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Van der Bellen muss eingreifen

©APA/HANS PUNZ
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Auseinandersetzung zwischen dem türkisen Bund und dem roten Wien wird unerbittlich. Wenn das nach der Wahl nicht gestoppt wird, drohen katastrophale Folgen.

Unmittelbar vor der Gemeinderatswahl am Sonntag hat die türkis-rote Auseinandersetzung einen neuen Höhepunkt erreicht: Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) teilte mit, dass die Stadt aus dem Corona-Krisenstab des Innenministeriums aussteige. Man fühle sich gefoppt und gemobbt, so Hacker sinngemäß. Das Ressort soll demnach beispielsweise Zahlen verbreiten, die die Stadt noch schlechter dastehen lassen als sie ohnehin schon dasteht – und die noch dazu falsch seien. Gemeint ist wohl die Statistik, wonach nur noch wenige Kontakte von Infizierten nachverfolgt werden sollen. Die „Kronenzeitung“ berichtete darüber. Ein Sprecher hatte dies umgehend, aber vergeblich zurückgewiesen.

Die Geschichte passt zu den Angriffen auf Wien, die ÖVP-Innenminister Karl Nehammer vor dem Sommer eröffnet hat. Sie erinnern sich: Nehammer versuchte schon damals herauszuarbeiten, dass die Stadt die Pandemie nicht unter Kontrolle habe. Und dass er selbst daher als großer Retter einschreiten müsse. Das war insofern durchschaubar, als die Zahlen seinerzeit geradezu harmlos waren. Soll heißen, Nehammer hat hier einfach nur Wien-Bashing im Sinne der türkisen Wahlkampfstrategie betrieben.

Heute muss man wirklich fragen, was die Stadtregierung falsch gemacht hat. Die Zahlen sind viel zu hoch und steigen noch dazu immer weiter an. Ein Grund: Man hat die vergangenen Monate nicht dazu genützt, sich auf einen harten Herbst vorzubereiten. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gestand das indirekt ein, als er im September verkündete, noch schnell 1000 Leute fürs Krisenmanagement einzustellen. Das ist wie bei einer Berufsfeuerwehr, die bei einem Großbrand feststellt, dass sie zu wenig Mitarbeiter hat; bis sie neue engagiert hat, ist es zu spät für diesen Einsatz.

Die Coronakrise und dieses türkis-rote Duell stellen die Gemeinderatswahl am Sonntag in ihren Schatten. Wobei sich ÖVP und SPÖ natürlich im Sinne des Wählermobilisierung aneinander reiben. Aber nicht nur: Zwischen Nehammer und Hacker geht es ebenso um tiefsitzende, persönliche Animositäten, wie zwischen zu vielen Türkisen und Roten darüber hinaus.

Das wäre die Stunde des Bundespräsidenten: Wir befinden uns in der größten Krise seit Jahrzehnten. Tausende Menschen haben ihren Job verloren und wenn es so weiter geht, dann werden es noch viel mehr. Unzählige stürzen in Armut. Ganz besonders in Wien, wo die Probleme großstadtbedingt größer sind als im übrigen Österreich.

Wenn hier der türkise Bund und das rote Wien besinnungslos gegeneinander vorgehen, dann kann das katastrophale Folgen haben. Also wäre Alexander Van der Bellen als oberster Volksvertreter und Repräsentant des Staates gefordert, unmittelbar nach der Gemeinderatswahl einzuschreiten. Klar, ein Machtwort kann er nicht sprechen. Dazu fehlt es ihm an Durchsetzungsmöglichkeiten. Kraft seines Amtes könnte er den Ernst der Lage jedoch so deutlich machen, dass er von einer Mehrheit erkannt wird - das würde die beiden Streitparteien unter Druck setzen, sich endlich zusammenzureißen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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