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Untergrund wird Hochsicherheitstrakt

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Revierinspektor Michael Willvonseder öffnet den „Stern“ am Karlsplatz. Ein metallenes Tortenstück nach dem anderen wird aufgeklappt. Stufen führen in die ewige Finsternis, direkt in die Eingeweide Wiens.

In der Ferne klappert ein Kanaldeckel, im Dunkeln rauscht Wasser. Schritte und Wortfetzen hallen durch die schmalen Gänge. Bis zum Eintreffen von US-Präsident George W. Bush muss eine Spezialeinheit der Wiener Polizei jeden Winkel des innerstädtischen Abwassersystems nach Waffen und Bomben absuchen.

Nichts ist mehr zu spüren von der Großstadthitze, die oben, an der Erdoberfläche, die Menschen ins Schwitzen bringt. Es ist angenehm kühl und feucht. Der Geruch ist gewöhnungsbedürftig, aber nicht unerträglich. Schmale Lichtkegel huschen durch die Stollen.

„Es gibt Kanäle, die sind so niedrig, da müssen wir durchrobben“, erzählt Willvonseder. Hüfthohe Gummistiefel tragen die Beamten dann. Genagelte, denn der Boden der Kanalröhren ist meist mit einer Schleimschicht überzogen und deshalb manchmal furchtbar glitschig. Unter besonderer Beobachtung steht der Untergrund vor allem dort, wo die Hauptroute und die Ausweichrouten des US-Präsidenten verlaufen.

„Nach Personen suchen wir eigentlich kaum, nur nach Waffen und Bomben“, so der Revierinspektor mit Kanalausbildung. Gemeinsam mit seinem Team sucht er auch nach verdächtigen Veränderungen in den Kanalwänden. „Es ist ja durchaus möglich, dass ein Terrorist seine Waffen schon vor Monaten eingemauert hat“, entgeht Willvonseder tief unter der Erdoberfläche nichts Ungewöhnliches. Manchmal „reißt“ es aber auch ihn ganz ordentlich, wenn er im Halbdunkeln ohne Vorwarnung auf einen Obdachlosen trifft. „Jaja, das kann schon hie und da vorkommen.“

Obwohl die Spezialbeamten unter Tage um jeden Zentimeter Bewegungsfreiheit kämpfen, müssen sie dennoch einige wichtige Utensilien stets am Körper tragen: Helm, ausreichend Beleuchtung samt Reserveakkus, Pfefferspray, Funkgerät, ein Sauerstoff-Messgerät und Pistole plus Reservemagazine. Auf keinen Fall Langwaffen wie etwa Maschinengewehre. Willvonseder winkt ab: „Mit denen könnten wir auf so engem Raum unmöglich hantieren.“

Alleingänge stehen übrigens nicht am Programm: „Es ist immer eine kleine Gruppe beisammen und hält Kontakt zum so genannten Obermann.“ Dieser geht zu ebener Erd’ genau die Strecke ab, die seine Kollegen unterirdisch zurücklegen und kommuniziert durch die Kanalgitter. Auf Funkverbindungen möchte sich im Ernstfall niemand verlassen.

Revierinspektor Willvonseder ist wieder ans Tageslicht zurückgekehrt. Er kneift die Augen zusammen und klappt die metallenen Tortenstücke des „Sterns“ am Karlsplatz hinunter. Das Wiener Kanalnetz werde grundsätzlich bei jedem Staatsbesuch auf Herz und Nieren bzw. auf Bomben und Waffen gecheckt, sagt er. Doch nur beim US-Präsidenten sei die Suche nach Gefahrenquellen derart arbeits- und personalintensiv. „Naja, er ist halt der am meisten gefährdete Mann der Welt. Er und der Papst.“

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