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Tote Ärztin: Wiener Strafrechtlerin Zerbes zum Fall Kellermayr

Die Wiener Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes kritisiert die Strafverfolgungsbehörden nach dem tot der Ärztin Kellermayr.
Die Wiener Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes kritisiert die Strafverfolgungsbehörden nach dem tot der Ärztin Kellermayr. ©APA/FOTOKERSCHI.AT/HANNES
Die Wiener Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes übt im Zusammenhang mit den Ermittlungen nach dem Selbstmord der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr Kritik an den oberösterreichsichen Strafverfolgungsbehörden.
Staatsanwaltschaft Wels ermittelt im Fall Kellermayr

Aus ihrer Sicht war schon mit dem Suizid der Medizinerin am vergangenen Freitag evident, dass eine Zuständigkeit der österreichischen Justiz für Ermittlungen wegen gefährlicher Drohung mit Selbstmordfolge im Sinne des § 107 Abs 3 StGB gegeben ist.

Wiener Strafrechtlerin Zerbes zum Fall der toten Ärztin Kellermayr

Im Gespräch mit der APA ging Zerbes am Freitag noch einen Schritt weiter. Unter Berufung auf Medienberichte, denen zufolge Kellermayr seit vergangenem Herbst von einem deutschen Verdächtigen im Weg der Telekommunikation massiv bedroht wurde, hätte das nach ihrem Dafürhalten bereits ausreichen müssen, um im Inland ein Verfahren wegen beharrlicher Verfolgung nach § 107a StGB einzuleiten: "Indem die Frau seine Textnachrichten, die geeignet waren, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, in Österreich erhalten hat, ist der dafür erforderliche Zwischenerfolg - Kontaktherstellung nach § 107a Abs 2 Z 2 StGB - eingetreten."

Dass die Tathandlungen des Verdächtigen jedenfalls geeignet waren, die Ärztin in ihrer Lebensführung nachhaltig zu beeinträchtigen, "liegt auf der Hand", sagte Zerbes. Infolge der Heftigkeit der verbalen Angriffe wäre auch gar kein besonders langer Tatzeitraum erforderlich gewesen, um gegen den Mann strafrechtlich vorzugehen: "Je schwerwiegender der auf die Betroffene ausgeübte Druck ist, desto weniger häufig und über einen desto kürzeren Zeitraum muss der Täter die einzelnen Kontakte hergestellt haben."

Ärztin Kellermayr erstattete am 22. November 2021 erstmals Anzeige

Die Ärztin hatte am 22. November 2021 erstmals Anzeige erstattet. Da Kellermayr, die sich als Befürworterin der Corona-Maßnahmen und der Schutzimpfung gegen Covid-19 positioniert hatte, weitere Drohungen erhielt, kam es zu weiteren Gesprächen mit Polizeibehörden. Die Strafverfolgungsbehörden in Oberösterreich sahen keine inländische Gerichtsbarkeit gegeben. Am Ende engagierte die Ärztin in Eigenregie einen Sicherheitsdienst für ihre Praxis, die sie sich schließlich zu schließen gezwungen sah.

Kellermayr verganenen Freitag tot in ihrer Praxis aufgefunden

Am vergangenen Freitag wurde Kellermayr dann tot in ihren Praxisräumlichkeiten aufgefunden. Sie hatte Abschiedsbriefe hinterlassen. Zunächst wurde keine Obduktion angeordnet, die Behörden gingen von Suizid aus. Erst auf Wunsch der Angehörigen wurde die Leiche dann doch obduziert. Für Strafrechtsexpertin Zerbes ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die Staatsanwaltschaft Wels ungeachtet des Wohnorts des in Oberbayern ansässigen Drohers nicht sogleich ein Verfahren wegen gefährlicher Drohung eingeleitet hat, sondern die Zuständigkeit vorerst ausschließlich bei den deutschen Behörden sah. Grundsätzlich sei der Tatbestand der gefährlichen Drohung zwar ein so genanntes Tätigkeitsdelikt, das nur an dem Ort begangen wurde, an dem der Täter gehandelt hat. Hat die Drohung aber den Suizid der betroffenen Person zur Folge, ändert sich das, erläuterte Zerbes gegenüber der APA: "Die Drohung, für die in einem solchen Fall ein höherer Strafrahmen vorgesehen wird, ist ein Erfolgsdelikt. Und beim Eintritt dieses Erfolges in Österreich ist nach §§ 62, 67 Abs 2 StGB Inlandszuständigkeit begründet."

Ermittlungen wegen des Verdachts der Beleidigung und Bedrohung

Eine solche erkannte die zuständige Staatsanwaltschaft in Wels erst am heutigen Freitag, eine Woche nachdem sich Kellermayr das Leben genommen hatte. Parallel dazu wird in Deutschland gegen den Verdächtigen wegen Verdachts der Beleidigung und Bedrohung ermittelt. Dass gegen ihn in zwei Ländern wegen derselben Vorgänge Strafverfahren laufen, ist laut Zerbes rechtlich gedeckt. Es wäre sogar zulässig, ihn in Österreich und Deutschland anzuklagen. "Erst ein Urteil hätte im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot Sperrwirkung auf das andere Verfahren", stellte Zerbes klar.

Bei Strafprozess gegen Verdächtigen ist mit Sanktionen zu rechnen

Sollte es in Österreich zu einem Strafprozess gegen den Verdächtigen wegen §107 Abs 3 StGB kommen, müsste er mit einer empfindlichen Sanktion rechnen. Für eine gefährliche Drohung, die zum Selbstmord führt, ist eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorgesehen.

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(APA/Red)

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