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Unappetitliches Sittenbild um Geld, Macht, Politik

Der "Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen" zeichnet ein unappetitliches Sittenbild über die Verquickung von Geld, Macht und Politik.
Rosenkranz schloss U-Ausschuss ab

Verdeckte Parteispenden flossen in den Wahlkampf der Regierungsparteien, Vertraute von Ministern verdienten sich bei Privatisierungen und Auftragsvergaben eine goldene Nase und parteinahe Lobbyisten pflegten dubiose Netzwerke. Ein Überblick:

TELEKOM-AFFÄRE

Gleich zum Auftakt lieferte der Ausschuss ein echtes Highlight: Der Chef einer vom BZÖ beschäftigten Werbeagentur gab offen zu, dass die Rechnungen für den Wahlkampf 2006 von der Telekom Austria bezahlt wurden. Der teilstaatliche Konzern entpuppte sich als eine Art “Bankomat der Politik”, denn dubiose Geldflüsse gab es auch in Richtung FPÖ und ÖVP. Insgesamt wurden verdeckte Parteispenden von über 2,3 Mio. Euro ruchbar. Abgewickelt wurden viele Zahlungen über den Lobbyisten Peter Hochegger, auf dessen Payroll auch einzelne Politiker wie der SP-Abgeordnete Kurt Gartlehner standen. Gegen ihn, den früheren Vizekanzler Hubert Gorbach (B) und den Ex-ÖAAB-Generalsekretär und VP-Fraktionsvorsitzenden im Ausschuss, Werner Amon, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Bereits angeklagt wurden Ex-Telekom-Vorstände, die den Börsenkurs des Unternehmens manipuliert haben sollen, um Boni zu erhalten. Ein Schlag ins Wasser war dagegen die Befragung des Milliardärs Martin Schlaff, der zu den umstrittenen Telekom-Ostgeschäften die Aussage verweigerte. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

BUWOG-SKANDAL

Die Buwog-Affäre dreht sich um dubiose Geldflüsse bei der Privatisierung von 58.000 Bundeswohnungen im Jahr 2004. Zum Zug kam die Immofinanz, die nach einem Tipp der Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger 961,28 Mio. Euro bot und den Konkurrenten CA-Immo (960 Mio. Euro) so knapp ausstechen konnte. Meischberger und Hochegger – Vertraute und später Geschäftspartner des für den Deal zuständigen Finanzministers Grasser (ÖVP) – kassierten von der Immofinanz 9,9 Mio. Euro Erfolgsprovision. Grasser bestritt im Ausschuss, Meischberger einen Tipp gegeben zu haben. Allerdings wurde durch die Aussagen u.a. von Grassers Ex-Kabinettschef Heinrich Traumüller klar, dass der damalige Finanzminister (wie übrigens auch andere im Finanzministerium) im Besitz der entsprechenden Informationen war. Für die Staatsanwaltschaft entscheidend wird sein, ob sich Geldflüsse an Grasser nachweisen lassen. Das Ermittlungsverfahren läuft. Es gilt die Unschuldsvermutung.

BLAULICHTFUNK

Bei der Vergabe des Behördenfunknetzes “Tetron” steht ebenfalls Schmiergeldverdacht im Raum. Innenminister Strasser (ÖVP) hatte die Auftragsvergabe an das Mastertalk-Konsortium 2003 storniert, zum Zug kamen Motorola, Alcatel und Telekom Austria. Sie zahlten 4,4 Mio. Euro an den VP-nahen Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly, der Jagdausflüge mit Strassers Mitarbeitern organisierte. Mensdorff leugnete einen Zusammenhang mit Tetron und wies den Schmiergeldverdacht zurück. Telekom-Vorstand Rudolf Fischer bestätigte allerdings, dass die Telekom den Lobbyisten für Leistungen im Zusammenhang mit Tetron bezahlt hatte. Strasser selbst (gegen den in diesem Zusammenhang nicht ermittelt wird) gab an, nichts von unsauberen Vorgängen in seinem Kabinett mitbekommen zu haben.

GLÜCKSSPIELGESETZ

Der Glücksspielkonzern Novomatic wollte 2006 gemeinsam mit der Telekom Austria in das Online-Glücksspiel einsteigen, sie bedienten sich dafür des Lobbyisten-Duos Meischberger und Hochegger. Sie sollten eine Lockerung des Glücksspielmonopols erreichen, die von der schwarz-orangen Koalition dann auch vorbereitet wurde – ohne Information von Platzhirsch Casinos Austria. Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler berichtete im Ausschuss, wie er das Projekt durch Intervention bei der ÖVP im letzten Moment zu Fall bringen konnte. Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer vermutete allerdings, dass das BZÖ nur vom Projekt abrückte, weil die Casinos der Partei 300.000 Euro für eine neun Seiten lange “Studie” über “Responsible Gaming” bezahlten. Gegen den damaligen Parteichef Peter Westenthaler ermittelt die Staatsanwaltschaft Salzburg. Vor den U-Ausschuss geladen wurde er nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.

INSERATEN-AFFÄRE

Kern der “Inseratenaffäre” ist der Vorwurf, Bundeskanzler Faymann (SPÖ) hätte sich in seiner Zeit als Verkehrsminister (2007/08) mit teuren Werbekampagnen die Gunst des Zeitungsboulevards erkauft. Stein des Anstoßes war die Serie “Unsere Bahn”, bei der Faymann in der “Kronen Zeitung” als Ombudsmann für die Probleme der Bahnfahrer auftrat, die letztlich aber von den ÖBB bezahlt wurde. Frühere Mitarbeiter von ÖBB und Asfinag bestätigten im Ausschuss, dass das Faymanns Büro wiederholt ohne Wissen der Unternehmen Werbeaufträge eingefädelt hatte. Ostermayer bestätigte zwar Gespräche mit Zeitungsherausgebern, betonte aber, dass die Inseratenkampagnen stets von den zuständigen Unternehmen beschlossen worden seien. Die Ladung Faymanns wurde von SPÖ und ÖVP verweigert. Gegen ihn und Ostermayer ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien. Es gilt die Unschuldsvermutung.

STAATSBÜRGERSCHAFTEN

Bei diesem Thema gab es keine neuen Erkenntnisse. Zwar wurden insgesamt 176.245 Aktenseiten über die seit 2000 vom Ministerrat vorgenommenen Einbürgerungen im öffentlichen Interesse ans Parlament geliefert, angehört wurden aber nur vier Beamte an einem einzigen Tag. Gerichtsanhängig ist allerdings noch der Vorwurf, zwei russische Geschäftsleute hätten ihre Einbürgerung durch die schwarz-orange Regierung durch Zahlung von fast zwei Mio. Euro auf ein im Auftrag des damaligen Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider angelegtes Konto beschleunigt. Die Russen, ihr Anwalt und Haiders früherer Protokollchef müssen sich dafür wegen Geldwäsche verantworten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

 

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