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Tödlicher Schulwegunfall in Wien: VCÖ fordert Maßnahmen gegen "toten Winkel"

Ein Neunjähriger wurde in Wien von einem LKW erfasst und tödlich verletzt.
Ein Neunjähriger wurde in Wien von einem LKW erfasst und tödlich verletzt. ©APA/Georg Hochmuth
Nach dem tödlichen Verkehrsunfall in Wien, bei dem ein Kind am Schutzweg von einem LKW erfasst und tödlich verletzt wurde, fordert der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) verstärkte Maßnahmen gegen den "toten Winkel".
LKW erfasst Neunjährigen: Tot

Konkret brauche es eine verpflichtende Nachrüstung mit Abbiegeassistenten und Spiegel, auf EU-Ebene die raschere Umsetzung der Vorgaben für neue Lkw. Beim “toten Winkel” handelt es sich um jenen Bereich rund um Fahrzeuge, der für die Lenker nicht einsehbar ist. Der VCÖ erinnerte daran, dass die Forderung, alte Lkw mit Sicherheitssystemen nachzurüsten, schon seit Jahren besteht, um diesen Bereich möglichst zu reduzieren.

Der Verkehrsclub wies auf die großen Unterschiede zwischen Lkw-Modellen hin: Während manche Lkw tote Winkel von bis zu 1,9 Meter haben, weisen andere fast keine uneinsehbaren Stellen auf. Zudem gebe es bereits Lkw, die ihrem Fahrer einen sicheren Rundumblick ermöglichen.

VCÖ fordert Maßnahmen gegen “toten Winkel”

“Alle Entscheidungsverantwortlichen sind nun gefordert, Maßnahmen zu setzen, damit solche schrecklichen Unfälle in Zukunft nicht mehr passieren”, sagte VCÖ-Experte Markus Gansterer am Freitag in einer Aussendung. Im Vorjahr waren nach vorläufigen Daten Lkw an 14 tödlichen Fußgänger- und Radfahrerunfällen beteiligt.

EU-Verkehrsminister: Änderungen erst ab 2027 beschlossen

Die EU-Verkehrsminister haben zuletzt Änderungen beschlossen, die aber erst für neue Lkw ab dem Jahr 2027 gelten, schrieb der VCÖ. Gansterer forderte jedoch eine raschere Einführung der verbesserten Sicherheitsbestimmungen. In den Städten und Gemeinden seien zudem zusätzliche Maßnahmen nötig, um Ablenkungen zu verhindern. Genannt wurde die Entfernung von Werbetafeln aus Kreuzungsbereichen und die Ausweitung der Halte- und Parkverbote vor Schutzwegen von fünf auf zehn Meter, um die Sicht auf Fußgänger zu verbessern.

“Gerade in den Städten und Gemeinden brauchen wir ein fehlertolerantes Verkehrssystem. Ein menschlicher Fehler darf nicht zu fatalen Folgen führen”, betonte Gansterer. Geringere Geschwindigkeiten und erhöhte Aufmerksamkeit sind dafür wichtig. Darüber hinaus seien gerade in Städten Maßnahmen wichtig, um die Anzahl der Lastwagen durch urbane Logistikmaßnahmen zu reduzieren – das Potenzial dafür sei groß.

Pilotprojekt zum “toten Winkel” läuft noch bis April 2019

Ein Pilotprojekt zur Ausstattung von Bussen und Lkw mit einem System von Rundum-Kameras, das vor Gefahren im “toten Winkel” warnt oder den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug überwacht, läuft noch bis Ende April, hieße es vom Verkehrsministerium am Freitag auf APA-Anfrage. Das im Februar 2017 vorgestellte Projekt war vorerst auf ein Jahr angesetzt gewesen.

Das System der Firma Mobileye mit Hauptsitz in Israel besteht aus einer Frontkamera, die innen an der Windschutzscheibe angebracht ist, und Kameras an den Außenseiten des Fahrzeugs. Die Frontkamera erkennt Kennzeichen, misst den Fahrzeugabstand nach vorne und warnt vor Kollisionen mit anderen Fahrzeugen oder Fußgängern sowie vor dem Verlassen der Spur. Die Informationen werden sowohl in akustische als auch in optische Signale auf einer LED-Anzeige beim Fahrer umgewandelt. Die Kameras an der Seite dienen zur Erkennung von Gefahren im toten Winkel.

Die Livebilder der Kameras bekommt der Fahrer nicht zu sehen, auch gespeichert werden die Aufnahmen aus Datenschutzgründen nicht. Das System zeichnet allerdings die Warnungen an den Fahrer in Verbindung mit GPS-Daten auf.

Nachrüstung älterer LKW-Modelle befürwortet

Bei einem Termin im Oktober vergangenen Jahres wurde die Verlängerung mit den teilnehmenden Firmen und der TU Graz beschlossen. Es soll bei dem Projekt untersucht werden, ob es wie bisher zu einem weiteren Rückgang an Warnungen kommt und gegebenenfalls die Gründe dafür zu ermitteln. Das Institut für Fahrzeugsicherheit der TU führt die wissenschaftliche Auswertung des Projekts durch, wobei die ersten Zwischenergebnisse bei den teilnehmenden 15 Fahrzeugen sehr vielversprechend seien, hieß es aus dem Ministerium.

Klaus Robatsch, Leiter des Forschungsbereichs im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV), befürwortete die Nachrüstung älterer Lkw-Modelle mit Abbiegeassistenten, gab aber zu Bedenken, dass dies den “toten Winkel” nicht auf null reduzieren könne. Ebenso ist nicht gesichert, dass ein solches Warnsystem aufgrund der Reaktionszeit des Fahrers die erwartete Effizienz bringen kann. Und eine der häufigsten Unfallursachen, die Ablenkung, ist natürlich auch bei derartigen Lkw-Unfällen einer der mitbestimmenden Faktor.

Projekt mit ÖAMTC und WKW soll Volksschulkinder für Gefahren sensibilisieren

Als zusätzliche Maßnahme empfahl Robatsch eine sogenannte vorgezogene Aufstellfläche zum Schutz von einspurigen Verkehrsteilnehmern an Kreuzungen. Fahrradfahrer, Moped und Motorradfahrer können sich hier vor dem restlichen Fließverkehr einordnen. Durch Vorziehen dieser Haltelinien gerät ein potenziell gefährdeter Zweiradfahrer für den Lkw-Fahrer automatisch in dessen Sichtbereich.

Zudem erinnerte der Verkehrssicherheitsexperte daran, dass man gemeinsam mit ÖAMTC und Wirtschaftskammer Wien (WKW) Volksschulkinder in einem Projekt für die Gefahren des “toten Winkels” sensibilisiert. Die Kurse sind in Theorie und Praxis gegliedert und erlaubt den Teilnehmern auch einen “Perspektivenwechsel”, bei dem sei auch im selbst in einem Lkw-Führerhaus Platz nehmen können und so das eingeschränkte Blickfeld mit eigenen Augen wahrnehmen.

(APA/Red)

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