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Toter Bruder von Reinhold Messner gefunden

35 Jahre nach der verhängnisvollen Expedition zum Nanga Parbat im Himalaya könnte das Rätsel um den Tod des Südtiroler Bergsteigers Günther Messner vor einer Lösung stehen. Porträt: Reinhold Messner

Günther ist der jüngere Bruder von Bergsteiger-Legende Reinhold Messner.

Wie am Mittwoch bekannt wurde, hätten Bergsteiger schon vor Wochen an der Diamir-Flanke des 8.125 m hohen Berges die gefrorenen sterblichen Überreste sowie Kleidungsstücke und Ausrüstungsgegenstände eines Alpinisten gefunden, den Reinhold Messner nun als seinen Bruder identifizierte.

Günter Messner war im Juni 1970 nach der erfolgreichen Besteigung des Nanga Parbat über die Rupal-Flanke unter bisher ungeklärten Umständen zu Tode gekommen und bisher vermisst. Er habe die Schuhe und die Jacke seines damals 23 Jahre alten Bruders wiedererkannt, sagte Messner am Mittwoch nach Angaben seines Sprechers in Islamabad. Der Südtiroler Extrembergsteiger, der als erster Mensch alle 14 Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen hat, hält sich in der Region auf und ist zurzeit nicht erreichbar, erfuhr die APA am Mittwoch aus Messners Büro in Meran.

Um die Umstände des Todes von Günther Messner war bereits vor Jahren ein heftiger Streit zwischen Reinhold Messner und ehemaligen Bergkameraden entbrannt. Messner hatte die Kameraden beschuldigt, sie hätten nicht nach ihm und seinem Bruder gesucht, als die beiden nicht plangemäß vom Gipfel des 8.125 Meter hohen Berges zurückkamen. Sie hätten sich nämlich in Folge einer Höhenkrankheit von Günther in Bergnot befunden und seien wegen der Umstände gezwungen worden, über die unbekannte Diamir-Flanke abzusteigen. Günther sei beim Abstieg von einer Eislawine erfasst worden.

Die Kameraden warfen Messner ihrerseits vor, er habe aus purem Ehrgeiz stets vorgehabt, den Nanga Parbat zu “überschreiten“. Eine Überschreitung ist im Bergsteigerjargon ein Gipfelgang über eine Bergseite und ein Abstieg über eine andere Bergflanke – im Fall des Nanga Parbat eine bis dahin, und auch seitdem, einzigartige Unternehmung von höchstem alpinistischem Risiko, weil die Diamir-Flanke im Jahr 1970 noch so gut wie unbekannt war. Messner habe also bewusst das Leben seines kranken und erschöpften Bruders aufs Spiel gesetzt, um sich in Bergsteigerkreisen einen Namen zu machen – Messner stand damals erst am Anfang seiner Karriere.

Nach Ansicht von Messners ehemaligen Bergkameraden habe dieser seinen jüngeren Bruder entweder gleich in Gipfelnähe zurückgelassen – wohl im Glauben, dass eine weitere Seilschaft, die Richtung Gipfel unterwegs war, Günther finden und bergen würde – oder Reinhold habe Günther allein über die extrem gefährliche Rupal-Flanke auf der Aufstiegsroute in Richtung Lager zurückgeschickt, wo er aber niemals ankam.

Die in Vorträgen, Büchern und sogar vor Gericht ausgetragene Polemik um die bis heute unklaren Todesumstände fand 2003 und 2004 neue Höhepunkte, als Reinhold Messner der Öffentlichkeit mitteilte, dass man an der Diamir-Bergflanke des Nanga Parbat einen Knochen gefunden habe, der laut DNA-Analyse zu Günther Messner gehört habe. Der spezielle Fundort diene als Beweis dafür, dass er, Messner, stets die Wahrheit gesagt habe.

Messner-Kritiker Max von Kienlin zweifelte Messners „Beweisführung“ allerdings gründlich an, und es kam zu weiteren medialen Gefechten zwischen den Streitparteien. Von Kienlin, der 2003 ein umstrittenes Buch zur Causa publiziert hatte, blieb bei der Theorie, dass Reinhold den höhenkranken Günther in Gipfelnähe verlassen habe. Der Gletscher könnte in über dreißig Jahren den Leichnam durchaus von ursprünglich 8.000 Metern bis auf 4.300 Meter transportiert haben, wo der Knochen dann gefunden wurde.

Vom Fund der Leiche erwartet sich die Bergsteigerwelt nun weitere Aufschlüsse in dieser „Causa Prima“ der Alpinismus-Geschichte und vielleicht sogar die Lösung eines jahrzehntelang ungeklärten Rätsels.

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