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Uraufführung begeistert

Das als Konzertsaal schon erprobte neue Bregenzer Festspielhaus hat sich nun auch als Opern- und Ballettbühne glänzend bewährt.  

Edgar Allan Poe (1809-1849) hat wohl jedes Schulkind fasziniert. Wobei die Faszination am Gruseln davon abhing, ob die Lehrer (oder wer sonst die dunklen Geschichten offerierte) reichlich Düsternis in die Stimme legen konnten. Will man die Worte vertonen, was der französische Komponist Claude Debussy (1862Ö1918) begann, hat man den Instrumenten also Spannung abzuverlangen.

Vollendet hat er das Werk „Der Untergang des Hauses Usher“ nicht, das oblag nun dem englischen Musikwissenschaftler Robert Orledge. Und damit es ein abendfüllender Stoff wird, mit dem David Pountney als Intendant der Bregenzer Festspiele von der spaßigen „Kulturparty“ abweicht, die er etwa im Vorjahr mit „Maskerade“ ausrief, mussten noch zwei Ballette hinzugefügt werden.

„Jeux“ und „Pr-lude ì lÑapres midi dÑun faune“ erzählen jetzt immer noch von einem Spiel und vom erwachenden Trieb. Die Dinge sind aber anders gelagert. Regisseurin Phyllida Lloyd macht Ernst mit der Geschichte um Roderick Usher, den es als letzten Spross einer Familie in den Wahnsinn treibt. Ball spielen mit den Gleichaltrigen will der Jüngling nicht, er sehnt sich nach der Umarmung der Schwester, enthält dieser damit eine „normale“ Beziehung zu einem Mann vor und sieht sich in seinem Drang aber auch vom Hausarzt konkurrenziert. Und der dunkle Unhold treibt das Mädchen gleich in die Gruft. Noch lebendig, wie das bei Poe gerne der Fall ist. Der Untergang des Hauses (von Ausstatter Richard Hudson in musealen Vitrinen gut akzentuiert) ist besiegelt . . . Ein kohlrabenschwarzes Finale.

Heftiger Applaus

Das Publikum hält kurz inne und applaudiert. Auch Buben, die nicht Ball spielen, haben – wie sich gestern Abend bei der Uraufführung im Bregenzer Festspielhaus zeigte – enorme Anziehungskraft.

Nachvollziehbar, die Tänzer des Royal Ballet London (vor allem Steven McRae, aber auch Leanne Benjamin, Gary Avis und Johannes Stepanek) bewältigen die moderat moderne Handlungs-Choreographie von Kim Brandstrup souverän. Und die Wiener Symphoniker unter Lawrence Foster legen sich beim puren Debussy noch ordentlich ins Zeug. Satt und dann wieder filigran tönt es und so soll es sein. Das streckenweise rekonstruierte, um 1917 entstandene Hauptwerk des Abends braucht da nicht nahtlos anzuschließen, haben wir es nun doch eher mit vielschichtiger, doch kompakt überarbeiteter Schauspielmusik zu tun, die durchaus akzeptabel in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaufweist – dem Orchester am Premierenabend aber die Lockerheit raubt.

Spannung zu erzeugen ist Schwerarbeit. Derart zu merken braucht man das als Zuhörer aber nicht.

Tolle Titelpartie

Scott Hendricks (der auch noch eine Rolle beim „Troubadour“ am See innehat) lässt davon nichts spüren. Gut geführt, sehr voluminös und variabel ist die Stimme, etwas eindimensional das Spiel. Dafür ist aber die Regie verantwortlich, die auch den Doktor (John Graham-Hall singt ihn schön grell) zur oft gesehenen Stummfilmfigur begradigt. Es fehlen nur noch die langen Nägel – und schon stünde Nosferatu auf der Bühne. Man kann auch in die Klischeefalle tappen. Beim Freund (Nicholas Cavallier) passiert es nicht. Nicht darstellerisch und im Gesangsquartett sowieso nicht, das noch Katia Pellegrino mit der kleinen Rolle der Madeline komplettiert.

Vorläufig bleibt der „Untergang des Hauses Usher“ eine Exklusiv-Angelegenheit von Bregenz. Keine Frage, ins Repertoire gelangt so ein Stück nicht, das Publikum goutiert aber zunehmend totale Raritäten. Und das mag auch heißen, dass Pountney mit seiner Wahl (auch wenn er für 2007 vor hat, Brittens Literatur-Oper „Tod in Venedig“ anzubieten) zwar viel riskiert, aber richtig liegt.

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