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Türkis-grünes Gift für Rot und Blau

©APA/ROLAND SCHLAGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Wenn ÖVP und Grüne das "Beste von beiden" auch wirklich umsetzen, haben zumindest zwei Oppositionsparteien nichts zu lachen.

Von der Papierform her schaut die Sache für die Freiheitlichen ja verlockend aus: ÖVP-Chef Sebastian Kurz geht mit den Grünen zusammen, um eine Regierung zu bilden. Seine „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“ muss er dafür aufgeben. Stattdessen rückt er ganz in die Mitte. Das Ergebnis: Den Freiheitlichen bleiben rechte Wähler ganz allein, sodass sie auf Dauer eigentlich nur gewinnen können. Ähnlich, aber mit ganz anderen Vorzeichen, ist es rein theoretisch aus Sicht der Sozialdemokraten: Weil die Grünen an der Seite von Sebastian Kurz ziemlich viel schlucken müssen, was sie bisher abgelehnt haben, werden sehr viele Wähler von ihnen lieber wieder rot werden.

Sowohl für SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner als auch für FPÖ-Obmann Norbert Hofer zeichnet sich in Wirklich jedoch eine frustrierende Wirklichkeit ab. Türkis-Grün wird eher Gift für die beiden. Doch eines nach dem anderen.

Sebastian Kurz hat bei der Regierungsbildung überrascht: Mit den Freiheitlichen ist ihm zwar der Partner für die „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“ abhanden gekommen. Es könnte ihm jedoch gelingen, diese ausgerechnet mit den Grünen fortzusetzen. Grund: Die Grünen geben sich damit zufrieden, Klimaschutz und Korruptionsbekämpfung betreiben zu dürfen. Das sind nicht besonders ideologische Felder. Abgesehen davon soll die Masse trotz Ökologisierung des Steuersystems ohnehin entlastet werden.

Vor allem aber ist die ÖVP seit ihrer Alleinregierung von 1966 bis 1970 nicht mehr so mächtig gewesen auf Bundesebene: Sie stellt sowieso den Kanzler, aber auch den Finanz-, den Innen- und die Verteidigungsministerin. Sie hat quasi das Geld und zusätzlich die Kontrolle über alle Sicherheits- und Migrationsfragen. Und diese Möglichkeiten nützt sie wiederum nicht, um einen Kurs zu verfolgen, der den Grünen gefällt, sondern mit Präventivhaft und Abschiebezentren vielmehr einen, der von den Freiheitlichen stammen könnte. Sprich: Dass sich hunderttausende Ex-FPÖ-Wähler, die Kurz in den vergangenen Jahren gewonnen hat, enttäuscht von ihm abwenden, um zur FPÖ zurückzukehren, ist eher unwahrscheinlich.

Und die SPÖ? Türkis-Grün ist aufgrund dieser Migrationspolitik extrem schmerzlich für Grünen-Wähler. Andererseits: Wenn es den Grünen gelingt, Österreich zum Klimaschutz-Vorreiter in Europa zu machen, wie es von ihrem Sprecher Werner Kogler vermittelt wird, dann ist das ein Trost für diese Leute. Immerhin geht es hier um die größte Herausforderung unsrer Zeit, zu dem die Sozialdemokratie wenig bis gar nichts zu bieten hat.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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