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"Tante Emma" hat ausgedient

Der Strukturwandel in Vorarlbergs Lebensmittelhandel ist von ungebrochener Dynamik: Moderne Lebensmittelvollsortimenter und Diskonter liefern sich Marktanteilskämpfe.

So ist die Zahl der Lebensmittelgeschäfte mit Vollsortiment von 1970 bis heute von 578 auf 224 geschrumpft, während sich die Verkaufsflächen der Diskonter allein seit 1990 auf 15.340 m2 verdreifachten. Eine Hauptursache dieser Entwicklung ist die „Geiz ist geil“-Mentalität.

Das erklärte der zuständige Fachgruppen-Geschäftsführer in der Wirtschaftskammer, Mag. Julius Moosbrugger, auf die Frage, ob die Tage der Vollsortimenter schon bald gänzlich gezählt sind. „Geiz ist geil“ würden zwar immer mehr Konsumenten praktizieren, deren Geldtasche sie dazu zwingt, aber „auch immer mehr solche Verbraucher, für die das einfach chic ist“ (Moosbrugger). Die Diskonter seien heute nicht nur Nachfragebefriediger, sondern immer öfter auch –erzeuger, würden eine offensive Flächenexpansion fahren und sich „dort postieren, wo man möglichst rasch möglichst viel abgrasen kann“, so der Insider. Neben ihnen behalte aber selbstverständlich auch der moderne Vollsortimenter seine Berechtigung. „Dazu braucht er aber Mindestflächen, der 70 m2-Tante-Emma-Laden hat ausgedient. Es sei denn, man bedient mit wirklichen Spezialitäten kleine, feine Nischen – das funktioniert auch auf kleinstem Raum“, verwies der Fachgruppenchef auf Beispiele im Land.

Seit 1970 hat – trotz des berüchtigten Greißlersterbens – die Lebensmittelverkaufsfläche im Land um fast 140 Prozent auf über 100.000 m2 zugenommen. Während Vorarlberg bei der Entwicklung der Handelslandschaft früher wegen der offenen Grenzen oft Trendsetter für ganz Österreich war, wirken laut Moosbrugger heute „vom Boden- bis zum Neusiedlersee die gleichen Mechanismen“. Die im Vormarsch befindlichen Diskonter, deren Opfer viele Jahre kleinstflächige Vollsortimenter waren, setzen neuerdings immer heftiger auch vollsortierten Lebensmittelanbietern mit 150 bis 400 m2 Betriebsgröße zu. „Hier muss die Landespolitik mit Lenkungsmaßnahmen eingreifen, um eine funktionierende Nahversorgung und auch die wirtschaftliche Vitalität der Ortskerne zu sichern“, schloss Moosbrugger seine Analyse mit einer Forderung ab.

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