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Vergewaltigung „erfunden“: zu Unrecht in Haft

Mehr als fünf Monate lang saß ein 41-jähriger Wiener unter dem Vorwurf der Vergewaltigung in U-Haft.

Zu Unrecht, wie sich in seinem Prozess herausstellte: Das angebliche Opfer, eine 25 Jahre alte Frau, zog im Zeugenstand die Anschuldigungen zurück, der Angeklagte wurde rechtskräftig freigesprochen. Er hat nun eine Klage gegen die Republik Österreich eingebracht, mit der er für die in seinen Augen rechtswidrige Freiheitsentziehung eine Haftentschädigung von 50.000 Euro verlangt.

Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Wien ein Verfahren in die Wege geleitet, das zumindest auf den ersten Blick ein „schiefes Licht“ auf jenes Frauenhaus wirft, an das sich die 25-Jährige gewandt hatte: Diese behauptet nämlich, sie habe ihre Angaben schon viel früher und nicht erst bei ihrem Zeugenauftritt richtig stellen wollen, sei jedoch vom betreffenden Frauenhaus daran gehindert worden.

„Das ist so sicher nicht gewesen!“, stellte dazu Andrea Brem, die Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser, im Gespräch mit der APA fest. „Für die mit dem Fall befasste Mitarbeiterin, eine langjährige, erfahrene Kollegin, war nie der Eindruck gegeben, die Frau könnte das erfunden haben. Wir würden niemals wollen, dass jemand zu Unrecht in Haft kommt“, betonte Brem.

Fakt ist, dass die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf eine mögliche Beeinflussung der Zeugin unter der Geschäftszahl 9 UT 2225/06x polizeiliche Ermittlungen angeordnet hat. Sobald diese abgeschlossen sind – intern ist dafür spätestens der 20. Februar vorgesehen – , wird die Anklagebehörde über die Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen entscheiden, die sich dann möglicherweise auf eine Person konkretisieren lassen. Derzeit sind die Ermittlungen gegen „unbekannte Täter“ gerichtet.

Der 41-Jährige und die jüngere Frau hatten einander im Februar 2005 als Patienten im Otto-Wagner-Spital kennen gelernt. Beide haben mit erheblichen psychischen Problemen zu kämpfen, die Frau leidet laut einem psychiatrischen Gutachten an einer Borderline-Störung. Als nach ihm auch sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, zog sie bei ihm ein, „da sie nicht allein sein wollte und krank war“, wie dem Gerichtsakt zu entnehmen ist.

In weiterer Folge verschlechterte sich das Verhältnis, die Frau zog aus der Wohnung aus und nahm Kontakt zu einem Frauenhaus auf. Schon zuvor hatte sie Anzeige erstattet. Der Mann habe sie mehrfach zum Beischlaf gezwungen, gab sie zu Protokoll. Anfangs habe sie freiwillig mit ihm Sex gehabt, seit Mai 2005 habe er jedoch ihren Widerstand mit Gewalt gebrochen. Der vorbestrafte Mann wanderte umgehend in U-Haft.

Vor Gericht beteuerte er seine Schuldlosigkeit. Er habe nach dem Ende der Beziehung vom angeblichen Opfer SMS bekommen, wonach sie ohne ihn nicht leben könne. Der Auftritt der 25-Jährigen im Zeugenstand verlief dann überraschend: Sie gab offen zu, die Vorwürfe „aus Wut“ erhoben zu haben. In ihrem Einvernahmeprotokoll ist Folgendes zu lesen: “Ä…Ü Und dann hat er gesagt, er geht jetzt auch, es reicht ihm und er will nichts mehr wissen von mir. Deshalb habe ich diese Anschuldigungen erhoben, weil ich gedacht habe, dass er dann nicht mehr geht. Ich wollte aber sicher nicht, dass er in Haft kommt. Ich habe auch den Betreuerinnen im Frauenhaus gesagt, dass das alles nicht stimmt, dass das alles eine Lüge war. Sie haben mir aber nicht geglaubt und sie haben gesagt, ich will ihn nur in Schutz nehmen.“

Nach Angaben der Frau sollen ihr „Schwierigkeiten“ angedroht worden sein, sollte sie bei Gericht ihre Angaben revidieren: „Ich habe einen sechsjährigen Sohn, und die vom Frauenhaus haben mir gesagt, ich werde meinen Sohn nicht mehr sehen, wenn ich jetzt etwas anderes sage.“ Im Vorfeld der Verhandlung habe man ihr verboten, mit dem Gericht in Kontakt zu treten, obwohl das ihr dringender Wunsch gewesen sei: „Ich kann damit nicht leben, dass jemand unschuldig in Haft ist.“

Die Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser weist diese Darstellung zurück. Es habe sich um „eine schwierige Klientin“ gehandelt, die Betreuung sei „nicht ganz einfach“ gewesen, so Andrea Brem gegenüber der APA. Sie schloss nicht aus, „dass ein Gespräch über die Rechtsfolgen stattgefunden hat“, wobei das Frauenhaus aber keine Indizien für die Haltlosigkeit der belastenden Angaben der 25-Jährigen gehabt habe. Vor allem bei der Betreuung psychisch auffälliger Klientinnen sei man „sicher niemals manipulativ“, versicherte Brem.

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