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Türkei will Beziehungen zu Deutschland normalisieren

Außenminister Cavusoglu rechnet mit Entspannung
Außenminister Cavusoglu rechnet mit Entspannung ©APA (AFP)
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu rechnet im neuen Jahr mit einer deutlichen Entspannung im Streit mit Deutschland und will noch im Jänner in die Bundesrepublik reisen.

“Ich denke, dass beide Seiten bereit dazu sind, die Beziehungen zu normalisieren”, sagte Cavusoglu der Deutschen Presse-Agentur in Ankara. “Ich erwarte also ein viel besseres Jahr 2018.”

Er warnte Deutschland allerdings zugleich vor Drohungen gegen sein Land. Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich kürzlich optimistisch über eine Verbesserung des Verhältnisses zu Deutschland geäußert.

Cavusoglu lobte besonders den “guten Dialog” mit seinem deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel, der ihn für Jänner in dessen Heimatort Goslar eingeladen habe. Gabriel sei ein “persönlicher Freund”, mit dem er deswegen aber nicht immer einer Meinung sein müsse. Gabriel hatte Cavusoglu im November in dessen Wahlkreis in Antalya besucht.

Aus Sicht Ankaras gebe es keine Krise mit Berlin, so der türkische Außenminister: “Die Türkei hat kein Problem mit Deutschland. Aber Deutschland hat ein Problem mit der Türkei, und Deutschland lässt keine Gelegenheit aus, die Türkei anzugreifen.” Seine Regierung erwarte von Deutschland, “die Türkei als gleichwertigen Partner zu betrachten”.

Cavusoglu kündigte an: “Wenn Deutschland sich einen Schritt auf uns zubewegt, geht die Türkei zwei Schritte auf Deutschland zu. Das ist keine Schwäche, das kommt von Herzen. Aber wenn Deutschland die Türkei bedroht, wird die Türkei zurückschlagen.”

Cavusoglu sagte, die von ihm und Erdogan im Frühjahr angestellten Nazi-Vergleiche wegen der Auftrittsverbote für türkische Regierungsvertreter in Deutschland und anderen EU-Staaten bereue er nicht. “Was an diesen Tagen geschehen ist, erinnerte uns an das, was während der Nazi-Zeit geschah. Vielleicht ist es nicht einmal während der Nazi-Zeit geschehen. Ich glaube nicht, dass das Nazi-Regime solche Besuche oder Veranstaltungen stoppte.”

Die türkische Regierung hofft nach den Worten des Außenministers auf ein baldiges Verfahren gegen den seit mehr als zehn Monaten inhaftierten “Welt”-Korrespondenten Deniz Yücel. “Auch ich bin nicht sehr glücklich darüber, dass es noch immer keine Anklage gibt”, sagte Cavusoglu. “Aber wir können die Justiz nur dazu ermutigen, den Prozess zu beschleunigen. Das haben wir bereits getan. Aber sie sagen uns, dass es eine sehr komplexe Situation ist und dass die Ermittlungen noch andauern. Deswegen dauert es einige Zeit. Aber das ist nichts Persönliches.” Die Vorwürfe gegen Yücel seien “sehr ernst”.

Yücel sitzt seit Februar wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft und hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Beschwerde eingelegt. Cavusoglu sagte auf die Frage, ob die Türkei Yücel freilassen würde, sollte der EGMR eine solche Entscheidung fällen: “Das liegt natürlich an der Justiz, aber wir haben die Entscheidungen des Gerichts in Straßburg immer umgesetzt.” Er erwarte daher “natürlich” auch eine Umsetzung im Fall Yücel.

Die deutsche Regierung fordert die Freilassung Yücels und anderer Deutscher, weil diese aus Sicht Berlins aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert sind. Cavusoglu wies das zurück. “Wir haben der deutschen Regierung gesagt, dass das nicht wahr ist”, betonte er. “Warum sollten wir diese Menschen ins Gefängnis stecken? Um etwas von Deutschland zu bekommen? Nein.” Dass Gabriel in dem Zusammenhang von “Geiseln” gesprochen hatte, sei “falsche, populistische Terminologie vor einer Wahl” gewesen. Cavusoglu kritisierte die Bedeutung, die dem Fall Yücel in Deutschland beigemessen wird.

Der türkische Außenminister nutzte auch die Gelegenheit, deutsche Touristen trotz der politischen Spannungen zum Urlaub in der Türkei aufzurufen. “Die Türkei ist ein sicheres Land”, sagte Cavusoglu. “Ich möchte unsere deutschen Freunde dazu aufrufen, zurückzukehren und die Urlaube zu genießen, die sie in den vergangenen Jahren genossen haben.”

In der EU ist nach Einschätzung der Regierung in Ankara weiterhin eine Mehrheit der Staaten für einen Beitritt der Türkei. “Es gibt nur wenige Länder wie Deutschland, Österreich und neuerdings Dänemark, die gegen unsere Mitgliedschaft sind”, sagte Außenminister Cavusoglu der dpa in Ankara.

“Wir haben Verhandlungen für eine Vollmitgliedschaft begonnen. Wenn die EU entscheidet, dass sie die Türkei nicht aufnimmt, dann ist das Sache der EU. Aber ich sehe viele Länder, die immer noch für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei sind.”

Cavusoglu betonte, die Türkei strebe weiter eine Vollmitgliedschaft an. Die engere Zusammenarbeit mit Russland sei für die Türkei “keine Alternative zum Westen”. Warnungen, in der Türkei sei die Demokratie in Gefahr, wies der Minister als unbegründet zurück. Er räumte aber ein, dass der Putschversuch und das anschließende Durchgreifen des Staates im Ausnahmezustand “das Bild der Türkei beschädigt” habe.

Der Ausnahmezustand richte sich aber nur gegen Terrororganisationen, sagte der Minister. “Sie können die Türkei nicht wegen des Ausnahmezustands als Diktatur bezeichnen. Die Türkei hält demokratische und faire Wahlen ab, besser als viele andere europäische Länder.” Cavusoglu kündigte an: “Wenn die Dinge wieder normal sind, werden wir den Ausnahmezustand aufheben. Natürlich werden wir zu Reformen zurückkehren.”

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hatte der Funke Mediengruppe vor wenigen Tagen gesagt, er könne sich für die nächsten Jahre die Türkei nicht als Mitglied der EU vorstellen. “Daher müssen wir über alternative Formen einer engeren Zusammenarbeit nachdenken.” EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte im September kritisiert, die Türkei entferne sich von der Rechtsstaatlichkeit. “Das schließt eine Mitgliedschaft der Türkei in absehbarer Zeit aus.” Im Programm der neuen ÖVP-FPÖ-Bundesregierung heißt es zum Thema Türkei: “Keine Zustimmung zu einem EU-Beitritt der Türkei. Verbündete zur Erreichung des endgültigen Abbruchs der EU-Beitrittsverhandlungen zugunsten eines Europäisch-Türkischen Nachbarschaftskonzeptes werden gesucht”.

(APA/dpa)

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