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Urban Krippenspiel – wer will mitspielen?

Jeder hat so seine Vorstellung von Weihnachten
Jeder hat so seine Vorstellung von Weihnachten ©Kail-urban
Weihnachten ist prinzipiell eine tolle Zeit. Liebe, Tradition, Geschenke und das Christkind stehen am Programm. Das ist so schon ziemlich viel. Für manche zu viel. Aber es gibt Hilfe!

Tradition ist gefragt. Geschenke sind erwünscht. Liebe soll die Herzen erfüllen. Der Christbaum soll nicht brennen.  Alle sollen glücklich sein und natürlich zufrieden. Das wünscht sich die Gesellschaft die Hedi Oma oder Susi Tante von Weihnachten. Das kann man sich aber auch selber wünschen, boykottieren, fliehen  oder ganz toll finden und mitmachen. Letzteres kann auch problemlos gelingen, ganz bestimmt sogar! Also es gibt Jahre, in denen Weihnachten ein Höhepunkt des Jahres ist (mit oder ohne Geschenke),  in denen Geborgenheit und Respekt alles überstrahlen. Eine innere Wärme entsteht. Das ist Weihnachten. Ich bin jetzt fast 37 Jahre alt und  war an circa 32 Weihnachten aktiv beteiligt (die fünf Weihnachten davor kenne ich zwar aus Fotoalben, kann mich aber beim Besten Willen daran nicht erinnern).Also ich habe 32 Mal die unterschiedlichsten und (un)möglichsten  Weihnachts-Konstellationen erlebt.  Ich hatte prinzipiell immer schöne Feiern – der Christbaum stand auf jeden Fall nie in Flammen, schon gar nicht wenn  es mal keinen gab.  Wie schön Weihnachten letztendlich wurde, daran erinnere ich mich genau, das hing immer davon ab, wie sehr Weihnachten in mir selber war.  Es soll ein Fest der Liebe und Wärme sein, doch oft steht die eigene Erwartungshaltung einem im Weg. Oft kommt der Druck noch dazu nicht nur von Innen, sondern von Außen und allen Seiten.  Meine Gedanken sind da vor allem bei Frauen und Männern mit PartnerInnen, die ein oder vielleicht sogar mehrere Kinder in die Beziehung bringen. Eine tolle Sache und alles ist mit Respekt, Verständnis und Liebe theoretisch zu schaukeln. Auch Weihnachten. Einfach ist es, wenn unterm Jahr die Möglichkeit gegeben war sich auszusprechen, von einander zu lernen und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Wenn nicht?  Dann kann Weihnachten zur Gedulds- und Zerreißprobe für alle Beteiligten werden. Dann kann „singen oder nicht singen“, „Geschenke oder kein Geschenke“, „Karpfen oder Würstel“,  „Mitternachtsmette oder Eierlikör“ das ganze System und sich selbst ins Wanken bringen. Da helfen dann keine schlauen Sprüche à la „expect less, give more“ (gib mehr , erwarte weniger von deinen Mitmenschen).

Patchworkfamilien & Weihnachten

Da geht es dann ans Eingemachte.  Ein Weihnachtsspecial muß man sich als Mitglied einer so genannten „Patchworkfamilie“ gar nicht wünschen, das kommt ganz von alleine auf einen zu. Denn unterm Jahr ist es durchaus möglich gewissen Situationen aus dem Weg zu gehen. Dann kommt Weihnachten. Jedes Jahr am 24. Dezember. Die Überraschung sitzt. Der Druck steigt. Das kann einem schon mal zu viel werden. Doch hier gibt es verschiedene Strategien. Eine wäre: Flucht. Draußen in der Kälte stehen ist aber in den wenigsten Fällen ein abendfüllendes Programm. Und weil ich in diesem Fall keine Expertin bin, hab ich einer Internetplattform einfach einen Brief (also nicht ans Christkind, sondern an Coaches, Psychotherapeuten, Mediatoren etc. …) geschickt, mit der Frage, wie denn vor allem in „Patchworkfamilien“  mit dem Thema Weihnachten umgegangen werden kann, welche Probleme entstehen könnten oder sich durch dieses Fest zeigen können.  

Bei der Recherche bin ich auf die Internetplattform: www.bestHELP.at gestoßen. Über tausend ExpertInnen können hier theoretisch erreicht werden. Man schreibt einfach einen Text mit seinen Sorgen, Nöten, Fragen, skizziert also die eigne Situation, schickt diese anonym an www.bestHELP.at ;und innerhalb von 24 Stunde antworten ExpertInnen aus der Wohnumgebung (falls man diese angegeben hat).  Die Profis antworten kostenlos. Am Ende jeder Antwort steht die Mail Adresse des jeweiligen Experten und so kann bei Interesse oder Bedarf ein weiterführendes  Gespräch vereinbart werden. Erst dann entsteht der persönliche Kontakt.  Will man es bei der einmaligen Frage belassen, kann man die Antwort noch bewerten und bekommt dann keine weiteren Verständigungen mehr.

Hier ein sehr ausführliche Antwort, die ich erhalten habe. Vielen Dank an Ulrike Orso (Mediatorin) und die anderen ExpertInnen, die mir für diesen Artikel geantwortete haben! Natürlich ist auch die folgende Antwort „nur“ als Denkansätze zu verstehen, erhebt  keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, denn jede Familiensituation ist komplex und vielschichtig… Danke an dieser Stelle nochmals an www.bestHELP.at!

Alles Liebe Euch allen und Frohe Weihnachten!

Regina

 

Ulrike Orso (Dipl. Mediatorin, u.a. auf www.bestHELP.at) zum Thema Patchworkfamilien und Weihnachten:

1 – allgemeingültige ‘Verhaltensregeln’ gibt es keine  

Menschen sind so unterschiedliche wie die Situationen in denen sie leben, demnach kann es nur Anregungen geben die jeder für sich individuell befolgen kann oder eben nicht, oder derjenige ein Regelwerk so seinen Möglichkeiten anpaßt, so dass es für ihn selbst lebbar wird. Alles was mit ‘du musst, du sollst, du kannst doch nicht,…’ einhergeht ist eigentlich zum Scheitern verurteilt, weil es den Menschen als Individuum nicht gerecht wird. Nachdem wir alle den Weg des geringsten Widerstandes gehen, ist alles was von außen kommt und und nicht in unser Wesen integrierbar ist, zu schwierig um danach zu leben. 

2 – der Schlüssel dazu, ob die Zeit um Weihnachten herum gelingt, ob ‘Patchwork’ als

Familiensituation, generell gelingt oder nicht, ist meiner Meinung nach, im Umgang mit den Kindern zu suchen. Wie wurde und wird den Kindern die Elter-Paar-Beziehung vermittelt, wie wird ihnen vermittelt warum Mama und Papa jetzt nicht mehr beisammen leben. Eltern bleiben sie ein Leben lang – aber das Ehepaar gibt es nicht mehr – was ist jetzt los? – es besteht ein großer Unsicherheitsfaktor im Leben eines Kindes. Kinder können gut mit diesen neuen Lebensanforderungen umgehen, wenn sie gezeigt bekommen, wie es funktionieren kann und nicht im ‘Ungewissen’ gelassen werden, denn spüren tun sie auf jeden Fall, daß etwas nicht stimmt, sie wissen nur nicht was. Es ist nicht die Angelegenheit der Eltern es ist die Angelegenheit der Familie mit den Kindern, die halt nur das Paar betrifft.

Wie steht der ‘verlassene’ Ehepartner dem neuen Partner gegenüber? Auch eine Frage, wie gehe ich vor den Kindern mit den eigenen Verletzungen um? Was will ich, das die Kinder lernen von mir?

Kinder nehmen alles um sich herum auf, sie lernen indem sie vorgelebt bekommen wie Leben funktioniert, sie lernen in jeder Minute. Auf alles, wofür sie in ihrem Leben noch keine Erfahrung sammeln haben können, auch keine Schlüsse ziehen haben können, reagieren sie in ihrer ureigensten Form, dem Alter entsprechend, mit Rückzug, mit Zorn, mit Trotz. Es ist also für das Kind schon schwierig genug die eigenen Gefühle auszudrücken und mit ihnen so umzugehen, wie es für es selbst am ‘besten’ ist. Wenn ihm dann vorgelebt wird wie Mama und Papa jetzt miteinander umgehen, obwohl sie bis vor kurzem noch liebevolle Eltern waren, kann man sich vorstellen, daß die Gefühlswelt eines Kindes aus den Fugen gerät. Es ist hin-und-her-gerissen zwischen dem was es empfindet für jeden Elternteil und dem was es sieht, was ihre Eltern einander antun. Erschwerend kommt noch dazu, wenn die Eltern einander gegenseitig, vor dem Kind, schlecht machen und der dazugekommene neue Partner entsprechend feindlich in die Familie aufgenommen wird. zur veränderten Elternbeziehung gehört dieser Partner jetzt allemal dazu.

Das Kind will den ‘neuen’ Partner nicht und sieht ihn als Eindringling. Nicht drängeln. Manche Kinder gehen in den Beobachterstatus, wollen sehen wie es funktioniert ob sie auch gemocht werden, wenn sie nicht brav sind. Wollen Anerkennung und Fürsorge auch wenn sie selbst derzeit nichts geben können sondern sogar abblocken. Vertrauen aufzubauen ist eine große Herausforderung und eine Prüfung in Geduld. Das Kind sein lassen, einbeziehen, aber nicht drängen, obwohl es tut als wäre es nicht da und obwohl es sich von seiner schlimmsten Seite zeigt. Langsam, wenn es merkt, so ist es schön, da möchte ich dabei sein, kommt es von selbst in die neue Beziehung dazu und wird dann sehr dankbar sein.

Also: am besten funktioniert Patchwork, meiner Meinung nach, wenn Kinder in die anstehenden Veränderungen miteinbezogen und sie in die Planung der Feiertage und Ferien eingebunden werden. Je besser die Eltern miteinander reden können (den Kindern zu liebe), je besser sie ihnen – über ihren ureigenen, persönlichen Schmerz hinaus – vorleben, dass sie immer noch Eltern sind, bleiben und jederzeit für ihre gemeinsamen Kinder da sind, um so besser können auch Kinder mit diesen Situationen umgehen. Nahezu problemlos akzeptieren sie unterschiedliche Orte und fühlen sich dort wohl wo auch immer ein Elternteil lebt, der ihnen Aufmerksamkeit, Sicherheit und Geborgenheit schenkt.

Es kann vorkommen, daß die Kinder ganz unterschiedliche Lebenssituationen in den jeweiligen getrennten Wohnungen haben und selbst das stellt kein Problem dar, wenn mit ihnen gesprochen wird dass da und dort unterschiedliche Regeln gelten. Auch die Eltern sollten gegenseitig davon wissen und es akzeptieren können. Man muß nicht mögen was der andere tut, aber man kann es akzeptieren – lernen.

Wenn sich der nachfolgende Partner behutsam in die kleine Familie eingliedert, ohne in Besitz nehmen zu wollen, funktioniert auch das. Alles gehört kommuniziert, aber nicht zerredet, vor allem sollen aus Mücken keine Elefanten gemacht werden, aus Sorge Kinderseelen zu verletzen, Kinder können eine ganze Menge aushalten nur keine Ungwissheit und Heimlichkeiten.

Klare Aussagen, klare Wünsche und besonders die klare Feststellung, daß der neue Lebenspartner für einen Selbst ganz besonders wichtig ist, und man will, daß er freundlich aufgenommen wird. Daß er sich verdient, kennengelernt zu werden, daß er als Mensch in jeder Weise wert ist angenommen zu werden, auch wenn man noch mißtrauisch ist. Wenn die Kinder spüren, welche Bedeutung der neue Partner hat, können sie besser damit umgehen, als wenn Mutter oder Vater unsicher sind, wie sie es den Kindern erklären sollen, dass da wieder jemand ist. Aussagen solcher Art können zu unterschiedlichsten Zeiten als ‘Spaltwerkzeug’ herangezogen werden.

Für die Erwachsenen stellt sich das Problem, wie sie selbst, in ihrer Kindheit, gelernt haben mit
ihren Problemen, umzugehen. Es wird vielfach nicht daran gedacht, daß sie durch ihr Verhalten den Grundstein dafür legen, wie ihre Kinder als Erwachsene sein werden.
Wieviel Geborgenheit sie bekommen haben und weiter geben können, wie viel Anerkennung und Wertschätzung ihnen und anderen Menschen gegenüber zuteil wurde und wie sie selbst, im
Erwachsenenleben, auch Respekt und Anerkennung weiter geben können.

3 – Natürlich kann jeder sagen wie und wo er Weihnachten verbringen will. Gegen die eigenen Wünsche zu handeln hängt viel öfter mit den eigenen Ansprüchen zusammen, als mit Außenansprüchen.
Man spürt die Erwartungen und befolgt sie obwohl man sich gar nicht sicher sein kann, ob die gespürten Erwartungen überhaupt mit der Realität zu tun haben, oder ob sie nicht doch eine Frage der Interpretation waren.
Eine vorsichte Frage, ein vorsichtiger Hinweis darauf was man gerne tun möchte hat noch nie jemanden verletzt. Verletzen kann man mit Überrumpelungen mit Meinungsänderungen oder schlechter Laune, weil man wieder einmal nachgegeben hat, obwohl es einem zuwider war.

Das Gefühl, das man es gerade an diesen Tagen allen recht machen und ‘mit aller Gewalt’ friedlich sein möchte, verursacht innerpersonell einen heiden Streß, der sich im unpassendsten Augenblick entlädt, da reicht ein kleiner Vorfall und die Weihnachtsstimmung ist im Eimer. Lieber früh genug zurückziehen, wenn man glaubt der Situation nicht gewachsen zu sein.
Manchmal denkt man auch, jetzt zu den Feiertagen ergibt sich sicher eine Gelegenheit dieses ‘heiße’  Thema …. anzusprechen. Möglicherweise hat man Zeit und Gelegenheit, aber es wird immer der falsche Augenblick sein, wenn nicht vorher darüber gesprochen wurde, daß diese spezielle Zeit, für dieses Thema, genutzt werden soll. Während einer Einladung, zwischen Tür und Angel, in der Küche – wo auch immer – es sind falscher Ort, falsche Zeit und falsches Thema.

Für schwierige Themen braucht man viel Zeit, schon alleine um überhaupt anfangen zu können, jede Art der der Überrumpelung wird als ‘Überfall’ empfunden. Wenn das Thema auch noch entsprechend emotionsgeladen ist, wäre es eine Überlegung wert, selbst auf die Gesprächsführung zu verzichten – überbordende Emotionen sind keine guten Ratgeber, wenn man allen Beteiligten gerecht werden will – und diese Rolle einem Fachmann für Konflikt, für das Lösen von Meinungsverschiedenheiten und dem Vorbeugen von Missverständissen, zu übergeben.

and now to something completely different: Der Misery Bear ; ) Ich finde das Video cool gemacht und auch die Botschaft sehr rührend… http://www.youtube.com/watch?v=zrYShIOki70

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