundigkeit, diese unverschämte Offenheit, mit der sie praktiziert wird.” Die Justiz müsse “aufzeigen, dass sie gewillt und in der Lage ist, dagegen vorzugehen”, verwies Olschak auf die aus seiner Sicht erwünschte generalpräventive Wirkung des Urteils.

Früher sei Korruption “hinter verschlossenen Türen in Hinterzimmern von Konditoreien” betrieben worden, meinte er wohl in Anspielung an den berüchtigten “Club 45” von Udo Proksch, der im Demel getagt hatte. “Heute werden Firmen gegründet, die Lobbying betreiben. Lobbyisten geben sich in der Lobby im Europäischen Parlament offenbar die Klinke in die Hand und merken gar nicht, auf welch schmalem Grat sie sich bewegen. Um diese Gratwanderung aufzuzeigen, bedarf es dieses Urteils”, legte Olschak dar.

Abschreckende Signalwirkung sei “notwendig”

Es sei “notwendig”, über Ernst Strasser “eine Strafe zu verhängen, die eine abschreckende Wirkung auf mögliche Nachahmungstäter hat. Und davon gibt es wohl einige”, spielte Olschak auf anhängige Strafverfahren gegen zahlreiche weitere ehemalige und noch aktive Politiker des Landes an.

Verteidigung geht in Berufung

Sollte das Urteil in Rechtskraft erwachsen, müsste der ehemalige Innenminister also für volle vier Jahre ins Gefängnis. Verteidiger Thomas Kralik meldete unmittelbar nach der Urteilsverkündung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Abgesehen davon waren weder Strasser noch sein Anwalt zu einer öffentlichen Stellungnahme bereit. Staatsanwältin Alexandra Maruna gab vorerst keine Erklärung ab.

Vorerst keine Reaktion von ÖVP-EU-Mandataren

Vorerst keine Reaktion gab es Montagnachmittag seitens der ÖVP-Europaabgeordneten zur Verurteilung ihres früheren Delegationschefs Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren unbedingter Haft. Auf Anfrage der APA hieß es vor Beginn der Sitzung des EU-Parlaments in Straßburg, der Nachfolger von Strasser, Othmar Karas, werde sich nicht äußern.

Dies sei auch Linie für die anderen EU-Mandatare der ÖVP. Der SPÖ-Delegationschef im EU-Parlament, Jörg Leichtfried, hielt den Strafrahmen von vier Jahren für angemessen. “Meines Wissens war der Strafrahmen bis zu 10 Jahre” möglich gewesen. Generell zeigte sich Leichtfried erfreut, dass die “österreichische Justiz funktioniert, unabhängig davon wer angeklagt wird. Das ist durchaus positiv”.

Wahrscheinlich sei in dem Urteil auch ein “sehr hoher generalpräventiver Aspekt” mit eingeflossen, “was sicher bei dieser eher laxen Handhabung der Dinge nicht schadet”. Die Frage sei nun, wie die Instanzen entscheiden. Man habe schon beim Ersturteil gegen Uwe Scheuch gesehen, dass dies dann eher abgeschwächt werde. Aber “das kann man hier nicht vorhersagen”. (APA)

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