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URBAN Christkinder – oder Weihnachtsmänner?

Regina Kail-Urban hat zwei Wiener Weihnachtsmänner getroffen
Regina Kail-Urban hat zwei Wiener Weihnachtsmänner getroffen ©Regina Kail-Urban
Warum kann nicht das ganze Jahr Weihnachten sein? Ich habe zwei Männer zum Interview getroffen, die ganz ohne Kostüm als Weihnachtsmänner durchgehen  und irgendwie auch als Christkind. Denn sie basteln Gratiscomputer und verschenk sie. Warum und an wen? Hier:

 Die besten Begegnungen sind die, die unerwartet und scheinbar zufällig geschehen. Beim letzten Masseurbesuch erzählt mir der Mann zwischen Massageöl und Duftkerzen von einem Freund, der sich der guten Sache verschrieben hat. Drei Tage später hab ich genau diesen  Freund  getroffen und er hat seinen Kollegen gleich mitgebracht. Um so besser. Zwei Männer, zweimal gute Sache.

Interview: Computer für den guten Zweck

Das Interview. Ich sitze also in einem Café im 18. Bezirk und lasse mir von den beiden erzählen, warum für sie das ganze Jahr Weihnachten ist.

Dietmar Klement und Harald Dittrich beschenken Menschen. Seit zwei Jahren bringen sie Computer, die keiner mehr braucht in einen 1a Zustand und dann? Dann geben sie sie weiter!  

Wie und warum machen das die beiden Herren? Die Idee ist einfach und effizient. Herr Klement und Herr Dittrich sind u.a. Computerfachleute und machen in ihrer Freizeit das, was sie am besten können. Sie basteln neue Computer. Banken, Unternehmen, wie dem ORF oder  private Personen geben ihre „alten“ Computer an Klement und Dittrich ab. Dann wird gemeinsam fachkundig geschraubt und gewerkt. Die funktionstüchtigen neuen Rechner gehen dann an Menschen, deren finanzielle Möglichkeiten nicht ausreichen um sich selbst oder ihren Kindern einen PC samt allen Raffinessen zu kaufen. „Es kann einfach nicht sein, dass Menschen nur deshalb nicht an der Gesellschaft teilnehmen können, weil sie keinen Computer haben“, sagt Herr Klement, sein Freund Harald Dittrich nickt unterstützend.

Vor allem in der Weihnachtszeit haben die beiden Hochbetrieb in ihrer Werkstatt. „Jeder wünscht sich einen Laptop, aber die wachsen nicht auf den Bäumen!“  Die Werkstatt im 21. Wiener Gemeindebezirk ist pump voll, Klement und Dittrich sind fleißige Sammler, das dokumentieren die Fotos, die sie mitgebracht haben . Herr Klement: „Das ist wie ein Hobby, wir sammeln halt nicht Briefmarken, sondern Computer und geben sie weiter.“

Ob er ein Gutmensch sei, frage ich ihn? „Ein zufriedener Mensch“, seine prompte Antwort.

Herr Klement, der nach eigenen Angaben von „reich bis arm“ in seinem Leben schon alles war, hat ein gutes Gespür. „Leute, die bei uns anrufen und glauben sie bekommen einen gratis Computer, den sie dann weiter verkaufen können, die erkenn ich sofort. Das ist nicht der Sinn der Übung.“ Menschen, die bedürftig sind, an der Armutsgrenze leben, alleinstehende Mütter und Väter sind die zukünftigen, glücklichen Besitzer der stundenlangen Bastelarbeiten. So erklären mir beide Männer  weiter: “Die Kunden kommen vorbei , sind vorher von uns oder auf der Homepage über die Modalitäten informiert worden.“  Dann ist der Ablauf immer derselbe: Gespräch, Auswahl, Übergabe. Und dann kann zu Hause am neuen Teil gesurft, getippt, gechattet und gearbeitet werden.  Die große Welt steht plötzlich offen, durch die Fähigkeiten und den Einsatz der beiden Herren können Barrieren überwunden werden. Ich gebe zu, das bewegt mich – sehr.  Auf PCs, die keiner mehr gebraucht hat, aber so sehr gebraucht werden, kann Neues entstehen.

Genau das ist auch ihr Antrieb, Bewegung in eine Situation zu bringen. Ihr Vehikel sind die Computer. Die Energie sieht man den Herren um die 50 (schätze ich vorsichtig…) an. Die brauchen sie auch  – denn „nur“ mit dem Zusammentragen der Komponenten und dem Zusammenbauen ist es lange nicht getan. Spender, Lager, die Homepage,  die Kunden alle und alles muss betreut werden.  Vom Kaffee machen, bis zum Aufkehren im Lager geht die To-do- Liste. Und  mit Tipps und Tricks den neuen Besitzern zur Seite zu stehen? „Klar, versteht sich von selbst.“ Geräte testen, die ganze Logistik und quer durch Österreich fahren machen die Arbeit erst komplett.  Der hohe Qualitätsanspruch macht das „Geschenk“ perfekt: „Bei uns kommt keine Hard Disc rein, die nicht zu 98% in Ordnung ist“, sagt Herr Klement  stolz. Bis jetzt war noch nix,  jeder ist zufrieden. „Oh ja, einmal. Unsere erste Kundin, ein Mädchen, hatte einen Virus am Computer.“ Spät abends läutete das Telefon in der hektischen Werkstatt – nach einer halben Stunde gemeinsamen Tüftelns  waren alle wieder glücklich…

CEOs vom Weihnachtsmann

Ich stelle mir während des Interviews  die beiden in ihrer Werkstatt vor. Wie zwei Weihnachtsmänner oder die CEOs vom Weihnachtsmann?  Herr Klement lässt meine Blase originell platzen. Denn seine Eigendefinition lautet: MFA. MFA? Mädchen für alles….Auch lieb!

Nach dem Motto Kaffee und Computer wird  in ihrem Office also dafür gewerkt, dass Menschen zueinander gebracht werden können. „Wir lernen auch viel“, wirft sein Freund- in-gemeinsamer-Mission ein „also da kommen schon manchmal Eltern mit ihren Knirpsen vorbei, die wissen oft mehr als wir.“ Die Computerexperten schmunzeln.

Dass die beiden ganz nebenbei  im Wiener Armutsnetzwerk engagiert sind , überrascht mich auch nicht – bei der Begeisterung Gutes zu tun, die mir da in zweifacher Ausführung gegenüber sitz. Das ist eine gute Sache denk ich mir. Und freu mich, dass ich in diesem Jahr das Christkind – ok den Weihnachtsmann – ok zweimal „Mädchen für alles“ – in Echt getroffen habe.

Übrigens: Was sich die beiden zu Weihnachten wünschen? Herr Dittrich: „Einen Osterhasen“  und Herr Klement: “ Zeit.“

Frohe Weihnachten allen!

Regina

Hier der Link zur Homepage zu Herrn Dittrich und Klement und den Gratiscomputern: www.socius.at 

Das Wiener Armutsnetzwerk  http://www.wienerarmutsnetzwerk.at/

and now to something completely different:  ein bisschen Musik kann nie schaden: unbelievably good – enjoy!

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