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Venedig kämpft im Hochwasser um den Markusdom

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Eine einmalige Kombination aus Scirocco-Wind und heftigen Niederschlägen hat in Venedig ein Hochwasser ausgelöst, das in der Nacht auf Mittwoch auf den höchsten Stand seit mehr als 50 Jahren gestiegen ist.
Hochwasser in Venedig
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80 Prozent der Lagunenstadt waren überschwemmt, das Wasser drang in die Markusbasilika ein, prächtige Paläste wurden überschwemmt. Venedig rief Touristen auf, nicht "aus Neugierde" zu kommen.

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Von "apokalyptischer Zerstörung" sprach der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, der zusammen mit Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro eine erste Bilanz der Überschwemmungen mit zwei Todesopfern zog. Bei den Toten handelt es sich um einen Pensionisten, der auf der Insel Pellestrina von einem Stromschlag getötet wurde, als er versuchte, eine Wasserpumpe in Betrieb zu setzen. Ein zweiter Einwohner Pellestrinas wurde ebenfalls tot in seiner Wohnung aufgefunden. Hier wurde allerdings nicht ausgeschlossen, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.

Conte: "Dramatische Lage"

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte besuchte am Mittwochabend die überschwemmte Markusbasilika. Conte kam in die Lagunenstadt, um sich ein Bild der Situation nach den schweren Überschwemmungen zu machen. Der Regierungschef sprach von einer "dramatischen Lage" in Venedig. Der Regierungschef kündigte für Donnerstag eine Ministerratssitzung an, bei der die Regierung Finanzierungen zur Behebung der schweren Schäden in Venedig beschließen will.

Stromausfälle wurden in mehreren Teilen Venedigs gemeldet, auch bei den Telekommunikationsverbindungen kam es zu erheblichen Problemen. Schulen und Kindergärten wurden am Mittwoch geschlossen. Wegen des starken Sturms zerschellten Boote in den engen Kanälen, viele Gondeln waren schwer beschädigt. Bei den Verbindungen mit den Vaporetti, den Wasserbussen in Venedig, kam es zu erheblichen Problemen. Die Küstenwache musste mehreren Personen und Booten Hilfe leisten. Bürgermeister Brugnaro bezifferte die Schäden auf "Hunderte Millionen Euro".

Höchster Wasserstand seit 1966

Kurz vor Mitternacht stieg das Wasser - durch starken Wind - auf 187 cm über dem Meeresspiegel. Das sei der höchste Wert seit der verheerenden Überschwemmung im Jahr 1966, als 194 cm erreicht wurden, teilte die Kommune mit. Bürgermeister Brugnaro prüfte in der Nacht auf Mittwoch an Bord eines Polizeiboots die Lage. Der Markusplatz in der UNESCO-Welterbestadt war vollkommen überflutet. "Das sind die Folgen des Klimawandels. Wir bitten die Regierung in Rom, uns zu unterstützen", sagte der Stadtchef.

Mehrere Kunstschätze beschädigt

Die "Acqua alta", wie das Hochwasser in Venedig genannt wird, beschädigte mehrere Kunstschätze der Stadt. Nachdem Eindringen des Wassers in die Markusbasilika wurden Schäden am Mauerwerk festgestellt. Das Wasser drang auch in die Krypta ein. "Wir waren einen Schritt vor der Apokalypse", meinte Domprokurator Pierpaolo Campostrini, der für die Basilika zuständige Ingenieur.

Mobile Schotten wurden aufgestellt, um zu verhindern, dass das Wasser in die Kapelle Zen gelangen könne, in der sich Bilder-Zyklen rund um die Legende des Heiligen Markus befinden. Gefährdet sind die Mosaiken, sowie die Marmorböden und die Holzstrukturen, die die Basilika schmücken. Wertvolle Gegenstände in der Basilika wurden in Sicherheit gebracht. Eine Taskforce des Kulturministeriums prüfte am Mittwoch die von dem Hochwasser verursachte Überschwemmung. Der Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia, berichtete von "strukturellen Schäden" im Dom.

Das Hochwasser in Venedig traf auch ein Symbol der venezianischen Kultur. Das Wasser drang in einige Teile des Fenice-Theaters ein. Die Stromversorgung und das Brandmeldesystem funktionierten nicht, berichtete Intendant Fortunato Ortombina. Mit Wasserpumpen wurde versucht, die überschwemmten Räume vom Wasser zu befreien. Die für Mittwoch geplanten Proben für die Saisoneröffnung mit Giuseppe Verdis "Don Carlo" wurden abgesagt. "Die Herausforderung für unser Theater und für die Stadt Venedig ist es, die Saison planmäßig am 24. November öffnen zu können", sagte Ortombina nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Wasser drang in die Stromkästen ein, was zu Kurzschlüssen führte. Im Museum Ca´ Pesaro kam es deswegen zu einem Brand.

Gespenstische Atmosphäre

Touristen mit hohen Gummistiefeln wateten indes über den Markusplatz und machten Selfies. Die Atmosphäre, die sich ihnen bot, war gespenstisch. Die traditionsreichen Cafes, Modeshops und Souvenirläden rund um den Markusplatz blieben am Mittwoch geschlossen. Geschlossen waren auch Schulen und Kindergärten. Die Gemeinde rief Touristen auf, nicht "aus Neugierde" nach Venedig zu kommen, da die Lagunenstadt schwer belastet sei. "Bleibt zu Hause. Kommt nicht in die Stadt aus Neugierde. Venedig ist in die Knie gezwungen", schrieb das Gemeinderatmitglied Paola Marra.

Präsident Sergio Mattarella telefonierte mit Venedigs Bürgermeister, um sich über die Lage in der Stadt zu erkundigen. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani erklärte, er sei dabei, die EU um Unterstützung zu bitten: "Wir prüfen nach Möglichkeiten, um dem schwer betroffenen Raum von Venedig aktiv unter die Arme zu greifen."

Bürgermeister Brugnaro forderte von der Regierung, dass die Bauarbeiten für das mobile Dammsystem MOSE zum Schutz der Stadt vor Hochwasser zu Ende gebaut werde. Nur so könne man die von Entvölkerung belasteten Stadt eine Zukunft sichern. "Einige Menschen haben hier alles verloren. Das Ansehen Italiens steht auf dem Spiel, denn Venedig ist ein Juwel und die schönste Stadt der Welt", sagte der Bürgermeister.

Unwetter auch in Kroatien

Auch die kroatische Adriaküste ist am Dienstag vom schwersten Unwetter dieses Jahres heimgesucht worden. Viele Küstenstädte von Istrien bis Dalmatien wurden nach starken Regenfällen und somit gestiegener Meeresspiegel überschwemmt. In Split drang Meerwasser in der Nacht auf Mittwoch in die Kellerräume des als Weltkulturerbe geschützten Diokletianpalastes ein, berichteten kroatische Medien.

Starke Sturmböen führten zu Problemen entlang der gesamten Küste. Gefallene Bäume behinderten den Straßenverkehr, zerstörten parkende Autos und Stromleitungen. Der Schiffsverkehr zwischen dem Festland und den Inseln musste vorläufig eingestellt werden, viele Trajekt-, Katamaran- und Bootslinien waren auch am Mittwoch außer Betrieb. Es gab keine Berichten über Verletzte.

(APA/dpa/ag.)

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