Prozess gegen Schriftsteller Pamuk vertagt Der Prozess gegen den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk wegen Herabwürdigung des Türkentums ist am Freitag kurz nach Verhandlungsbeginn auf 7. Februar vertagt worden. Der Vorsitzende Richter Metin Aydin erklärte, das Gericht benötige die Erlaubnis des Justizministeriums, um das Verfahren fortsetzen zu können. Das Gesetz, gegen das Pamuk verstoßen haben soll, trat erst im Juni in Kraft, einige Monate nach den betreffenden Äußerungen des Schriftstellers.
Das alte Gesetz verlangte eine Ministererlaubnis für einen Prozess wie jenen gegen Pamuk. Dieser hatte im Februar gegenüber einer Schweizer Zeitung gesagt, auf türkischem Boden seien 30.000 Kurden und eine Million Armenier getötet worden, und keiner außer mir wagt es, darüber zu sprechen. Die Äußerungen wurden von der Staatsanwaltschaft als Beleidigung der Türkischen Republik gemäß Artikel 301 des neuen Strafgesetzbuchs aufgefasst. Mit der Anklage zog sich die Türkei die Kritik von Politikern und Intellektuellen aus zahlreichen Ländern zu. Nach dem Beschluss des Richters muss sich jetzt die Politik mit dem Fall befassen und über eine Fortsetzung des Prozesses entscheiden. Dem türkischen Schriftsteller, der sich mit Büchern wie Rot ist mein Name, Schnee und Istanbul einen Namen gemacht hat, drohen bis zu drei Jahre Haft.
Als Verräter beschimpft
Neben MacShane war rund ein halbes Dutzend anderer Europapolitiker zum Pamuk-Prozess nach Istanbul gereist, darunter der deutsche Grünen-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit und Camiel Eurlings, der Türkei-Berichterstatter im Europaparlament. Eurlings kritisierte, dass die türkische Regierung nichts getan habe, um das Verfahren gegen Pamuk zu verhindern. Damit sei eine Chance vertan worden. Zudem verlangte Eurlings, die Türkei solle den Strafrechtsparagraphen 301 ändern, auf dessen Grundlage Pamuk angeklagt ist. Nach Ansicht der EU schränkt dieser Paragraph die Meinungsfreiheit in der Türkei ein.
Vertagung “normal”
EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte am Donnerstag in Brüssel erklärt, der Prozess werde ein Lackmustest für die Türkei und eine Gelegenheit, einen positiven Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Fälle zu schaffen. Der Prozess gegen einen Schriftsteller, der gewaltfrei eine Meinung ausgedrückt hat, wirft einen Schatten auf die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU, hatte Rehn gesagt.