In dem am Donnerstag veröffentlichten Prüfbeschluss formulieren die Verfassungsrichter grundlegende datenschutzrechtliche Bedenken: Offenbar würden gesetzliche Grundlagen für den Eingriff in den Datenschutz – durch Speicherung des Kfz-Kennzeichens – fehlen, ist die vorläufige Auffassung der Verfassungsrichter.
Beschwerde eines Autofahrers
Den Anstoß zur so genannten “amtswegigen Gesetzesprüfung” gab die Beschwerde eines Autofahrers, der wegen Schnellfahrens im Wiener Kaisermühlen-Tunnel bestraft wurde.
Amtswegige Prüfungen enden meistens – seit 2001 fast zu 90 Prozent – mit einer zumindest teilweisen Aufhebung des beanstandeten Gesetzes.
Gesetzeslücke Datenspeicherung
Die im Prüfbeschluss geäußerten Bedenken des VfGH betreffen einen grundlegenden Mangel: Die beiden Paragrafen zur Section Control – Par. 100 Straßenverkehrsordnung und 134 Kraftfahrzeuggesetz – würden es offenbar ermöglichen, dass die Daten sämtlicher Verkehrsteilnehmer, die die jeweilige Wegstrecke befahren – unabhängig von der Begehung einer Verwaltungsübertretung – ermittelt werden.
Nicht geregelt haben dürfte der Gesetzgeber aber, was mit den … ermittelten Daten geschieht.
Nach dem Datenschutzgesetz habe jedermann Anspruch auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten – die bei der Section Control-Geschwindigkeits-Messung in Form des Kfz-Kennzeichens erfasst werden.
Beschränkt werden könne dieses Grundrecht nur auf Grund von Gesetzen, in denen die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten konkretisiert und begrenzt werden.
Dies ist nach der vorläufigen Auffassung des VfGH nicht der Fall.
Der Beschwerdeführer hatte auch argumentiert, die Section Control sei unsachlich, weil die Geschwindigkeitsübertretung nur auf Basis der Fahrzeit geschätzt und damit nach einer Durchschnitts-Betrachtung bestraft werde. Darauf gehen die Verfassungsrichter in ihrem Prüfbeschluss nicht ein.
Wann eine Entscheidung vorliegen wird, kann man noch nicht sagen. Aber: Derzeit geplant ist, nach Durchführung des Vorverfahrens in der Dezember-Session eine öffentliche Verhandlung zur Section Control anzusetzen.
Drei Strecken in Österreich, eine in Wien
Die gesetzlichen Grundlagen für die Messung der Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer bestimmten Strecke zur Überwachung des Fahrtempos wurde 2002 geschaffen. Neben dem Kaisermühlentunnel auf der Donauuferautobahn (A22) gibt es zwei weitere Section Control-Zonen in Österreich, den Wechselabschnitt auf der Südautobahn (A2) und im Liesertal auf der Tauern-Autobahn (A 10).
ÖAMTC: Kein Freibrief für Schnellfahrer
Auch wenn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschlossen hat, die gesetzlichen Regelungen zur Section Control zu prüfen, gibt es deshalb keinen Freibrief für Schnellfahrer, erklärte ÖAMTC-Chefjurist Hugo Haupfleisch am Donnerstag. Die Hoffnung auf Rückerstattung bereits bezahlter Strafverfügungen sei genauso Illusion wie die Annahme eines Aus für solche Anlagen.
Selbst wenn das Höchstgericht im Spätherbst 2006 die entsprechenden Bestimmungen in Straßenverkehrsordnung und Kraftfahrgesetz aufheben sollte, sei davon auszugehen, dass der Regierung eine Frist von mindestens einem Jahr zur Reparatur der beiden Gesetzesstellen eingeräumt wird, so Haupfleisch: Die Frage datenschutzrechtlicher Verarbeitung und Verwendung hat jedenfalls keinen Einfluss auf die Strafbarkeit von Geschwindigkeitsübertretungen, die durch Section Control festgestellt worden sind.