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Ungarn bereitet sich auf Machtwechsel vor

Nach der Mehrheit für die bisherige Opposition aus Sozialisten (MSZP) und Liberale (SZDSZ) bei der Parlamentswahl bereitet sich Ungarn auf einen Machtwechsel vor.

Der Spitzenkandidat der Sozialisten, der parteilose frühere Finanzminister Peter Medgyessy, kündigte in einem Radiointerview schon für Montag den Beginn von Koalitionsverhandlungen mit den Liberalen an. Der bisherige Ministerpräsident Viktor Orban vom konservativen Bund Junger Demokraten (Fidesz) gestand seine Niederlage ein: „Wir beugen uns dem Willen der Mehrheit“. Zugleich kündigte er eine „konstruktive Opposition“ an. Staatspräsident Ferenc Madl versprach eine rasche Regierungsbildung.

Nach der Stichwahl von Sonntag wurde das Bündnis Fidesz-Demokratisches Forum (MDF) mit 188 Mandaten stärkste Partei im neuen Parlament und verfehlte die absolute Mehrheit nur um sechs Sitze. Allerdings erreichte die gemeinsame Opposition um zehn Sitze mehr, weshalb es nun in den nächsten Wochen zum Machtwechsel kommen wird. Dabei entfielen 179 Sitze auf die Sozialisten, 19 auf die Liberalen und einer auf einen gemeinsamen Kandidaten beider Parteien. Bei der letzten Wahl 1998 hatten Fidesz-MDF 163 Sitze, die Sozialisten 134 und die Liberalen 24 erreicht.

Medgyessy wiederholte am Montag sein Versprechen aus dem Wahlkampf, „Ministerpräsident für zehn Millionen Ungarn“ sein zu wollen. Zugleich betonte er unter Rücksicht auf nationale Sensibilitäten, dass er „Verantwortung für 15 Millionen Ungarn“ fühle. Seit dem Vertrag von Trianon 1920 ist das Schicksal der Millionen im Ausland lebenden Ungarn ein nationales Anliegen, dem sich keine Regierung verweigern kann.

Fidesz-Parteichef Zoltan Pokorni kündigte auf einer Pressekonferenz eine „harte und konsequente Oppositionspolitik“ an. Zu den schon in der Wahlnacht aufgetauchten Spekulation, dass Fidesz und MDF im neuen Parlament zwei Fraktionen bilden könnten, wodurch die Sozialisten stärkste Partei im Abgeordnetenhaus würden, sagte MDF-Chefin Ibolya David, eine Entscheidung darüber werde am Freitag fallen. Es gebe dafür aber eine „große Wahrscheinlichkeit“.

Nach früheren Angaben von David könnte das Demokratische Forum im neuen Parlament 24 Abgeordnete stellen und damit problemlos Fraktionsstärke erreichen. Zugleich betonte Pokorni, dass beide Parteien, die auf einer gemeinsamen Liste in die Wahl gegangen waren, eine „einheitliche Opposition“ bilden würden. Werden die Sozialisten stärkste Fraktion, würde das die Regierungsbildung erleichtern.

Das Staatsoberhaupt ernennt nämlich innerhalb von 30 Tagen nach der konstituierenden Sitzung des Parlaments, die wiederum innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl stattfinden muss, einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Dieser muss sich dann dem Parlament zur Abstimmung stellen. Im Gegensatz zu Orban, der mit Fidesz-MDF zwar derzeit den stärksten Block hinter sich hat, verfügt Medgyessy mit den Stimmen von Sozialisten und Liberalen über eine Mehrheit. Schon in der Wahlnacht forderte MSZP-Chef Laszlo Kovacs daher den Regierungsauftrag „für die Mehrheit“.

In seiner Stellungnahme nach der Wahl erklärte Orban: „Wir haben eine Schlacht verloren, aber unser Ziel ist unverändert.“ Um die gemeinsame Sache, „ein bürgerliches Ungarn“, stehe es gut. In der Opposition werde Fidesz alles daran setzten, dessen Interessen zu verteidigen. Der Vorsitzende der Liberalen, Gabor Kuncze, sagte, trotz des knappen Ausgangs habe seine Partei ihre beiden Wahlziele erreicht: „Es gibt eine Mehrheit für den Wechsel, und die Liberalen sind im Parlament.“

Madl rief die Parteien nach dem vor allem von Fidesz überaus hart geführten Wahlkampf zur Versöhnung auf. „Ab jetzt geht es nicht mehr darum, die Wahlen zu gewinnen, sondern unsere gemeinsamen Ziele zu verwirklichen“, erinnerte das Staatsoberhaupt. In diesem Sinne äußerte sich auch Medgyessy, der am Montag betonte, er reiche „allen Parteien die Hand zur Versöhnung“.

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