AA

Tochter in Wien-Donaustadt jahrelang terrorisiert: Hintergründe zur Misshandlung

Die inzwischen 19-Jährige hatte durch ihren Vater jahrelange Misshandlung zu erleiden
Die inzwischen 19-Jährige hatte durch ihren Vater jahrelange Misshandlung zu erleiden ©Bilderbox (Symbolbild)
Am Dienstag wurde ein 56-jähriger Familienvater aus Donaustadt in Wien wegen schwerer Misshandlung seiner Tochter zu 20 Monaten unbedingter Haft verurteilt. Der Mann soll sie zehn Jahre lang regelmäßig geschlagen, gedemütigt und terrorisiert haben. Unfassbare Details zum Martyrium der jungen Frau wurden beim Prozess bekannt.
Vater wurde verurteilt

Am Dienstagnachmittag fiel der Schuldspruch gegen den Vater – wegen Quälens einer unmündigen bzw. wehrlosen Person im Sinn des § 92 Strafgesetzbuch (StGB) wurde er wie bereits berichtet zu 20 Monaten unbedingter Haft verurteilt. An der Richtigkeit der belastenden Angaben der mittlerweile 19 Jahre alten Tochter bestünde “kein Zweifel”, sagte Richterin Gerda Krausam im Straflandesgericht über die unfassbare, fortgesetzte Misshandlung.

“Unglaubliche Gewalt” durch den Vater

Erschwerend wertete Krausam bei der Strafbemessung den “überaus langen Deliktszeitraum. Es ist unglaublich, was hier für eine Gewalt angewendet wurde. Eine bedingte Strafnachsicht würde die Schuld des Angeklagten nicht abdecken”. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Familienvater, der bis zum Schluss der Verhandlung seine Schuldlosigkeit beteuert hatte (“Der da oben weiß, was war und wie’s war”), erbat Bedenkzeit.

Das Verfahren gegen die mitangeklagte Ehefrau des streng gläubigen Pfarrgemeinderats, die der physisch und psychisch misshandelten Tochter laut Anklage nicht geholfen haben soll, wurde aus formalen Gründen ausgeschieden und wird separat weiterverhandelt. Die 58 Jahre alte Frau – eine ausgebildete Kindergärtnerin – soll das Haus verlassen haben, in den Keller gegangen sein oder sich Kopfhörer aufgesetzt haben, um das Weinen der Kleinen nicht zu hören, wenn ihr Mann auf das Kind losging.

Häusliche Gewalt zunächst gegen Mutter gerichtet

Nach Angaben der im Februar 1993 Geborenen bekam sie häusliche Gewalt zum ersten Mal im Alter von sieben Jahren mit, als der Mutter ein Messer mit der Spitze nach unten auf den Parkettboden fiel. Der Vater soll seine Frau daraufhin an der Gurgel gepackt und gewürgt haben, bis sie rot wurde und keine Luft mehr bekam.

Alsbald sollen sich die Aggressionen des Technikers primär gegen seine Tochter gerichtet haben. Wenn sie kein “Sehr Gut” von der Schule heimbrachte, setzte es laut Anklage Strafaktionen. Fußtritte, verbale Demütigungen und bis zu dreiviertelstündiges Knien standen auf der Tagesordnung. Der Vater zwang seine Tochter sogar, auf der Donauinsel nackt auf ihrem Pferd zu reiten.

Mädchen floh vor Misshandlung in Donaustadt

Mehrfach versuchte die Kleine, sich dem Elternhaus zu entziehen. Sie übernachtete bei Freundinnen, mit 15 begab sie sich freiwillig für sechs Wochen ins Kriseninterventionszentrum. Das Jugendamt und Sozialarbeiter schalteten sich ein, das Mädchen wohnte für die Dauer von vier Monaten bei den Großeltern. Nach Ansicht der Behörden war danach die Situation zu Hause “bereinigt”, so dass die Tochter wieder zu den Eltern zurückgeschickt wurde.

Der Vater setzte nach Darstellung der Tochter dort sein unerträgliches, von Gewalt geprägtes Verhalten ungerührt fort. Mit 17 zog sie endgültig aus.

Angeklagter soll Tochter immer noch stalken

Seit Februar 2010 will sie explizit keinen Kontakt mehr zu den Eltern, was sie mit Einstweiligen Verfügungen erzwingen muss: Der 56-Jährige soll ihr nachstellen und den Studienort der mittlerweile 19-Jährigen herausbekommen haben, so dass inzwischen auch Anzeigen wegen Stalkings anhängig sind.

Die Angeklagten bekannten sich nicht schuldig. Er habe seiner Tochter niemals etwas angetan, versicherte der 56-Jährige. “Hören Sie, ein Kind geht mit 17 nicht einfach ohne Grund”, warf Richterin Gerda Krausam ein. “Ich bin zutiefst verletzt über diese Entscheidung”, erwiderte der Vater. Seine Tochter wolle seit 2003 – sie war damals zehn Jahre alt – “die Oberhand über den Vater bekommen und ihn vernichten”.

Familienvater bestreitet alles – Mutter auch

Die mitangeklagte Mutter will nie Übergriffe ihres Mannes erlebt haben. Auch nicht am eigenen Leib, wie sie betonte. Die entsprechenden Angaben ihrer Tochter entsprächen nicht den Tatsachen. Warum diese ins Krisenzentrum gegangen sei? – “Vielleicht hat sie diese Erfahrung gebraucht. Ich hatte nichts dagegen.” Weshalb das Mädchen an Essstörungen litt und deswegen auch ärztlich behandelt wurde? – “Sie war wie eine Prinzessin. Sie hat langsam gegessen.”

Ihre Anzeige sei “eine Enttäuschung für mich als Vater”, diktierte der Angeklagte ins Protokoll, zumal er sich nichts zuschulden habe kommen lassen. Er sei “ein sehr ruhiger und besonnener Mensch.” Daraufhin spielte ihm die Richterin eine Tonbandaufzeichnung vor: Die Tochter hatte mit ihrem Mobiltelefon einen “Ausraster” des Vaters mitgeschnitten, nachdem sie einen Schlüsselbund verlegt bzw. verloren hatte. Auf dem Tonband waren minutenlanges Gezeter, lautstarkes, bedrohliches Fluchen und eine erniedrigende Schimpfkanonade des Vaters, begleitet von Schlaggeräuschen und verzweifeltem Weinen des Mädchens zu hören.

Tondukument belastet Angeklagten

Der Angeklagte, der das Tondokument bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekannt haben dürfte, reagierte darauf, indem er betonte, es handle sie hiebei um einen “einmaligen Ausrutscher”. Er wolle das Tonband “ganz, bis zum Schluss hören. Vielleicht habe ich mich am Ende entschuldigt”. Er sei nie übergriffig geworden, habe maximal “an der Bettdecke gezogen, damit sie aufsteht und rechtzeitig zu Schulbeginn im Musikgymnasium ist”.

Der Mann stellte auch in Abrede, das Mädchen zum Nackt-Reiten gezwungen zu haben. Das Ganze habe sich im FKK-Bereich auf der Donauinsel abgespielt und sei mit der Tochter “besprochen” worden: “Es gibt im Hochsommer nichts Schöneres für ein Pferd als das Wasser. Sie hat sich selbst ausgezogen, weil sie mit dem Pferd schwimmen, baden gehen wollte. Ich habe sie im Gespräch davon überzeugen können, dass man das tun kann. Sie hat das gerne gemacht. Ohne Druck,” bestreitet der Vater den Vorwurf, dass es sich um Misshandlung gehandelt habe.

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Wien - 22. Bezirk
  • Tochter in Wien-Donaustadt jahrelang terrorisiert: Hintergründe zur Misshandlung
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen