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UNHCR will Flüchtlingslager als Relikte der Vergangenheit sehen

Die UNHCR setzt sich für Zugang zum Arbeitsmarkt ein.
Die UNHCR setzt sich für Zugang zum Arbeitsmarkt ein. ©pixabay.com (Sujet)
Eine Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt der Aufnahmeländer wünscht sich die Sprecherin des UNHCRs Melissa Fleming.

Die Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) wünscht sich eine Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt der Aufnahmeländer. “Wir wollen Flüchtlingslager als Relikte der Vergangenheit sehen”, sagte sie am Mittwoch im APA-Interview. “Die Menschen sollten sich in den Ländern frei bewegen können und die Möglichkeit haben, Arbeiten zu gehen”, fuhr sie fort.

UNHCR setzt sich für Zugang zum Arbeitsmarkt ein

“Wir würden Flüchtlinge lieber die Möglichkeit geben, zu ihren Aufnahmegemeinschaften etwas beizusteuern und nicht nur von ihnen zu profitieren, sondern dem Arbeitsmarkt und der Wirtschaft mit ihren Fähigkeiten zu helfen”, erklärte Fleming. Dies sei in der Flüchtlingskonvention auch vorgesehen. “Das entspricht auch den Wünschen der Geflüchteten. Wir haben das seit Jahren empfohlen”, erläuterte sie. Die UNHCR setze sich darum gegenüber vielen Regierungen dafür ein, den Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Die nationale Politik der Aufnahmeländer sehe jedoch oft vor, Flüchtlinge in Lager unterzubringen und ihnen Beschränkungen aufzuerlegen, die es ihnen nicht erlaubten, arbeiten zu gehen. “Dies bedeutet, dass die Menschen jahrelang auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, weil ansonsten Schwarzarbeit die einzige Möglichkeit ist”, so die Sprecherin.

“Zum Glück hat Europa 2015 verstanden, dass es in den Staaten des Nahen Ostens, die sehr viele Flüchtlinge aufgenommen haben, nicht ausreicht, diese mit Decken und Zelten zu versorgen, in denen sie in der Wüste das Ende des Krieges abwarten sollen”, sagte Fleming. “Menschen haben Ziele, sie wollen arbeiten und ihre Kinder zur Schule schicken”, fuhr sie fort. Dies habe zu der Erkenntnis geführt, dass man investieren und mit den jeweiligen Regierungen zusammenarbeiten müsse. “In Jordanien gibt es beispielsweise in Zusammenarbeit mit der EU Förderungen für Fabriken, die Flüchtlinge beschäftigen”, berichtete sie.

“Der Globale Pakt für Flüchtlinge, der im Dezember verabschiedet wurde, ist auch ein völlig neuer Entwurf für den Umgang mit Flüchtlingen, der die Eigenständigkeit anstelle der Abhängigkeit der Flüchtlinge vorsieht”, erläuterte Fleming. “Das zieht auch Investitionen in Länder mit Flüchtlingen an. Das ist also eine Win-Win Situation für die Regierungen”, fügte sie hinzu.

Neues Feld: Umgang mit Klimaflüchtlingen

Der Umgang mit Klimaflüchtlingen sei zudem ein völlig neues Feld. “Momentan gibt es diesbezüglich keine internationale Konvention, sondern nur Richtlinien”, hielt die UNHCR-Sprecherin fest. “Der Konsens ist da, dass bestehende Menschenrechtsverträge und -bestimmungen dahin gehend geprüft werden müssen. Zudem muss man dringend in Ländern, deren Bevölkerungen voraussichtlich die Folgen des Klimawandels intensiv zu spüren bekommen werden, Präventivmaßnahmen ergreifen”, unterstrich sie. Mosambik sei bereits vor dem Tropensturm, der enorme Überschwemmungen mit sich brachte, mit Dürre und einer “schweren humanitären Krise” konfrontiert gewesen. “Das Land hat Nahrungsmittelknappheit und eine der höchsten Aids-Raten der Welt. Wenn man das mit einem Zyklon kombiniert, führt das dazu, dass einige Landstriche de facto unbewohnbar werden und tausende Menschen fliehen müssen”, sagte sie.

“Die internationale Gemeinschaft muss jetzt akut helfen, aber es muss auch eine langfristige infrastrukturelle Unterstützung geben, um sicherzustellen, dass Länder wie Mosambik mit den Folgen des voranschreitenden Klimawandels umgehen können”, forderte Fleming. Andernfalls werde es immer mehr Menschen geben, die nicht nur vor Kriegen, sondern auch aus Regionen fliehen, die sie nicht mehr erhalten könnten. Zudem vermischten sich Konflikte oft mit Klimaphänomenen oder würden durch diese ausgelöst.

Fleming: Ansatz mancher Länder “beinahe kolonial”

Die Sprecherin kritisierte zudem den Ansatz reicher Länder gegenüber Flüchtlingen als “beinahe kolonial”: “Es ist für sie in Ordnung, wenn die armen Länder den größten Teil der Flüchtlinge, rund 80 Prozent, aufnehmen müssen. Dabei zollen sie den Ländern nicht viel Anerkennung, investieren nichts und nehmen so ihre Verantwortung nicht wahr”, klagte sie. Die Zahl der Flüchtlinge wachse jedes Jahr. “Wir sind mit immer hässlicherer und verzerrterer politischer Rhetorik gegen Flüchtlinge konfrontiert, mit der Wahlen gewonnen werden sollen”, so Fleming weiter. In einer Zeit, die “mehr Solidarität” brauche, gebe es stattdessen “immer mehr Beschränkungen und den Ruf nach Mauern”.

Positive Entwicklungen sieht die Sprecherin jedoch auf regionaler Ebene und in der Zivilgesellschaft. Auch zeigte sie sich über große Länder wie Äthiopien, “die viele Flüchtlinge aufgenommen haben und sehr fortschrittliche Politik machen”, erfreut. “Mit dem Globalen Pakt für Flüchtlinge haben wir ein Werkzeug, mit dem wir die reichen Staaten daran erinnern können, dass der Umgang mit Flüchtlingen eine gemeinsame Verantwortung ist, die nicht nur von den jeweiligen Nachbarstaaten getragen werden darf”, schloss sie.

(APA/Red)

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